LGBTQI+
Ein queerer Sänger macht sich im konservativen Pakistan einen Namen
Pakistans Version von "Deutschland sucht den Superstar" brachte Raphay Shahzad landesweite Bekanntheit. Nach seinem Auftritt wurde der queere Künstler bedroht. Nun spricht er über den langsamen gesellschaftlichen Wandel in seiner Heimat.
Raphay Shahzad ist 24 Jahre alt, als er zum ersten Mal vor einem Millionenpublikum singt. Der Student aus Lahore bewirbt sich für die Teilnahme an der Sendung "Pakistan Idol" – der pakistanischen Variante von "Deutschland sucht den Superstar". Shahzad tritt mit langen schwarzen Haaren, Sonnenbrille und geschminktem Gesicht vor die Juroren – in dem streng konservativen Land ein ungewöhnlicher Anblick. Eine echte Chance scheint der junge Musiker nicht zu haben: "Du bist definitiv eine andere Art von Mensch", sagt eine Jurorin. Eine andere fügt hinzu: "Dein Tanz hat mir gefallen, aber für diese Plattform ist das nichts."
Für den queeren Künstler wurde der Moment, der 2013 landesweit im pakistanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, zu einem einschneidenden Erlebnis mit fataler Wirkung: "Als eine offen queere Person in einer Reality-Show bin ich auf einen Schlag im ganzen Land berühmt geworden", sagt Shahzad. Es war aber nicht gerade die Art von Berühmtheit, die man sich wünscht: "Menschen haben angefangen, mich und meine Familie zu bedrohen."
Mehrere Jahre lang verzichtete Shahzad deshalb auf öffentliche Auftritte: "Ich konnte mit diesem Druck nicht umgehen."
Inzwischen ist Shahzad wieder in die Medienbranche seines Heimatlandes zurückgekehrt und spricht offen über die Probleme, mit denen Personen aus der LGBTQ-Community in Pakistans Unterhaltungsindustrie konfrontiert sind. Einen Einblick in seine Erfahrungen gab er in der Online-Veranstaltung "Queering Media", die die Südasien-Niederlassung der Friedrich-Naumann-Stiftung im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Born with Pride" Mitte November ausrichtete.
Mit Blick auf Rechte von LGBTQ-Personen gehört Pakistan zu den Schlusslichtern in Asien: Gleichgeschlechtlicher Sex ist in dem Land verboten und kann mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Ein offen homosexuelles Leben gilt selbst in den Großstädten für viele Menschen noch als Tabu. Auf dem Equality-Index des LGBTQ-Portals Equaldex steht Pakistan auf Rang 140 von 198 gelisteten Ländern[1].
Die indische Filmemacherin und Professorin Gauri Chakraborty, die an der Times School of Media lehrt, moderierte das Gespräch mit Shazad. Sie betonte das große Potenzial der Unterhaltungsbranche, einen gesellschaftlichen Wandel anzutreiben. "Die Medienindustrie in Südasien hat damit begonnen, die queere Community zu repräsentieren", stellte sie fest. "Aber die Darstellung ist oft nicht realitätsnah." Für Künstlerinnen und Künstler erfordere ein Coming-Out immer noch Mut. Menschen wie Shahzad würden jedoch dazu beitragen, für andere positive Referenzpunkte zu setzen.
Shahzad erzählte, dass es ihm bei seinem Karrierebeginn an Vorbildern fehlte. "Es gab so gut wie keine queeren Prominenten, zu denen ich aufschauen konnte." Auch an seiner Kunsthochschule sei er ausgegrenzt worden. "Ich habe mich sehr alleine gefühlt." Die Frage, ob er von anderen Künstlern und Medienschaffenden Unterstützung erfahren habe, beantwortete er mit einem klaren Nein. Als er Jahre nach dem Auftritt bei "Pakistan Idol" ein Musikvideo produzierte und es einem lokalen Sender anbot, sei er abgewiesen worden: "Mir wurde mitgeteilt, dass das Video nicht durch die Zensur kommen würde."
Der Sänger veröffentlichte das Video anschließend eigenständig auf Youtube. Die Reaktionen seien daraufhin sehr positiv gewesen. "Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass sich die Kämpfe der vergangen zehn, fünfzehn Jahre ausgezahlt haben." Insgesamt bemerkt Shahzad einen gesellschaftlichen Wandel: An Universitäten sei nun ein offenerer Umgang mit Homosexualität möglich. Vor zwei Jahren habe Pakistan seine Pride-Parade abgehalten."Die Schritte sind sehr klein und liegen oft Jahre auseinander", sagte er. Er sei aber froh darüber, dass Ängste abnehmen und die LGBTQ-Gemeinschaft in Pakistan an Selbstvertrauen gewinne.
Für die Zukunft erhoffe er sich, dass queere Inhalte verstärkt Einzug in den Mainstream der pakistanischen Unterhaltungsindustrie finden – und Homosexualität nicht nur als Problem darstellen, sagte Shahzad, der 2014 eine Videoproduktionsfirma mitgründete. "Meine große Frage ist, wann Pakistan endlich einen Mainstream-Film bekommt, der eine queere Person in einem positiven Licht darstellt. Wann werden wir bereit dafür sein? Werden wir es jemals sein?"