Malaysia
Anwar Ibrahims ersten 100 Tage als Premierminister
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist nach Malaysia. Dort trifft er auch Anwar Ibrahim, den neuen Premierminister. Ibrahim war zuvor 25 Jahre lang Oppositionsführer gewesen und hatte 10 davon durch politisch motivierte Verurteilungen im Gefängnis verbracht. Seit November leitet Ibrahim eine breite Regierungskoalition, der auch frühere Feinde angehören. Tricia Yeo, Chefin von Malaysia´s Institute for Democracy and Economic Affairs (IDEAS), analysiert Ibrahims ersten 100 Tage im Amt.
Ein Blick auf Malaysias neue Regierungskoalition stimmt skeptisch. Sie besteht aus einer Mischung von politischen Parteien und Parteienbündnissen, die noch bis vor kurzem Erzrivalen waren. Um eine regierungsfähige Mehrheit zu erreichen, müssen Anwar Ibrahim, der neue Premierminister, und sein Parteienbündnis Pakatan Harapan mit der Barisan Nasional (Nationale Front) koalieren, welche jahrzehntelang Malaysias Politik dominiert hatte. Zudem sind zwei regionale Bündnisse Teil der Koalition. Anwars Stellvertreter ist nun Zahid Hamidi, der Präsident der UMNO, der Hauptpartei der Barisan Nasional. Zahid ist eine umstritten Person. Er ist in zahlreiche Korruptionsfälle verwickelt. Dies steht im Gegensatz zu Anwar Ibrahim und seiner Partei, deren erklärte Kernanliegen gute Regierungsführung und Reformen sind. Weitere Führungsfiguren der Nationalen Front wurden auf Ministerposten berufen. Allerdings: Anwars Zugeständnisse an alte Rivalen machen insofern Sinn, als dass nur dadurch eine stabile Mehrheit im Parlament gebildet werden konnte. Sie ist nötig, um die geplante Erneuerung Malaysias anzugehen.
Viele gute Vorhaben
Mit seinen ersten Reden und öffentlichen Auftritten als Premierminister hat Anwar Ibrahim bislang Vertrauen gewonnen. Mit Korruption müsse nun Schluss sein, so seine Ansage. Unter seiner Führung würden keine „Leaks“, also die Weitergabe von vertraulichen Informationen durch Regierungsmitglieder, mehr geduldet. Staatsaufträge würden in Zukunft nur mehr in Verbindung mit öffentlichen Ausschreibungen vergeben. Politische Ernennungen in Staatsbetrieben - in Malaysia regierungsnahe Unternehmen genannt - würden abgeschafft. Anwar Ibrahim mahnte seine Minister, Werte und Moral groß zu schreiben sowie fair und effektiv zu agieren. Zusammen mit einem Wirtschaftsplan, der die Beseitigung der Armut sowie die Umstrukturierung der Wirtschaft vorsieht, scheinen diese allgemeinen Leitlinien bei der Bevölkerung bisher gut anzukommen.
Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit einer Wirtschafts- und Steuerpolitik erkannt, die für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen soll. Kürzlich betonte der leitende Ökonom der Weltbank in Malaysia, dass Steuern von Privatpersonen sowie Verbrauchssteuern zu wenig Geld in die Staatskassen spülen. Mehr Steuereinnahmen werden für die notwendige Erhöhung der Staatseinnahmen unerlässlich sein.
Manche Enttäuschung
Während Anwar Ibrahim während seiner ersten Monate als Premier in vielerlei Hinsicht die richtigen Töne angeschlagen hat, irritierten manche Entscheidungen. Zum Beispiel kam es entgegen seines Versprechens, dass mit politischen Ernennungen Schluss sei, doch dazu. Anwar Ibrahim ernannte Nurul Izzah, seine älteste Tochter, zu seiner Chefberaterin für Wirtschaft und Finanzen. Kritiker sehen darin Vetternwirtschaft und Interessenkonflikt. Zwar ist Nurul Izzah hochqualifiziert und bezieht kein Gehalt. Aber sie hat nun eine strategische Position. Ihr Vater ist in Personalunion Premier- und Finanzminister. Das hat zwar Tradition in Malaysia, doch dass jetzt ein Familiengespann über wichtige Verträge, Ernennungen und wirtschaftspolitische Maßnahmen entscheidet, hat ein Geschmäckle.
Was kommt auf Anwar und seine Regierung zu?
Die kommenden Monate sind für Anwar Ibrahim entscheidend. Ab Mitte Februar finden die ersten Parlamentssitzungen statt, bei denen die Regierung einen neuen Haushalt vorlegen und im Parlament verabschieden muss. Dabei werden auch die Abläufe im Parlament interessant. Der neue Sprecher des Unterhauses ist ein Urgestein aus Anwars Partei. Es bleibt abzuwarten, ob die Abgeordneten der an der Regierung beteiligten Erzrivalen unvoreingenommen behandelt werden. In den kommenden Sitzungen werden auch neue parlamentarische Sonderausschüsse angekündigt. Diese werden Aufschluss über die politischen Prioritäten der Regierung geben, insbesondere bei Themen wie Klimawandel und institutionelle Reformen.
Des weiteren wird nervös auf den bald bevorstehenden Parteitag der UMNO – Anwar Ibrahims wichtigster Koalitionspartner - geschaut. Die Partei ist instabil. Ein Führungswechsel wäre das Ende der Regierungskoalition. Eine weitere Herausforderung für ihn wird es sein, der zunehmenden ethnisch-religiösen Polarisierung des Landes zu entgegnen. Und schließlich stehen in diesem Jahr Wahlen in sechs Bundesstaaten bevor.
Es sind aufregende Zeiten für Malaysia. Anwar Ibrahim will das Land in einem schwierigen sozioökonomischen Umfeld mit einer ungetesteten Koalition erneuern. Das wird nicht leicht.
Tricia Yeoh (PhD) leitet den Think-Tank IDEAS (Institute for Democracy and Economic Affairs) in Kuala Lumpur, Malaysia.