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Ukraine-Krieg
1000 Tage Widerstand: Ukraine kämpft für Freiheit und Europas Zukunft

Rauch steigt aus einem bombardierten Gebiet auf, während der russisch-ukrainische Krieg weitergeht, am 14. November 2024 in Myrnohrad, Gebiet Donezk

Rauch steigt aus einem bombardierten Gebiet in Donezk auf.

© picture alliance / Anadolu | Piotr Sobik

Seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022 kämpft die Ukraine um ihre Existenz und Souveränität – mit einem beispiellosen Zusammenhalt in der Gesellschaft. Doch der Preis ist hoch: Millionen Vertriebene, zerstörte Städte, systematische Menschenrechtsverletzungen und ein grausamer Terror durch Russland. Jetzt ist höchste Zeit für klare Entscheidungen der westlichen Partner – für einen Sieg der Ukraine und eine sichere Zukunft Europas.

Als Russland die Ukraine am 24. Februar 2022 überfiel, wussten die Ukrainerinnen und Ukrainer sofort, dass es ein langer Krieg um die Existenz und Souveränität ihres Landes werden wird – trotz vieler negativer Prognosen besonders aus dem Westen, wonach die überfallene Nation dem mächtigen Aggressor nicht lange widerstehen könne. Der Krieg, der schon seit 2014 andauert, und vor 1000 Tagen eine entscheidende und noch brutalere Wendung nahm, hat die Ukraine und die ukrainische Gesellschaft grundlegend verändert. Inmitten von Krieg und Zerstörung entstand ein beispielloser Zusammenhalt und Wille zum Widerstand, der die Welt und selbst Skeptiker überraschte und an den Sieg der Ukraine glauben ließ.

Täglicher Terror durch Russland

Gleichzeitig schockierten die russischen Kriegsverbrechen, die beispiellose Brutalität der russischen Armee und der russischen Führung die Welt. Acht Millionen Binnenvertriebene, sechs Millionen Geflüchtete in der Europäischen Union. Bucha, Irpin, Mariupol – zerstörte Städte, Tausende gefolterte und getötete Menschen. Die täglichen und nächtlichen Luftangriffe, insbesondere auf die zivile Infrastruktur und Wohnhäuser, gar Kinderkrankenhäuser. Das Ausmaß des Terrors ist kaum zu fassen – und dennoch zögern die westlichen Partner immer noch, die Unterstützung der Ukraine auf das Maximum hochzufahren und diesen Krieg durch einen Sieg der Ukraine zu beenden. Die Leittragenden sind die Ukrainerinnen und Ukrainer, die Soldatinnen und Soldaten an der Front, die Kinder in den Schulen – hierzu wird auf freiheit.org in dieser Woche die ukrainische Bildungsaktivistin und Walter-Scheel-Preisträgerin Halyna Tytysh ausführlich in ihrem Artikel berichten.

Russland hat ca. 30% des ukrainischen Territoriums besetzt. Die Menschen in den okkupierten Gebieten, die ihr Zuhause nicht verlassen konnten oder wollten, sind der Willkür der russischen Armee ausgesetzt. Verhaftungen, Folter, Unterdrückung jeglicher Meinungsäußerung und Enteignung gehören zum Alltag in den besetzten Gebieten. Ganze Städte werden als Geisel gehalten – das zerstörte Mariupol, Melitopol, Donezk, Luhansk, Berdiansk. Zehntausende ukrainische Kinder wurden nach Russland verschleppt. Die ukrainischen Kriegsgefangenen werden von Russland gefoltert und getötet. Tetiana Pechonchyk vom Menschenrechtszentrum Zmina beschäftigt sich mit der Situation der Menschen in den okkupierten Gebieten. Ihr Beitrag auf freiheit.org wird die systematische Verletzung der Menschenrechte durch Russland in der Ukraine thematisieren.

Reformen mitten im Krieg - Kommunen als Leuchttürme der EU-Integration

Im Juni 2022 hat die Ukraine den lang ersehnten EU-Kandidatenstatus erhalten. Kritiker sagen, die Entscheidung der EU, der Ukraine diesen Status zu gewähren, sei eine rein politische Entscheidung, die ohne den Krieg in den nächsten Jahren nie so gefallen wäre. Auf jeden Fall verpflichtete sich die ukrainische Regierung, eine Reihe von umfassenden Reformen durchzuführen, darunter die längst fälligen Reformen im Bereich von Justiz und Anti-Korruption. Die zum Teil von der Regierung selbst auferlegten knappen und sehr ambitionierten Fristen bei den Reformen bringen alle Beteiligten jedoch an ihre Grenzen. So werden Gesetze erarbeitet und vom Parlament verabschiedet, die nicht immer den internationalen Standards entsprechen (wie das von der Venedig-Kommission kritisierte neue Gesetz über das Prozedere der Verfassungsrichterwahl), oder bei deren Erarbeitung die Zivilgesellschaft oder Interessensvertreter und Betroffene nicht konsultiert wurden.

