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Referendum Rumänien
„Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen im Land“

In Rumänien ist das Referendum zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen klar gescheitert
Ehe

Nicht nur ist das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe gescheitert - vielleicht steht sogar deren Einführung nun bevor

© GettyImages/AlexLMX

In Rumänien ist ein Referendum zur Aufnahme des Verbots von gleichgeschlechtlichen Ehen in die Verfassung mangels Beteiligung gescheitert. Rumänien-Experte Daniel Kaddik spricht im Interview mit freiheit.org über die Hintergründe des Referendums und die politische Krise, die dem Scheitern nun folgt.

Worum ging es bei dem Referendum? Was sind die Hintergründe? Ist die Abneigung gegen die Homoehe in der Gesellschaft weit verbreitet?

Beim Referendum ging es um die Neudefinition der Ehe in der rumänischen Verfassung. Bisher beschreibt die Verfassung die Ehe als Verbindung von zwei Partnern, der neue Text hätte sie als Verbindung von Mann und Frau beschrieben. Da allerdings derzeit ohnehin nur Mann und Frau vor das Standesamt treten, ließ dies viele nach dem Sinn dieses Vorgehens fragen. Eingebracht hatte die angestrebte Änderung die sogenannte Koalition für Familie, ein Zusammenschluss von christlichen und konservativen Vereinigungen und Personen. Diese hatte fast drei Millionen Unterschriften gesammelt und bei Parlament und Senat eingereicht. Laut Verfassung müssen diese bei Einreichung eines Bürgerbegehens mit einer Zahl von über 500.000 Unterschriften über das Abhalten eines Referendums entscheiden. Beide Häuser stimmten für die Durchführung des Referendums, das dann den Steuerzahler etwa 43 Millionen Euro gekostet hat.

Rumänien ist eines der konservativeren Länder Europas mit einer starken orthodoxen Kirche, die für das Referendum und den „Schutz“ Stimmung gemacht hatte. Daher sprangen auch fast alle Parteien auf den Referendumszug auf. Mit der Idee des Schutzes der „traditionellen Familie“ ist Rumänien nicht alleine. Auch in Frankreich, Deutschland oder Bulgarien sind „Koalitionen für Familie“ aktiv, die mit ähnlichen Botschaften und Sprachbildern so genannte traditionelle Werte vertreten und sich auch gegen europäische Werte aussprechen.

Daniel Kaddik
Daniel Kaddik, Projektleiter der Stiftung für Südosteuropa © FNF

Auch wenn sich die meisten Rumänen gegen die Homo-Ehe aussprechen, ist Rumänien gleichzeitig eines der Länder mit der höchsten Zustimmung zur EU (ca.70%) und einem positiven Verhältnis zu Minderheiten. Ethnische Minderheiten genießen einen hohen Schutz, der auch in der Verfassung verankert ist. Gerade in Siebenbürgen und dem Westendes Landes wird ethnische und religiöse  Toleranz groß geschrieben. Als einzige Kirche sprach sich übrigens offen die Evangelische Kirche in einem öffentlichen Statement gegen das Referendum aus, in welchem die reellen Probleme des Landes angeprangert werden: „Ziel (der Regierung) ist von ihrer Korruption, Rechtsbeugung, Vetternwirtschaft, Demokratie- und EU-Feindlichkeit abzulenken.“ 

Wie ist das Referendum ausgegangen? Ist bekannt, warum so wenige Bürgerinnen und Bürger teilgenommen haben?

Mit nur 20,40 Prozent Beteiligung ist das Referendum klar gescheitert. Mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten hätten für eine Änderung der Verfassung abstimmen müssen.

