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Thailand
Thailand gibt das Hanf frei

Die Regierung streicht Cannabis von der Liste der verbotenen Betäubungsmittel. Die Legalisierung soll der kriselnden Wirtschaft des Landes helfen. Ganz klar ist die Rechtslage aber nicht.
Green leafed plant with CBD oil.

Green leafed plant with CBD oil.

© Photo by CBD Infos on Unsplash

Von der Cannabis-Sorte UFO kostet ein Gramm umgerechnet etwas mehr als 10 Euro. Die Preisliste des „Highland Cafe“ in Bangkok verspricht dem Kunden auch die Wirkung der Droge: „Chill Alert“.

Das „Highland Cafe“ in Bangkok gehört zu den ersten Läden in Thailand, die offiziell Cannabis-Blüten verkaufen. Weitere dürften in den kommenden Wochen und Monaten folgen.

Seit dem 9. Juni steht Cannabis nicht mehr auf Thailands Liste der verbotenen Betäubungsmittel. So hatte es das Kabinett bereits im Dezember beschlossen. Die Regierung erhofft sich damit ein Konjunkturprogramm der besonderen Art – insbesondere für den Tourismus und die Landwirtschaft.

Die Beamten bemühen sich, Cannabis als Anbaupflanze populär zu machen: eine Million Pflanzen werde der Staat nun an seine Bürger verteilen, versprach Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul auf seiner Facebook-Seite.

Während die Ampel-Koalition in Deutschland noch diskutiert, wie und in welcher Form Cannabis als Genussmittel legalisiert werden soll, schwingt sich Thailand zum Marihuana-Vorreiter auf. Zwar ist offiziell nur der Konsum zu medizinischen Zwecken erlaubt – das „Highland Cafe“ dürfte aber sicherlich auch andere Zielgruppen im Auge haben. Eines ist ist klar: Im sonst so restriktiven Südostasien sticht Thailand mit seiner lockeren Cannabis-Politik hervor.

Weiterhin Einschränkungen

Künftig darf jeder Bürger so viel Cannabis und Hanf anbauen, wie er möchte. Er muss sich zuvor nur über die App „Plook Ganja“ (etwa: pflanze Ganja) oder eine Website registrieren. Eine Genehmigung beantragen muss nur noch, wer seine Ernte kommerziell vermarkten möchte.

Unklar bleibt bisher allerdings, wie Thailand den Konsum regulieren möchte: Anutin und seine Beamten beteuern, dass Cannabis nur für medizinische Zwecke eingenommen werden soll – und zum Kochen. Wo hier die Unterscheidung zum Freizeitkonsum aber genau liegen soll, ist noch nicht klar definiert.

Extrakte, also beispielsweise Öle, die mehr als 0,2 % des psychoaktiven Stoffes Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, stuft Thailand  weiterhin als verbotene Betäubungsmittel ein. Zum Vergleich: Auf der Straße gehandeltes Marihuana enthält in Deutschland durchschnittlich mehr als 10 Prozent THC. Die nun in Thailand erhältlichen cannabishaltigen Produkte werden also keinen Rausch verursachen. Produkte mit einem THC Gehalt von 0,2 Prozent sind in Deutschland schon heute erhältlich.

Noch entschieden werden muss beispielsweise, ob der Konsum von THC nur zu Hause oder beispielsweise auch in Cafés oder Restaurant erlaubt sein soll. Klar ist: Geraucht werden darf das Gras wohl erstmal nicht, zumindest nicht in der Öffentlichkeit – dann kann der Konsument wegen Geruchsbelästigung zur Verantwortung gezogen werden.

 

Person holding grass during daytime.

Person holding grass during daytime.

© CRYSTALWEED cannabis

Cannabis soll Medizintourismus helfen

Experten warnen vor der bisher noch unklaren Rechtslage, die Konsumenten doch in Schwierigkeiten bringen könnte. „Nutzungslimits oder beispielsweise Regeln bezüglich des Fahrens unter Drogeneinfluss werden nicht genannt“, sagt Sarana Sommano Landwirtschaftsexpertin der Universität Chiang Mai. „Dies könnte ein Fehler der Regierung sein, weil sie versucht, ihre Politik zu beschleunigen, um den Wählern zu gefallen, ohne die Details wirklich zu planen.“

Offenbar erwägt die Regierung, den Freizeitkonsum zumindest regional zu legalisieren. Der Konsum zum Genuss könnte „in manchen Orten, die noch spezifiziert werden müssten“ erlaubt sein, sagte Paisarn Dunkum, Generalsekretär der Food and Drug Administration Thailands. „Coffee Shops“, wie man sie beispielsweise aus den Niederlanden kennt, sind aber unwahrscheinlich.

