Corona
Philippinen: Stille Nacht
Auf den Philippinen wird es unter Präsident Duterte und der Pandemie dieses Jahr eine Stille Weihnachtszeit. Das Land durchlebt die härteste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg. Hoffnung ist kaum in Sicht.
Weihnachten ist traditionell die wichtigste Zeit im Leben der meisten Filipinos. Shoppingcenter überbieten sich meist schon ab September mit ihren Dekorationen, aus Straßen werden funkelnde Weihnachtspassagen und Unternehmen, Freunde und Verwandte organisieren Weihnachtsfeiern. Manche Filipinos brüsten sich damit, im Dezember nur noch von einem Event zum nächsten zu eilen. Spätesten in der zweiten Dezemberhälfte kommt das normale Leben in der Hauptstadt Manila dann zum Erliegen, wenn Büros bis Januar ihre Türen schließen und sich die meisten Mitarbeiter auf den beschwerlichen Weg in ihre Heimatstädte begeben.
Doch zur Zeiten der Corona-Pandemie wird, wie in vielen anderen Ländern auch, auf den Philippinen Weihnachten ein anderes Fest sein. Viele Weihnachtsfeiern mussten abgesagt werden, nachdem Präsident Rodrigo Duterte diese in Manila untersagte. Auch zu Hause werden die Feiertage nur im kleinen Kreis verbracht werden.
Die Philippinen kämpfen seit neun Monaten gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Doch obwohl die offiziellen Infektionszahlen seit ein paar Monaten sinken, hat die Regierung in Manila die Pandemie nicht wie andere Länder in der Region im Griff. Die Regierung handelte zu spät und setzte wichtige Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nur schleppend um. Präsident Duterte erntete erst vor wenigen Tagen Spott, als er Monate nach Beginn der Pandemie die Bedeutung von Covid-Tests vor laufender Kamera realisierte und sich für günstigere Tests aussprach. Die späte Erkenntnis des Präsidenten verbreitete sich anschließend rasend, Twitter-Nutzer verglichen Duterte mit dem veraltetem und langsamen Internet Explorer.
Massiver Wirtschaftseinbruch
Doch das Weihnachtsfest fällt nicht nur der Angst vor steigenden Infektionszahlen zum Opfer. Viele Filipinos können sich dieses Jahr keine großen Geschenke leisten. 40 Prozent der Familien haben dieses Jahr weniger Geld zur Verfügung, die Arbeitslosenquote verdoppelte sich fast im Vergleich zum Vorjahr. Die philippinische Wirtschaft befürchtet den stärksten Wirtschaftseinbruch seit dem zweiten Weltkrieg. Experten erwarten ein Negativwachstum von -7.5 Prozent bis -9.5 Prozent. Grund dafür ist vor allem der seit März im Land herrschende Lockdown, einer der längsten und härtesten weltweit.
Trotz aller Probleme bei der Pandemiebekämpfung bleibt die Popularität von Präsident Duterte ungebrochen. Jüngsten Umfrage zufolge genießt der Populist, der mit harter Hand gegen seine Kritiker vorgeht, historisch hohe Vertrauenswerte in der Bevölkerung von über 90 Prozent.
Weihnachten kann Duterte nicht stoppen
Den Kampf gegen die Kritiker bekommen lägst auch die Medien des Landes zu spüren. Gegen den kritischen Blog Rappler und dessen Chefin Maria Ressa laufen momentan ein Dutzend Verfahren. ABS-CBN, eines der größten Fernseh- und Radiosender landesweit, wurde die Sendelizenz entzogen, nachdem der Präsident sich mehrfach über den Sender beschwert hatte.
Am 10. Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte, wurden sechs Gewerkschaftsvertreter und ein Journalist verhaftet. Die Senatorin Leila de Lima ist seit fast vier Jahren in Haft, nachdem sie eine Untersuchung gegen den sogenannten „Krieg gegen die Drogen“ von Duterte einleiten wollte.
Auch in der angeblich friedlichen Vorweihnachtszeit hält die Regierung an ihrem harten Vorgehen fest. Laut Menschenrechtsverteidigern sind im sogenannten „Krieg gegen die Drogen“ 20.000 bis 30.000 Menschen getötet worden. Die Menschenrechtskommission der Philippinen versucht die Fälle zu dokumentieren und aufzuklären. Aufgrund des Lockdown ist es für sie aber noch schwerer, mit den Betroffenen Familien zu sprechen und die Tatorte aufzusuchen.
Wann kommt die Impfung?
Aufgrund der schleppenden Pandemiebekämpfung setzen viele auf eine rasche Impfung. Auch der Präsident betont diese Lösung und verspricht, dass der Lockdown und die Pandemie dann vorbei sei. Im Vergleich zu anderen Ländern sieht er wohl keine Möglichkeiten, die Pandemie anderweitig aufzuhalten.
Die philippinische Bevölkerung wird sich aber gedulden müssen. Laut Aussagen der Regierung wird es sehr wahrscheinlich bis Ende 2021 dauern, bis die ersten Impfungen dort beginnen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist wohl erst Ende 2022 geimpft – und wird noch Jahre auf ihre ausgelassene und fröhliche Weihnachtszeit warten müssen.
Wolfgang Heinze leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit auf den Philippinen.