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Russland
Russland als Wegbereiter von Autokratien

Wie Russland Europa destabilisiert und wie wir wieder in Tritt kommen können
Der russische Präsident Wladimir Putin, rechts, und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bei einem Treffen in Moskau, Russland

Der russische Präsident Wladimir Putin, rechts, und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bei einem Treffen in Moskau, Russland.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Valeriy Sharifulin

In einem neuen Papier für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wurde eine Zusammenschau erarbeitet, die durch das Aufzeigen der großen Linien die zerstörerische Wirkung russischer Propaganda für ganz Europa sichtbar macht. Neben dieser Propaganda kann Russland inzwischen über eine „Achse von Autokraten“ die politischen Landschaften einiger Länder in seinem Sinne beeinflussen.

Diese Achse beginnt mit Putin, läuft über Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und den immer selbstherrlicher regierenden serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić sowie dessen Juniorpartner Milorad Dodik in Bosnien-Herzegowina, bis zum slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico. Das kleine NATO-Land Montenegro sucht gerade nach seiner neuen politischen Linie, nachdem der Jahrzehnte regierende Autokrat Milo Djukanović im letzten Jahr von der Macht entfernt wurde. Der schon fortgeschrittene Umbau des NATO- und EU-Mitglieds Slowenien nach ungarischer Blaupause durch Ministerpräsident Janes Janša ist durch dessen Abwahl 2022 noch einmal gestoppt worden. Die Entwicklung in Nordmazedonien läuft dagegen genau anders herum. Der dortige autokratische Regierungschef Nikola Gruevski war im Jahr 2017 abgewählt worden. Seit der Wiederwahl von Gruevskis nationalkonservativer Partei im Frühjahr 2024 läuft dessen Rehabilitierung. Auf mächtige pro-russische Verbündete kann Putin auch in Ländern wie Bulgarien oder Georgien und selbst in Österreich zurückgreifen.

Den Ausgangspunkt der Analyse zum medialen Einfluss bildet der Balkan. Denn dass der Kreml auf internationaler Bühne die Klaviatur der Lügenpropaganda so virtuos spielt, kommt keinesfalls von ungefähr. Experimentierfeld und Trainingsplatz dafür liegen in Südosteuropa. Hier beeinflussen die vom Kreml finanzierten und gesteuerten Agenturen „Sputnik“ sowie „RT-Balkan“ (früher Russia Today) die Medienlandschaften der vielen kleinen Staaten massiv. Hier werden neue Propagandaformen erprobt und deren Wirkmächtigkeit überprüft. Da nationalistische Erzählungen und Feindschaften auf der Balkanhalbinsel bis in die Tagespolitik reichen, fällt es dem Kreml leicht, hier Gegensätze zu schüren und die Bevölkerung gegen „den Westen“ aufzurüsten.

 

Einen genaueren Blick wirft das Papier auf Ungarn, wo es Regierungschef Viktor Orbán seit Jahren mit bemerkenswertem Erfolg gelingt, russische Vorbilder zu kopieren. Ob beim Umbau der Medienlandschaft sowie des Justizsystems oder beim Aufbau eines von Oligarchen getragenen politischen und ökonomischen Systems – stets mit Putins Russland als nachahmungswürdiges, wertekonservatives und richtungsweisendes Musterland. Parallel verfolgt das Land seine eigene Außenpolitik im diametralen Gegensatz zur verabredeten EU-Linie: Top-Politiker vertiefen bei Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow ihre engen privaten Beziehungen. Zuletzt hatte Orbáns „Friedensmission“ mit Reisen nach Moskau und Peking für harsche Kritik in den EU-Ländern gesorgt. Öl und Gas flossen bisher unbehelligt aus Russland Richtung Ungarn. Das Land setzt auf den Bau eines weiteren Atomkraftwerks durch Rosatom in Paks im Süden und blockiert nach Kräften die EU-Unterstützung für die Ukraine – ob mit Waffen oder Hilfsgeldern.

 

Gelobt wurde Orbáns „Friedensmission“ dagegen ausdrücklich vom ungarischen Nachbarn Slowakei – ebenfalls EU- und NATO-Mitglied. Der populistische Regierungschef Robert Fico, der die Parlamentswahl Ende 2023 mit kräftiger Unterstützung Russlands gewonnen hatte, nutzt die innenpolitische Entwicklung Ungarns als Blaupause. In den EU-Ländern Bulgarien und Rumänien wird nachgezeichnet, wie russische Narrative salonfähig werden und sich das innenpolitische Klima – auch mit Hilfe pro-russischer Parteien – klar zugunsten des Kremls verschiebt. Dieselbe Entwicklung sehen wir auch in Österreich, wo die rechtspopulistische und russlandaffine FPÖ bei den Wahlen zum Nationalrat im September 2024 mit knapp 30 Prozent als stärkste Kraft hervorging. Ihr Vorsitzender Herbert Kickl bezeichnete sich bereits während des Wahlkampfs in Anlehnung an die Wortwahl Adolf Hitlers als zukünftigen „Volkskanzler“. Polen und die sich einer besonders heiklen Lage wegen der dort lebenden russischen Minderheit gegenübersehenden Baltischen Staaten werden als Ziele russischer Propagandaoffensiven ebenso gestreift. Schließlich wird ein Blick auf Georgien geworfen, dessen erst im Dezember 2023 eingeräumter EU-Beitrittskandidatenstatus schon ein halbes Jahr später wieder auf Eis gelegt wurde.