Die Regierung will den Konsum als Rauschmittel verhindern, anderseits aber die gewünschten wirtschaftlichen Impulse setzen – der Lockerungen haben schließlich primär ökonomische Gründe.  Cannabis-Befürworter rufen die Pflanze zur Cash Crop aus. Ganz vorne dabei: Gesundheitsminister Anutin.

Mehrere Tage tourte er im März dieses Jahres durch Thailands Provinzen und warb für Anbau und Nutzung der lange verbotenen Pflanze. Höhepunkt der Reise war Nakhon Phanom, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Nordosten Thailands.  Anutin will das Provinznest zu einer Modellstadt machen – die „Cannabis City“. Dort soll Cannabis nicht nur angebaut und verarbeitet werden. Touristen sollen sich auch über die Pflanze und deren Verarbeitungsmöglichkeiten informieren können.

Bereits 2019 hatte Thailand die medizinische Nutzung der Pflanze erlaubt. Ende 2020 wurde dann die Cannabis-Pflanze bis auf die sogenannten Knospen und Blüten von der Betäubungsmittelliste gestrichen. Unternehmer sahen schnell Chancen:  Cannabishaltige Produkte sind in Thailand inzwischen in vielerlei Art, nicht nur als Medizin, sondern auch in Lebensmitteln, erhältlich.

Der „Asian Cannabis Report“ der auf Cannabis spezialisierten Unternehmensberatung Prohibition Partners schätzt, dass der legale Cannabis Markt in Asien bis 2024 auf 12,5 Milliarden USD wachsen kann. Cannabis könne insbesondere Thailands wichtige Wirtschaftszweige Landwirtschaft und Tourismus retten.

Thailands Landwirtschaftssektor kämpft nicht nur mit Arbeitskräftemangel, sondern auch mit zu niedrigen Margen der wichtigen Jasmin-Reis Exporte. Konkurrierende Anbau-Länder wie Vietnam sind starke Konkurrenten geworden. Auch der Tourismus steckt in der Krise. Internationale Besucherzahlen sind während der Pandemie stark eingebrochen und erholen nur langsam. Die lockere Cannabis-Politik soll nun vor allem den Medizintourismus ankurbeln.

Ampel plant Gesetz bis Frühjahr 2023

Laut Anutin sind bis März 2022 über 240.000 Patienten mit medizinischem Cannabis behandelt und so nahezu 200 Millionen Euro erwirtschaftet worden. In Cannabis-Medikamenten kann der THC-Gehalt auch höher als 0,2 Prozent sein. Inzwischen stehen bestimmte THC-haltige Arzneimittel sogar auf Thailands Liste für „essentielle Medizin“ und können unter der öffentlichen Krankenversicherung kostenlos von Krankenhäusern oder einer der inzwischen über 1000 „Marihuana-Kliniken“ an Patienten, wie beispielsweise Krebskranke, verschrieben werden.

Vor allem in anbetracht der konservativen Nachbarschaft Südostasiens sticht Thailand heraus. In Singapur und Malaysia stehen lange Haftstrafen auf den Besitz von geringen Mengen von Cannabis. Wer mit der Pflanze und ihren Produkten handelt, kann sogar hingerichtet werden. In Singapur wurde erst 2021 ein Mann zum Tode verurteilt, weil er ein Kilogramm Cannabis ins Land gebracht hatte.

Deutschland plant bezüglich der Legalisierung von Cannabisgenuss weiter zu gehen als Thailand. Medizinisches Cannabis darf bereits seit 2017 vom Arzt verschrieben werden. Hier zahlt unter bestimmten Bedingungen auch die Krankenkasse. Die Ampel-Koalition hat nun zusätzlich die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ im Koalitionsvertrag festgelegt.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hält am Plan fest: Ein Verkauf von legalem Cannabis – zum Freizeitgebrauch – soll möglich werden. „Es ist realistisch möglich, das Gesetz bis Frühjahr 2023 umzusetzen. Wir versuchen sogar, es früher zu schaffen“, twitterte er im Mai.

Leon Wiedenhöfer ist Praktikant im Thailand-Projekt der Friedrich Naumann Stiftung. Er studiert Politikwissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt.

 

A person holding a cannabis leaf in the midst of a breathtaking sunset

A person holding a cannabis leaf in the midst of a breathtaking sunset

© Photo by David Gabrić on Unsplash