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Wahlen Sri Lanka
Präsidentschaftswahl in Sri Lanka - ein linksgerichteter Außenseiter gewinnt

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Zeitungsstand in Colombo am Tag nach der Wahl

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Eranga Jayawardena

Wahl eines politischen Außenseiters

Mit der Wahl von Anura Kumara Dissanayake (AKD) hat Sri Lanka einen politischen Außenseiter zum Präsidenten gekürt. Obwohl er nur über begrenzte Regierungserfahrung verfügt, erwies sich gerade diese fehlende Erfahrung als eine seiner größten Stärken. Als Außenseiter ist AKD nicht Teil des von vielen Wählern als korrupt angesehenen politischen Systems. Jahre skandalgeplagter Regierungsführung hatten das öffentliche Vertrauen untergraben, und AKDs Versprechen, die Korrupten zur Rechenschaft zu ziehen, fand tiefen Anklang bei der wirtschaftlich gebeutelten Bevölkerung.

Herausforderung bei der Umsetzung der Wahlversprechen

Doch der Weg des neuen Präsidenten ist mit Hindernissen gespickt. Die Umsetzung seiner ehrgeizigen Antikorruptionsagenda wird die Grenzen der präsidialen Macht ausloten, insbesondere in einem politischen Umfeld, das gegenüber Veränderungen resistent ist. Auch andere Ziele sind nicht leicht zu erreichen. Der Präsident will Einkommensungleichheiten beseitigen, lokale Industrien fördern und Ressourcen in öffentliche Dienste wie Gesundheit und Bildung umleiten. Diese Vorhaben umzusetzen, ohne ausländische Investoren zu verprellen oder die fiskalische Stabilität zu gefährden, wird einen delikaten Balanceakt erfordern. Auch wenn Dissanayake aus einem linksgerichtetem Umfeld kommt, der wirtschaftspolitischen Realität muss er sich auch stellen. Wichtige Reformen, wie zum Beispiel die der Staatsunternehmen — ein Bereich, in dem sich die FNF in den letzten Jahren engagierte — sind unpopulär, aber notwendig, um Sri Lanka auf Erholungskurs zu halten.


Parlamentswahlen am Horizont


Diese Herausforderungen werden durch die bevorstehende parlamentarische Dynamik noch verstärkt. Neuwahlen für die Legislative sind für Dezember oder Januar geplant, und die Zusammensetzung des neuen Parlaments wird entscheidend sein. Ohne eine unterstützende Mehrheit könnte AKD feststellen, dass sein Reformwille durch legislative Blockaden gedämpft wird. Obwohl der Einfluss der Partei des Präsidenten, der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), auf Deutsch "Volksbefreiungsfront", gewachsen ist, ist es keine leichte Aufgabe, den präsidialen Schwung in Parlamentssitze umzusetzen. Als Präsident, der zum ersten Mal in der Geschichte weniger als 50% der Stimmen erhalten hat, muss er in den nächsten 100 Tagen versuchen, die Zustimmung in der Bevölkerung zu vergrößern.

Begrenzter Handlungsspielraum


Die fiskalische Realität wird AKDs Agenda sofort Grenzen setzen. Sri Lanka steht weiterhin unter der wachsamen Beobachtung internationaler Gläubiger, und jede Abweichung von vereinbarten Wirtschaftspolitiken könnte schwerwiegende Folgen haben. Der Präsident muss diese Einschränkungen sorgfältig navigieren und innovative Wege finden, um Sozialprogramme und Antikorruptionsinitiativen zu finanzieren, ohne die Staatsverschuldung zu erhöhen.

Eine Möglichkeit ist die Verbesserung der Effizienz staatlicher Institutionen und die Einführung einer sozialen Marktwirtschaft. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat sich in den letzten Jahren für die Umsetzung beider Ziele engagiert, Lösungsmodelle wurden von verschiedenen Parteien in unterschiedlichen Varianten in ihre politischen Forderungen aufgenommen.

Darüber hinaus stellen Interessenskonflikte innerhalb der politischen und bürokratischen Systeme erhebliche Hürden dar. Korruption ist tief in das Gefüge der sri-lankischen Regierungsführung eingewebt, und die Zerschlagung dieser Netzwerke wird wahrscheinlich Widerstand von verschiedenen Seiten provozieren, die viel zu verlieren haben—unter anderem auch von Gewerkschaften, die bisher AKD unterstützten.

Beginn einer neuen Ära?

AKDs Sieg beendet effektiv den wirtschaftsliberalen Kurs, der Wickremesinghes Amtszeit prägte. Der ehemalige Präsident hat Sri Lanka aus seinem wirtschaftlichen Tiefpunkt geführt, dringend notwendige Sparmaßnahmen umgesetzt und internationale Kredite gesichert, die einen völligen finanziellen Zusammenbruch verhinderten.

Die kommenden Monate werden entscheidend dafür sein, ob AKD seine ambitionierten Reformen umsetzen kann. Seine Fähigkeit, die Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen und gleichzeitig die wirtschaftliche Stabilität zu bewahren, wird über den Erfolg seiner Präsidentschaft bestimmen. Gelingt es ihm, Korruption einzudämmen, soziale Ungleichheiten zu reduzieren und die Wirtschaft weiter zu stabilisieren, könnte Sri Lanka einen neuen Weg einschlagen, der langfristigen Wohlstand und gute Regierungsarbeit fördert. Es bleibt zu hoffen, dass Sri Lanka unter der Führung zu Stabilität findet.

Wolfgang Heinze ist Leiter der Büros in Sri Lanka der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Colombo.