Die Kommunen spielen eine Schlüsselrolle im EU-Beitrittsprozess. Ohne ihre Bereitschaft und ihren Einsatz, die EU-Reformen auf lokaler Ebene umzusetzen, ist eine EU-Integration undenkbar. Die Kommunen, besonders in der Nähe der Frontlinie, tragen die Hauptlast des Krieges. Die lokalen Selbstverwaltungen müssen parallel zu laufenden kriegerischen Auseinandersetzungen die Gemeinden am Leben und in Funktion erhalten, ihre Resilienz stärken, Binnenvertriebene integrieren. Das Thema der lokalen Demokratie und deren Stärkung in Zeiten des Krieges war das Leitthema der diesjährigen Konferenz der Kyjiwer Gespräche am 14. November, bei der die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Gastgeberin war. Die noch vor der vollumfänglichen Invasion erfolgreich durchgeführte Dezentralisierungsreform gab den Gemeinden weitreichende Kompetenzen, die nun durch das Kriegsrecht, die Etablierung der Militäradministrationen als parallele Verwaltungsstrukturen und Reformen des Haushaltsrechts wieder eingeschränkt werden. Die kommunalen Akteure beklagen, dass sie kaum Zugang zu den internationalen Hilfsgeldern (vor allem den EU-Geldern im Rahmen der Ukraine Facility) und kaum Entscheidungsmacht darüber haben, welche Projekte im Rahmen des Wiederaufbaus gefördert werden sollen. Dabei wissen sie am besten, wie die Prioritäten vor Ort gesetzt werden sollten. Darüber wird Oleksandr Solontaj in seinem Meinungsbeitrag hier auf freiheit.org in den kommenden Tagen berichten.

Auch die Medienlandschaft in der Ukraine hat sich angesichts des russischen Angriffs dramatisch verändert. Der Krieg stellt Journalisten, Medienorganisationen und die Informationspolitik der Regierung vor enorme Herausforderungen. Im Rahmen des Kriegsrechts werden Medien stärker reguliert, um die Verbreitung von Desinformation und pro-russischer Propaganda zu verhindern. Die Regierung hat pro-russische Parteien und Medienplattformen verboten und schuf einen nationalen Nachrichtendienst, das sogenannte „Nachrichtenmarathon/United News“-Projekt, das eine einheitliche Berichterstattung über alle wichtigen TV-Sender ermöglicht. Dies brachte zwar eine zentrale Koordination der Berichterstattung, löste jedoch auch Bedenken hinsichtlich der Pressefreiheit und -vielfalt aus. Auch beschweren sich zunehmend unabhängige Medien über den direkten Druck der Präsidialadministration auf ihre Redaktionen – wie zuletzt im Oktober 2024 die bekannteste ukrainische Zeitung, Ukrainska Pravda. Die Tätigkeit als Journalist ist durch die lebensgefährliche Berichterstattung an der Front zu einem der gefährlichsten Jobs in der Ukraine geworden. Darüber wird Prof. Valery Ivanov von der Akademie der Ukrainischen Presse in den kommenden Tagen auf freiheit.org berichten.

Zeit für klare Entscheidungen

Der Ukraine fehlt es an Munition und Manpower an der Front. Hunderttausende Soldaten, die seit 1000 Tagen ohne Unterbrechung und Urlaub kämpfen müssen, können die Last nicht mehr lange tragen. Die mittlerweile verzweifelten Mobilisierungsmethoden sind fragwürdig geworden und spalten die Gesellschaft. Die Beschränkungen, die westliche Partner der Ukraine in Bezug auf die Verwendung der gelieferten Waffen auf russischem Territorium auferlegen, erschweren eine effiziente und zielgerichtete Kriegsführung, und ziehen diesen Krieg unnötig in die Länge. Es muss umgehend eine grundlegende Entscheidung in den Hauptstädten Europas und in Washington getroffen werden, ob man die Ukraine diesen Krieg gewinnen lassen möchte, und falls ja, müssen die entsprechenden Taten folgen. Hier waren sich die Teilnehmer des High-level-Panels im Rahmen der Kyjiwer Gespräche einig.

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Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev sagte: „Hört auf, Euch selbst Grenzen zu setzen, und fangt an, rote Linien für Russland zu ziehen”. Die Forderung nach Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine und die Freigabe für deren Einsatz auch auf russischem Territorium steht bereits sehr lange im Raum, der scheidende Bundeskanzler Scholz verweigert jedoch weiterhin die Lieferung. Diese Weigerung kostet täglich Menschenleben, denn die täglichen Luftangriffe werden nur dadurch möglich, dass die russischen Militärflugplätze sicher sind. Die fehlende Strategie in Bezug auf Russland und seine Verbündeten tragen ebenso dazu bei, dass Russland diesen Krieg seit 1000 Tagen ohne große Schäden für sich führen kann.

Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend für die Ukraine sein. Die zweite Präsidentschaft von Donald Trump birgt sowohl Risiken als auch Chancen für die Ukraine. Der designierte US-Präsident ist für seine Unberechenbarkeit und weniger unterstützende Haltung gegenüber der Ukraine bekannt. Dennoch gibt es eine leise Hoffnung, dass unter Trump die Bewegung in diesem Krieg hin zu einer möglichen Lösung kommt, auch wenn seine bisherigen Vorschläge eher für Kopfschütteln in der Ukraine sorgen. Europa sollte sich jedoch nicht auf Trump und die USA verlassen, und diese Ungewissheit als Chance nutzen, Führung und Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für die eigene Sicherheit und Zukunft, für die eigenen Werte –  die Ukraine zurzeit alleine an der Front verteidigt.