Am Ende sollen Wege aufgezeigt werden, russischer Propaganda etwas entgegenzusetzen: Was kann der Westen tun, um diesen toxischen Einfluss russischer Beeinflussung zu blockieren oder gar zurückzudrängen? Hier wird wieder der Balkan in den Blick genommen. Denn nirgendwo sonst ist russische (und chinesische) Propaganda so massiv vertreten und offen zu identifizieren wie in Südosteuropa. Die hier präsentierten Vorschläge lassen sich wie folgt strukturieren:

 

  1. Medienkompetenz stärken
    In Ländern wie Serbien, Albanien und Kroatien öffnet die niedrige Medienkompetenz laut Studien Desinformationen Tür und Tor. Um dem entgegenzuwirken, wird dort von vielen ein eigenes Schulfach gefordert, das junge Menschen für einen kritischen Umgang mit Medien sensibilisiert. Diese Maßnahme könnte langfristig das wichtigste Bollwerk gegen Propaganda darstellen.
     
  2. Faktenchecks ausbauen
    Zahlreiche Faktencheck-Initiativen entstanden auch in Ost- und Südosteuropa, doch ihre Wirkung bleibt angesichts der täglichen Flut an Falschmeldungen begrenzt. Es braucht eine Stärkung ihrer Kapazitäten und eine bessere Integration in die Medienlandschaft, um gezielt und flächendeckend gegen Lügenberichte vorzugehen.
     
  3. Ausländische Medienangebote fördern
    Programme wie BBC, Deutsche Welle oder Radio Free Europe bieten unabhängige Nachrichten in Sprachen der Region und tragen zur Vielfalt bei. Solche Initiativen sollten ausgebaut werden, um mehr Menschen zu erreichen. Das satellitengestützte Projekt von Reporter ohne Grenzen für russischsprachige Sender zeigt, wie Zugang zu geschlossenen Medienmärkten geschaffen werden kann.
     
  4. Transparenz der Medieneigentümer erhöhen
    Die intransparenten Eigentumsverhältnisse vieler Medien in Ost- und Südosteuropa untergraben ihre Glaubwürdigkeit. Trotz EU-Drucks bleibt staatlicher Einfluss über Scheinkonstruktionen ein Problem. Die EU muss sicherstellen, dass europäische Werte wie Medienfreiheit auch in Beitrittskandidaten wie Serbien konsequent durchgesetzt werden.
     
  5. Nachwuchsjournalisten besser ausbilden
    Gut ausgebildete Journalisten sind ein Schlüssel gegen Propaganda. Initiativen wie Lehrmaterialien für serbische und kroatische Medienschaffende, finanziert durch die Friedrich-Naumann-Stiftung, zeigen, wie gezielte Förderung funktionieren kann. Eine stärkere Unterstützung solcher Projekte ist notwendig, um langfristig unabhängigen Journalismus zu sichern.
     
  6. Desinformationsbekämpfung koordinieren
    Die EU-Institutionen agieren oft zersplittert und ohne klare Strategie gegen Desinformation. Es fehlt an nachhaltigen, koordinierten Maßnahmen und deren Evaluierung. Ein gebündeltes Vorgehen mit langfristigen Zielen könnte deutlich wirksamer sein und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft stärken.
     
  7. Journalistische Gegenmaßnahmen verstärken
    Die Task Force EUvsDisinfo zeigt, wie Propaganda aufgedeckt und entlarvt werden kann. Allerdings bleibt ihre Reichweite begrenzt, und sie deckt nur einen Bruchteil der Fake News ab. Um größere Wirkung zu erzielen, müssen diese Initiativen ausgebaut, besser finanziert und intensiver vernetzt werden.

 

Allerdings benötigt – wie im Papier gezeigt – die russische (und chinesische) Propaganda einen Nährboden, um ihre toxische Wirkung entfalten zu können. Diese Nährlösung wird bereitgestellt durch politische und wirtschaftliche Eliten, die in den betroffenen Ländern mit Moskau oder Peking ins Geschäft kommen wollen. Sind der Rechtsstaat, die politischen Eliten und die Zivilgesellschaft entschlossen und stark genug, können russische und chinesische Einflussnahmen auch rückgängig gemacht bzw. in Schach gehalten werden. Das zeigt eindrücklich das Beispiel Moldaus oder Polens. Für wehrhafte und gesunde Demokratien besteht also Hoffnung.

Bei Medienanfragen kontaktieren Sie bitte:

Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
Telefon: + 4915202360119