Tourismus
Ist der Tourismus in Südasien wieder im Aufwind?
Die Tourismusbranche ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige weltweit. Laut dem World Travel and Tourism Council WTTC entfielen 10,4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 10,6 Prozent aller Arbeitsplätze (334 Mio.) im Jahr 2019 auf den Reise- und Tourismussektor. Im Jahr 2020 sank der Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung um fast 50 Prozent auf 5,5 Prozent, während das globale BIP „nur“ um 3,7 Prozent fiel. Allein im Jahr 2020 gingen 62 Millionen Arbeitsplätze in der Branche verloren. Diese Zahl wird weiter steigen, da ein Großteil der Arbeitsplätze und Unternehmer weltweit noch durch staatliche Programme gestützt werden. In Südasien allein sind geschätzt 48 Millionen Arbeitsplätze gefährdet, vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie im informellen Sektor, der etwa 80 Prozent der gesamten Branche ausmacht.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Südasien und die Reinhold-Maier-Stiftung haben die Bedeutung und die akute Gefährdung der Branche zum Anlass genommen, mit Experten aus der Region Südasien und aus Deutschland über den Status Quo und Wege aus der Krise zu diskutieren. Dr. Mariyam Shakeela, CEO SIMDI Group, Malediven; Taufiq Rahman, Generalsekretär Pacific Asia Travel Association (PATA), Bangladesch und Frank Müller-Rosentritt, Mitglied des Bundestages, zeigten die einerseits sehr unterschiedlichen und doch ähnlichen Probleme auf, mit denen die Tourismusbranche auch im Jahr 2021 weiterhin hart zu kämpfen hat. Alle Experten bekräftigen die momentane hohe Bedeutung des inländischen Tourismus aufgrund der internationalen Reisebeschränkungen und der immer wieder hohen Wellen an Covid-19-Ausbrüchen in verschiedenen Ländern. Derzeit ist ganz Südasien von mehr oder weniger hohen Inzidenzen betroffen.
Die Volkswirtschaft der Malediven ist stark vom Tourismus abhängig. Die Corona-Krise hat die Verletzlichkeit der maledivischen Volkswirtschaft offengelegt. Dr. Shakeela betont, dass die Regierung umfangreiche Maßnahmen treffen musste, um die Bevölkerung und Firmen zu stützen: Temporäre Preisnachlässe bei den Strom- und Gaskosten, Senkung der Benzinpreise, Preisbremsen für Lebensmittel, Zahlungsaufschübe für Firmen sowie Kredite Mieter. Weiterhin wurden öffentliche Ausgaben für Gesundheit und Notfälle umgewidmet und geldpolitische Maßnahmen getroffen. Zusätzlich werden Arbeitslose oder Kurzarbeiter direkt mit Geldtransfers unterstützt. Telefonumfragen der Weltbank haben ergeben, dass diese Maßnahmen von der Bevölkerung als sehr hilfreich empfunden werden. Neben den direkten Leistungen hat die Regierung mehrere Programme initiiert, um Touristen anzulocken. Mit dem Treueprogramm Maldives Border Miles sammeln Besucher Bonuspunkte. Durch das Projekt „Re-Imagining Tourism“ soll der Tourismus nachhaltiger gestaltet und lokale Gemeinschaften stärker eingebunden werden. Die Kampagne „I’m Vaccinated“ soll das Vertrauen von Touristen stärken. Die Besucherstatistiken zeigen, dass die Maßnahmen Früchte tragen. Gleichzeitig befindet sich der Markt im Umbruch. Statt europäischer Touristen kommen seit Beginn der Pandemie vermehrt osteuropäische, russische und indische Touristen. Obwohl das Maßnahmenpaket als Erfolg gilt, ist die Covid-19-Inzidenz in der maledivischen Bevölkerung seit Anfang Mai 2021 sehr hoch. Seit Mitte Mai ist die Einreise für Besucher aus ganz Südasien bis auf weiteres untersagt.
In Bangladesch wird im Gegensatz zu den Malediven der Tourismusbranche keine hohe Bedeutung durch die Regierung beigemessen. Es gibt daher auch keine besonderen Unterstützungsmaßnahmen. Ein Teil der Arbeitnehmer und selbständigen Unternehmer hat bereits die Branche gewechselt. Viele Beschäftigte aus dem informellen Sektor der Tourismusindustrie verkaufen heute Tee oder Gewürze und arbeiten auf Fisch- und Fleischmärkten, um über die Runden zu kommen. Laut Taufiq Rahman muss der Fokus jetzt auf dem Inlands- und grenzüberschreitenden Tourismus liegen, da der Ferntourismus noch mindestens zwei Jahre brauchen wird, um sich zu erholen. Bangladesch hat mit Cox‘s Bazar, Dhaka oder den Sundarban Mangrovenwäldern touristische Highlights zu bieten, wurde aber bereits vor der Pandemie nicht als klassische Destination wahrgenommen. So begeistert einer der längsten Sandstrände der Welt, Cox’s Bazar, jetzt fast ausschließlich inländische Besucher.
Auch Frank Müller-Rosentritt unterstreicht die hohe Bedeutung des inländischen Tourismus in Deutschland. Gleichwohl ist die Reisewirtschaft auch in Deutschland stark betroffen und Arbeitnehmer haben sich teilweise beruflich neu orientiert. Wissen und Expertise gehen so langfristig verloren. MdB Müller-Rosentritt unterstreicht die Bedeutung von Impfungen und verweist auf das Common Trust Network, welches vom World Economic Forum initiiert wurde: „Der beste Weg ist es, ein gemeinsames und transparentes Modell mit standardisierten Zugangsvoraussetzungen und garantierten Quarantäneregeln zwischen Europa und den Ländern der Region Südasien zu entwickeln. Es muss eine Standardisierung von Tests geben, um Verbrauchervertrauen aufzubauen.“ Durch die Initiative Common Trust Network soll bspw. sichergestellt werden, dass Testergebnisse und Impfausweise nur aus überprüfbaren und vertrauenswürdigen Quellen stammen und damit auch den Weg ebnen für ein reibungsloses Reisen zwischen Südasien und Deutschland.
Der beste Weg ist es, ein gemeinsames und transparentes Modell mit standardisierten Zugangsvoraussetzungen und garantierten Quarantäneregeln zwischen Europa und den Ländern der Region Südasien zu entwickeln. Es muss eine Standardisierung von Tests geben, um Verbrauchervertrauen aufzubauen.
Die Covid-19-Krise hat den Tourismus weltweit stark getroffen. Müller-Rosentritt betont, dass der Tourismus neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung auch wichtig ist als „informelle Ergänzung der Diplomatie“. Die Tourismusbranche muss nicht zuletzt deshalb zügig wiederbelebt werden.