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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Sondervermögen
Friedrich Merz begräbt Ludwig Erhard

Das Ende der sozialen Marktwirtschaft naht. Die CDU stellt die Weichen für den Schuldenstaat.
Sondervermögen

Markus Söder, Saskia Esken, Friedrich Merz und Lars Klingbeil kommen zu einer Pressekonferenz über die Sondierungsgespräche zwischen der Union und der SPD.

© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der Postillon überzeichnete nur moderat, als er Friedrich Merz als Pinocchio darstellte . In der Tat hatte dieser im Wahlkampf wieder und wieder beteuert, dass mit ihm als Kanzler eine Reform der Schuldenbremse ohne tiefgreifende strukturelle Reformen undenkbar wäre. Gerade mal neun Tage nach der Bundestagswahl unterzeichnete er das Ergebnis der Sondierungsverhandlungen von CDU, CSU und SPD, in dessen sieben Punkte genau dies beschlossen steht. Ein in der deutschen Geschichte einmaliger Vorgang politischer Wendigkeit.

Als Vorwand dazu dient Trumps jüngste Gesprächsführung gegenüber Selenskyj im Oval Office des Weißen Hauses vor den Medien der Weltöffentlichkeit. Die war in der Tat ein trauriger Gipfel der Unverschämtheit, kam allerdings nicht überraschend. Zusammen mit früheren Äußerungen Trumps unterhöhlte sie auch das Vertrauen in die amerikanische Bereitschaft zum Beistand gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags der NATO. Ein guter Grund zur Aufrüstung Deutschlands.

Was allerdings jetzt von Union und SPD avisiert wird, geht weit darüber hinaus. Für Verteidigungsausgaben jenseits von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – haushaltstechnisch gesprochen: Ausgaben im Einzelplan 14 – entfällt die Schuldenbremse komplett. Das wäre nach Lage der Dinge vielleicht noch nachvollziehbar – als positive „Ausgliederung“ der eminent wichtigen äußeren Sicherheit als Staatsziel. Daneben wird aber den Ländern eine Kreditaufnahme von 0,35 Prozent des BIP erlaubt – also ein Spielraum, wie ihn bisher allein der Bund hatte und der keinerlei kausale Verbindung zur äußeren Sicherheit aufweist.

Schlimmer noch: Neben diese Aufweichungen der Schuldenbremse tritt ein gewaltiges Sondervermögen  für Investitionen in die Infrastruktur, separat am Kapitalmarkt finanziert. Es beläuft sich auf Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 500 Milliarden Euro über 10 Jahre, eine gewaltige Summe. Es umfasst eine breite Palette von Bereichen, die zum Großteil gar nichts mit Militärischem zu tun haben. Offenbar auf Drängen der SPD wurde die Gelegenheit genutzt, massiv Möglichkeiten der Finanzierung auf einen Schattenhaushalt zu verlagern. Dies ist in hohem Maße problematisch. Es ist rechtlich ein kompletter Bruch mit der demokratischen Tradition, dass das Parlament – und niemand sonst – die Prioritäten der Politik bestimmt, auch zwischen Konsum und Investitionen. Ökonomisch sorgt es für eine Verlagerung der Investitionsfinanzierung auf das Sondervermögen, womit Mittel im konventionellen Haushalt für den Konsum freiwerden – ein sicherer Weg zum Aufweichen der Haushaltsdisziplin in praktisch allen Segmenten des Budgets.

Dem massiven zusätzlichen Nachfrageschub stehen volkswirtschaftlich noch keinerlei geplante Verbesserung der Angebotsbedingungen gegenüber, sieht man von einem angekündigten „Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz“ ab, das die Engpässe im Beschaffungswesen der Bundeswehr vermindern oder gar beseitigen soll. Das ist nötig, denn der Mittelabfluss aus dem bereits vor drei Jahren eingerichteten Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro ist bisher jämmerlich schwach – die Rede ist von gerade mal 20 Milliarden Euro. Aber die Engpässe im wirtschaftlichen Angebot in der gesamten Breite der Volkswirtschaft werden davon kaum berührt: Die Planungs- und Genehmigungsverfahren bleiben zu lang, der Mangel an Fachkräften in Bauwirtschaft und Handwerk zu dramatisch, die Arbeitszeiten zu unflexibel, die Bürokratien zu komplex, das Leistungsangebot insgesamt zu knapp. Unter diesen Bedingungen ist der Nachfrageschub ein Inflationsprogramm für Preise und Löhne, das die Wirtschaft nominal aufbläht, aber nicht real expandieren lässt.

Schlimmer noch sind die Folgen für den Kapitalmarkt. Erste Schätzungen zeigen, dass auf diesem Weg Deutschland in wenigen Jahren seine Schuldenquote von rund 60 auf über 90 Prozent erhöhen wird. Das deutsche Triple-A-Rating wird der Geschichte angehören. Das Land wird von einer größeren Schweiz in die Kategorien Frankreichs und Italiens zurückgestuft, mit schlechterer Bonität und höheren Zinsen. Dies kann auch den Euro gefährden, denn Deutschland ist der Stabilitätsanker, der auch das Rating der Nachbarn in der Eurozone stützt. Eine europäische und globale Finanzkrise rückt dann schnell näher – mit verheerenden Folgen.

Kurzum: Friedrich Merz verspielt das stolze Erbe der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard. Er schafft mehr staatliche Nachfrage durch Schulden statt mehr privates Angebot durch Leistung. So wird das nichts. Was für ein schlechter Start, Herr Merz: Kehren Sie um!

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
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