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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Subventionswettlauf
Standortwettbewerb statt Staatskapitalismus

Der Subventionswettlauf der USA und der EU geht in die völlig falsche Richtung. Wo bleibt die Ordnungspolitik?
Karl-Heinz Paqué

European Chips Act, Chips and Science Act, Inflation Reduction Act und nun auch noch Green Deal Industrial Plan. So liest sich die Sequenz von gigantischen Subventionsprogrammen, die im transatlantischen Wechselschritt im letzten und Anfang dieses Jahres angekündigt worden sind. Alle mit einem klaren industriepolitischen Ziel: möglichst viel Investitionen in klimapolitisch relevanten Industrien in der jeweiligen Hemisphäre zu ermöglichen – in den USA und der EU.

Wenn es dazu kommt, wird es der größte Subventionslauf, den – bisher liberale Marktwirtschaften – auf den Weg gebracht haben. Es geht in wenigen Jahren auf beiden Seiten um Hunderte von Milliarden Dollar und Euro an Steuergeldern. Beim amerikanischen Inflation Reduction Act ist deren Vergabe zusätzlich gespickt mit protektionistischen Elementen der Diskriminierung ausländischer gegenüber US-amerikanischer Wertschöpfungsketten. Beim Green Deal Industrial Plan wird dies mit einer „Politik der freien Hand“ bei der Beihilfe beantwortet: Jedes Land, das in Konkurrenz mit einem Drittland um Investoren wird, soll jedes Angebot der Gegenseite mitgehen können, jedenfalls zunächst in den kommenden Jahren bis 2025. 

Zu diesen Plänen jubeln die Grünen, auch der für die Ordnungspolitik zuständige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Ihr Urteil: die richtige Antwort auf die große klimapolitische Herausforderung. Klimapolitisch aktive Verbände sind ebenfalls begeistert, so etwa Simone Peter, Vorsitzende des Verbands Erneuerbarer Energien. Dass dabei die Grundsätze des fairen, diskriminierungsfreien Handels der Word Trade Organisation (WTO) über den Haufen geworfen werden, schert sie nicht. Im Gegenteil, diese Grundsätze seien, so Frau Peter im Interview, in Anbetracht der klimapolitischen Herausforderungen ohnehin hoffnungslos veraltet. Weg mit ihnen!

Als liberaler Volkswirt reibt man sich die Augen: Kann es wirklich sein, dass die globalen Hochburgen „westlicher“ Werte wie Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaat völlig bedenkenlos jene Prinzipien über Bord werfen, die über 70 Jahre lang – und dies überaus erfolgreich – den Welthandel beherrscht haben? Kommen wir jetzt in eine Phase der politischen Panik, in der nur noch ein Ziel – der Strukturwandel unserer Produktionsstruktur in Richtung ökologischer Großziele – in der Prioritätenliste zählt und protektionistische Sündenfälle politische Kavaliersdelikte sind? Müssen künftig die Steuerzahler für international tätige Großkonzerne zahlen, damit die ihre Produktionsstätten doch bitte in unsere Länder legen und nicht anderswohin? Wollen wir denn wirklich, dass sich diese Großkonzerne in der Zukunft, was Subventionen betrifft, à la carte bedienen und deshalb irrsinnige unproduktive Summen in Aktivitäten des Lobbyismus investieren, um an das große staatliche Geld zu kommen? Wo bleibt der ordnungspolitische Kompass?

Der ist offenbar komplett verloren gegangen. Gerade wir Deutsche waren einmal besonders stolz auf ihn, seit die soziale Marktwirtschaft in unserer Nation etabliert wurde. Klar ist: In Reinkultur wurde dieses hehre Konzept zu keinem Zeitpunkt der bundesdeutschen Geschichte gepflegt, aber zumindest wurden doch die übelsten Auswüchse vermieden. Jetzt drohen anscheinend – über den Umweg via Brüssel – alle Dämme zu brechen.

Das darf nicht sein. Dagegen müssen sich liberal Gesinnte wehren, vor allem die Freien Demokraten, aber auch ordnungspolitische Geister in anderen Parteien, wenngleich Frau von der Leyen als Christdemokratin ausgerechnet zur CDU gehört – jener Partei, in die Ludwig Erhard, der Vater der sozialen Marktwirtschaft in der Schlussphase seiner politischen Laufbahn eintrat.

Im Übrigen zeigt ein Blick über die Grenzen der EU hinaus, dass es durchaus technologisch hervorragend aufgestellte, innovationskräftige Länder gibt, die ohne gigantische industriepolitische Programme auskommen, so wie die Schweiz, Israel, Norwegen oder auch Kanada. In der EU muss es nun darum gehen, in den nächsten Monaten zu einer vernünftigen Zielvorstellung zurückzukehren. Manches im Green Deal Industrial Plan ist ja sinnvoll – von der Planungsbeschleunigung bis zu einer gewissen Pragmatik der Beihilfepraxis. Nicht staatskapitalistische Investitionslenkung, sondern der faire Qualitätswettbewerb von Standorten muss aber letztlich im Vordergrund stehen. Da zählen günstige steuerliche und bürokratische Rahmenbedingungen, aber vor allem die Qualifikation der Fachkräfte. Besonders daran müssen wir arbeiten.