Die niedrige Wahlbeteiligung ist einerseits das Resultat einer massiven Boykottkampagne der Zivilgesellschaft und liberalen Opposition. Anderseits sahen auch viele Bürger das Referendum als Ablenkungsmanöver der Regierung von den Problemen im Land. Seit Anfang 2017 steht die Regierung unter Kritik wegen ihrer Versuche, den Rechtsstaat und den Kampf gegen Korruption zu unterminieren. Nach Massenprotesten ist das Resultat des Referendums ein Boykott-Votum der Unzufriedenheit der Rumänen mit ihrer Regierung. Hinzu kommt die soziale Frage. Mit einem Preisschild von 43 Millionen Euro und großen Problem im Gesundheitssektor sowie hoher Altersarmut war es vielen Rumänen schwer vermittelbar, warum so viel Geld für ein niederrangiges Thema ausgegeben worden ist.

Damit ist der große Sieger neben der Rechtsstaatlichkeit die proeuropäische Bevölkerung Rumäniens, die den populistischen Botschaften der Regierung und der Kirche eine klare Absage erteilt hat.

Der Verlierer ist die orthodoxe Kirche. Als Hüter der traditionellen Werte und mit einem mutmaßlich hohen Mobilisierungspotenzial versuchen Parteien auch über hohe staatliche Bezuschussung  in Rumänien möglichst nah an der Kirche zu sein. Diese Machtbasis bröckelt nun. Trotz Aufruf zur Abstimmung in den Sonntagspredigten wurde die Hürde von 30 Prozent nicht erreicht.

Wie haben sich die einzelnen Parteien positioniert? Welchen Einfluss nahm die Zivilgesellschaft auf den Ausgang des Referendums?

Mit Ausnahme der oppositionellen USR (Union zur Rettung Rumänien) unterstützten alle anderen Parteien das Referendum oder lavierten um das Thema herum. Die USR war einzige Partei mit klarer Positionierung gegen das Referendum. So hatten sie auch 12.000 Wahlbeobachter mobilisiert, die in der Großzahl der 16.000 Wahllokalen den Abkauf der Abstimmung kontrollierten. Damit wurde die USR zum Garanten gegen eine mögliche Fälschung der Abstimmung, die von Beobachtern befürchtet wurde. Gleichzeitig ermöglichte die USR eine Parallelzählung mit einer eigenen App, sodass in Echtzeit über die Beteiligung berichtet werden konnte.

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Bereits im Vorfeld des Referendums hatte es ein Bündnis der zentralen Organisationen der Zivilgesellschaft wie der Initiative Rumänien mit der USR gegeben. Diese waren auch im Kern der Boykottkampagnen.

Wie wird es weitergehen? Werden die Initiatoren das Scheitern des Referendums akzeptieren?

Nach dem herben Schlag, den die orthodoxe Kirche hat einstecken müssen, wird sie wohl von Initiativen wie beim Referendum zunächst Abstand nehmen. Dies insbesondere, da ihre Rolle und ihr Einfluss in der Gesellschaft nun infrage gestellt werden. Dies könnte auch zu einer neuen Diskussion über das bisher unangenehm nahe Verhältnis von Kirche, Staat und Politik führen.

Die regierenden Sozialdemokraten (PSD) und Parteichef Dragnea werden nun auch mit Aufarbeitung der Schlappe zutun haben. Nicht nur haben sie das Referendum verloren, scheinbar haben auch viele Bürgermeister beim Referendum die Gefolgschaft verweigert. Dies könnte als Katalysator für den internen Machtkampf dienen und den angeschlagenen Dragnea weiter ins schlingern bringen. Auch der Koalitionspartner ALDE hat die PSD hängen lassen. Anstatt aktiv Wahlkampf zu betreiben, hatte sie sich aus der öffentlichen Debatte zurückgezogen.

Das Thema Verfassungsänderung ist nun aber vom Tisch. Es wird gemutmaßt, dass die PSD sogar das die „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ in das Parlament einbringen wird, um mit der Stimmung im Land zu gehen.

Für Medienanfragen kontaktieren Sie unseren Südosteuropa-Experten der Stiftung für die Freiheit:

Daniel Kaddik
Daniel Kaddik
Telefon: +32 2 669 13 18