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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Wirtschaft
Grüne für Globalisierung?

Wirtschaftsminister Robert Habeck wirbt für den Abschluss deutscher Handelsverträge. Den Worten müssen nun Taten folgen.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
© picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Ist das wirklich wahr? Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister, sprach sich bei seiner jüngsten Südostasienreise nachdrücklich für den Abschluss von Freihandelsabkommen aus. Er kündigte an, Deutschland werde „handelspolitische Meilensteine“ setzen, u. a. mit den geplanten Abkommen mit Kanada, Mexiko und Chile.

Man traut seinen Augen und Ohren nicht. Jedenfalls dann, wenn man sich wie der Verfasser dieser Zeilen an die Diskussion von vor einigen Jahren mit Vertretern der Grünen erinnert, die mit emotionaler Vehemenz gegen TTIP, die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft der EU mit den USA zu Felde zogen. Es ging damals um Chlorhühnchen sowie Gesundheits-, Sozial- und Umweltstandards, die angeblich durch weltweit tätige Großkonzerne bedroht waren. Und bei all diesen Themen ließ sich mit Händen greifen, dass die Grünen eigentlich die Tür zum Freihandel möglichst geschlossen halten wollten. Sie setzten andere Prioritäten: nicht der Fortschritt der Globalisierung, sondern eher deren Beschränkung oder gar Rückabwicklung war das überragende Ziel.

Nun schlägt der Grüne Robert Habeck als Wirtschaftsminister ganz neue Töne an. Dies hat offensichtlich drei handfeste Gründe: Erstens verlangt die zunehmende Vorsicht im wirtschaftlichen Umgang mit autoritären oder gar totalitären Regimen wie Russland und China eine neue Offenheit gegenüber dem Rest der Welt. Der demokratische „Westen“ gewinnt damit zwangsläufig als Handelspartner für Europa an Attraktivität. Zweitens setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir bei Verzicht auf Handelsabkommen mit Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika ebendort ein Machtvakuum hinterlassen, in das Russland und China mit Macht hineindrängen. Genau dies ist in den letzten beiden Jahrzehnten längst geschehen, und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit. Drittens wird immer klarer, dass es auch zum Erreichen klimapolitischer und ökologischer Ziele eines Netzes der globalen Wertschöpfung bedarf, in dem Europa (und damit auch Deutschland) eine maßgebliche Rolle spielt. Es reicht nicht, moralische Standards zu predigen. Man muss aktiv daran beteiligt sein, sie zu setzen – und dies geht nur über bilaterale und polylaterale Verträge im Sinne eines wachsenden Clubs der Willigen.

Soweit so gut. Man kann sagen, dass sich Grünen damit – zumindest verbal – einer rationalen aufgeklärten Position nähern, wie sie seit Langem von liberalen Befürwortern der Globalisierung vertreten wird. Die zentrale Frage ist allerdings, ob die Grünen diesen verbalen Ankündigungen auch wirklich Taten folgen lassen. Denn eines ist klar: Die allerwenigsten Handelspartner in der weiten Welt erfüllen bereits heute unsere hohen Gesundheits- und Sozialstandards sowie die ökologischen Vorgaben, wie sie hierzulande üblich sind. Hier sind Kompromisse nötig, um erst den Prozess der Marktintegration in Gang zu setzen. Der Teufel steckt dabei nicht nur in technischen Details, sondern vor allem auch in den eigenen ideologischen Scheuklappen, die es zu überwinden gilt.

Machen wir uns bitte nichts vor: Wenn die Ampelkoalition in den verbleibenden drei Jahren ihrer Regierung noch einen gewaltigen Schritt nach vorne in Richtung einer geopolitisch klugen Globalisierung machen will, dann muss sie schleunigst mit einer Offensive starten. Die Grünen haben dabei eine Schlüsselrolle, weil sie drei für den Welthandel bedeutende Ressorts besetzen, nämlich die Ministerien für Wirtschaft und Landwirtschaft sowie das Auswärtige Amt. Ohne Zweifel werden die Freien Demokraten in der Regierung eine solche Offensive mit Enthusiasmus begleiten, weil sie einem Kernanliegen ihrer eigenen Weltanschauung Rechnung trägt. Und auch aus den Reihen der Sozialdemokraten wird es wohl wenig fundamentalen Widerstand geben, zumal es im Interesse des Bundeskanzlers Olaf Scholz ist, sich auf der Weltbühne der Wirtschaftspolitik zu präsentieren – ähnlich wie dies in den siebziger Jahren seinem Hamburger Vorgänger Helmut Schmidt immer wieder gelang. Der Engpass liegt hier sicherlich bei den Grünen, der traditionellen ideologischen Hochburg der Globalisierungs- und Wachstumsskepsis.

Kurzum: Es ist der Wirtschaftsminister Robert Habeck, der unter seinen Parteifreunden große Überzeugungsarbeit leisten muss. Dies gilt in Zukunft eben nicht nur für die Energiepolitik, die in den letzten Monaten im Vordergrund stand. Nach seinen eigenen Ankündigungen in Südostasien gilt dies nun auch für die Handelspolitik.