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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Wirtschaft
Viertagewoche? Ein Irrweg!

Wir brauchen mehr Arbeit, nicht weniger. Und die muss flexibel sein, nicht starr.
Vier-Tage Woche
© picture alliance / photothek | Florian Gaertner

Es war diesmal Saskia Esken, die SPD-Vorsitzende, die pünktlich zum 1. Mai die Vier-Tage-Woche forderte - als neuen Standard unserer Wirtschaft. Diese Forderung ist nicht neu. Und sie mag parteipolitisch nachvollziehbar sein. Ökonomisch und sozial fällt sie indes komplett aus der Zeit.

Der Hauptgrund dafür liegt auf der Hand: Wir steuern auf eine extreme Knappheit von Arbeitskräften zu, viel schlimmer noch als das, was wir derzeit schon beobachten - mit zwei Millionen offenen Stellen. Dies liegt an Angebot und Nachfrage. Die demographische Entwicklung sorgt dafür, dass in den nächsten Jahren die Generation der Babyboomer in den Ruhestand wechselt - ein Prozess, der sich etwa bis 2040 hinziehen wird. Es ist ein Aderlass an qualifizierter Arbeitskraft, wie es ihn noch nie in der deutschen Wirtschaftsgeschichte seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert gegeben hat. Wenn die Politik clever ist, wird sie versuchen, ihn ein Stück weit abzufedern: durch kluges, erweiterndes Steuern der Zuwanderung, durch Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigung von Frauen, durch Flexibilisierung des Altersruhestands sowie durch Förderung technischer Berufe und des Handwerks, die besonders betroffen sind.

All dies wird aber nicht reichen. Der Grund liegt auf der Nachfrageseite. Die Anforderungen für die Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft sind enorm: Digitalisierung sowie Schienen- und Straßenbau, klimagerechter Ausbau der Infrastruktur zur Energiegewinnung, Modernisierung der öffentlichen Verwaltung sowie von Polizei und Bundeswehr, Aufbau von Personal zur dringend benötigten, innovativen Forschung in Hochschulen und der Industrie, etc., etc. Alle Fähigkeiten unserer Bevölkerung müssen mobilisiert werden, um diese großen Aufgaben der Zeit zu bewältigen. Und dies natürlich durch marktwirtschaftliche Motivation und nicht planwirtschaftlichen Zwang.

Das heißt: steigende Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, die natürlich der jeweiligen Lage in einer Branche und Region angepasst werden müssen. Die Work-Life-Balance der Arbeitnehmerschaft wird dabei ganz unterschiedlich ausfallen. Die Anforderungen in der Bauwirtschaft und die Wünsche von deren Mitarbeitern werden ganz anders aussehen als Bedarf und Präferenzen im wissenschaftlichen Bereich, um nur ein Beispiel zu nennen.

Ganz offensichtlich ist deshalb die Lösung der Zukunft auf betrieblicher und/oder tarifvertraglicher Ebene zu suchen. Diese - und nur diese - gewährleistet die nötige Flexibilität, die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber brauchen. Eine starre Festlegung auf die Viertagewoche stört da nur. Die Vorstellung, diese würde - bei vollem Lohnausgleich - für eine deutlich höhere Produktivität pro gearbeitete Stunde sorgen, weil die Arbeitskräfte ausgeruhter und zufriedener wären, ist als gesamtwirtschaftliche Vision ziemlich fragwürdig. Denn es würde heißen, dass Betriebsräte und Tarifpartner sowie Manager und Unternehmen heutzutage merkwürdig blind wären für all die Chancen, die Arbeitsproduktivität mit einfachen Instrumenten zu verbessern. Zugegeben, im Einzelfall mag es unausgenutzte Möglichkeiten geben, aber in der Breite ist dies unwahrscheinlich.

Alles spricht deshalb dafür, es den Menschen vor Ort zu überlassen, die Arbeitsbeziehungen konkret auszugestalten. Die Tarifpartner sollten dafür in ihren Branchen durch Rahmenvereinbarungen die Weichen vernünftig stellen. Der Gesetzgeber sollte sich aber heraushalten. Jeder Schritt in Richtung autonomer Ausgestaltung vor Ort wäre dabei ein Fortschritt. Er könnte dann auch vielleicht schnell dazu führen, das oft beklagte hohe Niveau der Teilzeitarbeit bei Frauen zu senken und Teilzeit durch - flexibilisierte - Vollzeitbeschäftigung zu ersetzen. Das wäre ein Fortschritt in die richtige Richtung. Aber dazu braucht man nicht die harte Hand des Staates, sondern die geballte Gestaltungsphantasie von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.