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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Corona-Sonderregeln
Wartehallen-Wirtschaft

Die Verlängerung der Corona-Sonderregeln für Insolvenzen und Kurzarbeit ist ein ordnungspolitischer Sündenfall. Sie gefährdet den Strukturwandel und die Wettbewerbsfähigkeit.

Ein halbes Jahr herrscht nun Corona-Krise. Die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung in Deutschland ist infolge des Lockdowns um rund 10 Prozent zurückgegangen, wie die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal 2020 im Vorjahresvergleich anzeigte. Ein gewaltiger Einbruch, fast quer durch alle Branchen. Die Bundesregierung hat darauf in den letzten Monaten mit einem massiven Konjunkturprogramm reagiert, einschließlich der befristeten Sonderregelungen für die Insolvenzanzeige und die Kurzarbeit als Alternative zur Arbeitslosigkeit.

Das war richtig und hat gewirkt: Es gab - trotz des schärfsten Rückgangs der Produktion seit dem Zweiten Weltkrieg - keine dramatische Pleitewelle und keinen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit, wohl aber der Kurzarbeit. Nun zeigen die jüngsten Meldungen, dass sich die Konjunktur aufhellt: Das Konsumklima hat sich leicht verbessert, die Wirtschaft hat wohl die tiefste Talsohle durchschritten, auch wenn von einer dynamischen Erholung noch nicht die Rede sein kann. Pünktlich dazu verspricht nun die Bundesregierung, die Sonderregeln für Insolvenzen bis Ende 2020 und die für Kurzarbeit gar bis Ende 2021 zu verlängern.

Das ist falsch, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen ist es ein ordnungspolitischer Fehltritt zur Unzeit. Denn alle Indikatoren deuten darauf hin, dass es eben nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Lage kommt. Der durch den temporären Lockdown bedingte Schaden, der außerhalb der Verantwortung der Unternehmen selbst liegt, ist geschehen und in der Größenordnung absehbar. Es ist wie bei einer Naturkatastrophe: Der Staat hat geholfen, die nicht verschuldete Zwangslage zu bewältigen und abzufedern. Aber danach muss wieder der unternehmerische Normalbetrieb anlaufen. Dieser findet zwar auch unter Risiken statt, denn niemand kennt genau die weitere Entwicklung der Nachfrage in den jeweiligen Branchen. Aber das ist nichts anderes als das Wesen der Marktwirtschaft: Jedes Unternehmen muss sich mit seinen Möglichkeiten um die Bewältigung der Zukunft kümmern - und dies unter normalen fairen Wettbewerbsregeln und ohne staatliche Unterstützung. Dazu zählt auch, keine Insolvenzverschleppung zu betreiben und letztlich die Beschäftigung dem Produktionsniveau anzupassen.

Noch wichtiger als der ordnungspolitische Sündenfall ist die Wirkung des Beschlusses auf den Strukturwandel der deutschen Wirtschaft. Es ist schon merkwürdig: Als die Corona-Krise ausbrach, forderten fast alle Beobachter, dass sich mit und nach Corona eine strukturell veränderte Volkswirtschaft entwickeln müsse. Und erste Ansätze einer solchen Transformation waren auch schon zu beobachten, insbesondere im Bereich der Digitalisierung. Genau dies wird aber durch die Weichenstellungen der Bundesregierung nun erschwert: Die Politik lädt die private Wirtschaft in eine Wartehalle ein, in der die Signale der Marktkräfte ein Stück weit außer Kraft gesetzt werden - durch Insolvenz- und Beschäftigungsschutz, und dies im Falle der Kurzarbeit sogar für die kommenden 16 Monate bis zum Dezember 2021. Mit kluger vorausschauender Wirtschaftspolitik hat dies nichts zu tun. Es kostet nicht nur viel Geld - man rechnet mit 10 Milliarden Euro -, sondern auch wertvolle Zeit zur zügigen strukturellen Anpassung, die im internationalen Wettbewerb von größter Bedeutung ist, um künftige Beschäftigung zu sichern.

Warum macht die Bundesregierung das? Bei der Kurzarbeit liegt die Antwort auf der Hand: um einen scharfen Anstieg der gemessenen Arbeitslosigkeit vor der Bundestagswahl im September 2021 zu verhindern, genauer: in das Jahr 2022 zu verschieben. Dies ist nichts anderes als Politik zu Lasten der Zukunft. Sie macht auf lange Sicht alles nur noch schlimmer.