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Kosovo
Eine Wahl ohne Wähler

Election Kosovo
© European Union, Photographer: Aurore Martignoni

Von den 45.095 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern – die meisten davon ethnische Serben –  in den vier nördlichen Gemeinden des Kosovo machten lediglich 1.556 von ihrem Wahlrecht Gebrauch: die überwiegende Mehrheit der Wählerinnen und Wähler waren ethnische Albaner und nur 13 ethnische Serben. Infolgedessen sind nun alle gewählten Bürgermeister der vier überwiegend serbischen Gemeinden nun ethnische Albaner. Bei den Wahlen wurde mit nur 3,5 % eine der niedrigsten Wahlbeteiligungen überhaupt verzeichnet.

Die von der Zentralen Wahlkommission des Kosovo organisierten Wahlen sollten ursprünglich im Dezember 2022 stattfinden, wurden jedoch aufgrund der Gewalt in den Gemeinden im Norden des Kosovo verschoben. Sie wurden notwendig, nachdem Vertreter der serbischen Minderheit im Jahr 2022 im Zuge eines Streits über die obligatorische Verwendung kosovarischer Kfz-Kennzeichen durch serbische Bürger aus den kosovarischen Institutionen ausgetreten waren. Präsident Vjosa Osmani hatte ursprünglich den 25. Dezember 2022 als Wahltermin für die Kommunalversammlungen im Norden des Kosovo festgelegt.

Diesmal wurde die noch ausstehende Bildung einer „Vereinigung der Gemeinden mit serbischer Mehrheit“, die 2013 im sogenannten „Brüsseler Abkommen“ vereinbart wurde und den Serben im Kosovo mehr Autonomie bringen soll, als Haupthindernis für die Teilnahme der Serben an den Wahlen angesehen. Infolgedessen wurde die Kommunalwahl von der größten politischen Partei der Serben im Kosovo, der „Serbischen Liste“, erneut boykottiert, nachdem sie aus den Institutionen des Kosovo ausgetreten war und ihre Bürgermeister in Nordkosovo im November letzten Jahres zurückgetreten waren.

Unter den Kandidatinnen und Kandidaten befanden sich nur drei Mitglieder der serbischen Gemeinschaft: Aleksandar Arsenijević, Kandidat für das Bürgermeisteramt in der Gemeinde Nord-Mitrovica, zog seine Kandidatur bereits im Dezember 2022 zurück. Am 20. April zog auch Aleksandar Jablanović, Vorsitzender der Partei der Kosovo-Serben (PKS) und Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von Leposavić/Leposaviq, seine Kandidatur zurück. Sladjana Pantović war die einzige serbische Kandidatin, die im Rennen um das Amt des Bürgermeisters von Zvecan/Zvečan blieb und lediglich fünf Stimmen erhielt.

Die üblichen Schuldzuweisungen

Für den Wahlboykott gab die kosovarischen Führung Serbien die Schuld und erklärte, dass der Druck und die Drohungen aus Belgrad gegen die in Kosovo lebenden Bürgerinnen und Bürger serbischer Abstammung fortgesetzt würden. Auch die EU-Kommission reagierte und vertrat die Ansicht, dass die Wahlen im Norden keine politische Lösung böten. Der Kommissionssprecher forderte die Kosovo-Serben auf, in die kosovarischen Institutionen zurückzukehren.

„Es besteht ein dringender Bedarf an einem ernsthaften Dialog“, so der Sprecher für EU-Außenbeziehungen Peter Stano am Montag. „Wir müssen dringend eine Situation wiederherstellen, in der die Kosovo-Serben aktiv an der lokalen Verwaltung, der Polizei und der Justiz im Norden des Kosovo teilnehmen.“ Er betonte auch, dass die Gründung der Vereinigung der Gemeinden mit serbischer Mehrheit so schnell wie möglich abgeschlossen werden müsse.

„Die EU bedauert, dass nicht alle Parteien und Gemeinschaften von ihrem demokratischen Recht Gebrauch gemacht haben, an den Wahlen teilzunehmen und ihre Stimme abzugeben“, so der EU-Sprecher weiter. Er merkte an, dass „die sehr niedrige Wahlbeteiligung, insbesondere unter den kosovo-serbischen Bürgern, zeigt, dass dieser Prozess nicht als ‚business as usual‘ betrachtet werden kann und darf“.

Ein Muster ohne Wert

Nach den vorläufigen Ergebnissen wurden die Bürgermeisterwahlen in Nord-Mitrovica und Leposavić/Leposaviq von den Kandidaten der sozialdemokratischen Vetëvendosje-Bewegung gewonnen, während in Zvečan/Zveçan und Zubin Potok die Kandidaten der Demokratischen Partei des Kosovo (PDK) siegten. Zuvor wurden diese Gemeinden von Mitgliedern der größten serbischen Partei im Kosovo, der „Serbischen Liste“, geführt, die die Wahlen diesmal boykottierte.

Trotz des durch den Boykott verursachten Rückschlags schien die kosovarische Regierung am Montag entschlossen, mit dem Ergebnis zu arbeiten. Premierminister Albin Kurti erklärte, die Wahlen seien „ruhig und ohne Zwischenfälle“ verlaufen, beschrieb aber die Atmosphäre im Nordkosovo als „von Angst und Erpressung geprägt“, weshalb die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an diesen Wahlen gering gewesen sei. „Der Boykott wurde durch die Drohkampagne aus Belgrad und seine kriminellen Werkzeuge im Norden erzwungen“, so Kurti. Auch die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani sprach von „kriminellen, von Serbien gesteuerten Gruppen“, denen es nicht erlaubt werden könne, die verfassungsmäßigen und rechtlichen Prozesse in der Republik Kosovo zu diktieren.

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić wies die Vorwürfe zurück: „Wir haben einen friedlichen politischen Aufstand der Serben im Norden erlebt“, sagte Vučić und prophezeite: „Dies ist lediglich der Anfang einer größeren politischen Krise.“ Die Serben würden ein Diktat aus Prishtina nicht länger dulden, was eine etwas anmaßende Schlussfolgerung ist, wenn man bedenkt, dass da die jüngsten Wahlen allen Wählerinnen und Wählern unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft offenstanden.

Liberale „gewinnen“ zwei Gemeinden

Der Vorsitzende der PDK, einer Mitgliedspartei der liberalen europäischen ALDE-Partei, Memli Krasniqi erklärte, dass die Partei in Zvečan/Zveçan und Zubin Potok gewonnen habe. „Ich gratuliere unseren Kandidaten zu ihren Siegen. Der größte Dank gilt indes all jenen Bürgerinnen und Bürgern, die auch heute der PDK, unseren Kandidaten und unserem Angebot vertraut haben.“

Auch Krasniqi betonte, dass der Wahlprozess geordnet und reibungslos verlaufen sei. „Die Tatsache, dass sich die Situation im Norden des Landes verschlechtert hat, ist jedoch nach wie vor sehr besorgniserregend, was auch durch die geringe Wahlbeteiligung zum Ausdruck kommt.“ Die PDK werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ohne Unterschied an der Regierungsführung teilhaben können. „Das war unser Versprechen - und das ist auch unsere Aufgabe“, fügte Krasniqi hinzu.