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„Entschlossenheit und Willen zur Veränderung - das inspiriert mich sehr“

Ich packe meinen Koffer - mit Beate Apelt, zukünftige Projektleiterin für Ukraine & Belarus
Ukraine

"Das Land aus seinen verschiedenen Blickwinkeln zu verstehen und nicht nur von außen zu betrachten."

© iStock/ Bychykhin_Olexandr

Im Gespräch mit freiheit.org verrät unsere zukünftige Projektleiterin für die Ukraine und Belarus, wie sie sich auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet hat und welche Dinge sie vor Ort anpacken möchte.

Frau Apelt, nach fünf Jahren der Arbeit für die Stiftung für die Freiheit in Potsdam justieren Sie Ihren Kompass neu. Ende Oktober geht es für die Stiftung in die Ukraine. Was stand für Sie auf dem Vorbereitungsprogramm? Und: wie sehr freuen Sie sich?

Meine Vorbereitungszeit war vielfältig und intensiv. Ich habe ein Sicherheitstraining absolviert, meine Sprachkenntnisse verbessert und vieles mehr. Nebenbei habe ich versucht, viel zu lesen – zur Geschichte der Ukraine und der Region, aber auch neue ukrainische Belletristik. Ein wichtiger Teil meiner Vorbereitung waren die Gespräche mit Menschen, die sich aus anderen Organisationen heraus mit der Ukraine und Belarus beschäftigen, aus Ministerien, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, auch auf der europäischen Ebene. Zu hören, was andere machen und wie sie die Entwicklungen im Land einschätzen, war ausgesprochen wertvoll.

Natürlich freue ich mich riesig darauf, gemeinsam mit unserem ukrainischen Team an einer positiven und freiheitlichen Entwicklung im Land mitwirken zu dürfen. Der Weg ist noch weit, bis alle staatlichen Strukturen wirklich demokratisch und transparent funktionieren, kleinere Unternehmen sich frei entwickeln können, die Menschen einen zufriedenstellenden Lebensstandard erreichen. Aber es gibt so viel Aufbruch, Entschlossenheit und Willen zur Veränderung in der Zivilgesellschaft – das inspiriert mich sehr und macht Lust auf die Arbeit.

Nur rund zwei Flugstunden von Deutschland entfernt liegt Ihr Ziel: Kiew. Viel wurde in den vergangenen Jahren von dort über Krieg und Krisen berichtet. Welche Fragen an Land und Leute haben Sie im Gepäck? Welche Einblicke erhoffen Sie sich aus nächster Nähe? Und welche Stiftungsvorhaben möchten Sie besonders vorantreiben?

Die Ukraine ist in einer besonders schwierigen Situation. Die russische Annexion der Krim, die kriegerische Aggression im Donbass, bei der trotz des Waffenstillstands fast täglich Menschen verwundet werden oder sterben, die immense Zahl von Binnenflüchtlingen, all das belastet das Land und die Gesellschaft schwer. Zugleich brauchen die anstehenden Reformprojekte eigentlich jede Kraft, müssen mühsam gegen die Beharrungskräfte im System erkämpft werden. All dies findet unter den Bedingungen einer noch andauernden Nationsbildung statt. Kann der zivilgesellschaftliche Aufbruch des Maidan von 2014 weiter getragen werden oder macht sich angesichts überschaubarer Reformfortschritte und anhaltend niedrigen Lebensstandards irgendwann Resignation breit? Gelingt ein konstruktiver Umgang mit der Vergangenheit und der eigenen Vielfalt oder führt die Verteidigungssituation zu einem überschießenden Patriotismus, der letztlich die demokratische Entwicklung des Landes behindert? Das – neben den außenpolitischen Entwicklungen – sind wichtige Fragen der nächsten Jahre.

Beate Apelt

Beate Apelt

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Mit unserer Stiftungsarbeit unterstützen wir ukrainische Partner, die wie wir für die Freiheit jedes Einzelnen, rechtsstaatliche Reformen, gegen das Übel der Korruption und für gedeihliche Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen eintreten. Sehr wichtig ist die Arbeit mit unseren Partnerparteien „Bürgerliche Position“ und „Kraft der Menschen“, die sich im Gegensatz zu vielen anderen aus der zivilgesellschaftlichen Basis heraus entwickeln wollen. Besonders liegt mir auch die Arbeit in kommunalen Bereich am Herzen, sei es mit reformorientierten Bürgermeistern und Abgeordneten, sei es mit aktiven Bürgern, die sich positiv in die Entwicklung ihrer Städte einbringen wollen. Hier liegt ein ganz großes Potential für dauerhafte Veränderung, die nicht nur formelle Spielregeln, sondern auch die politische Kultur des Landes umfasst.

Miriam Kosmehl, von der Sie den Staffelstab als Projektleiterin übernehmen, hat in einem spannenden Artikel den Lesern von freiheit.org die Ukraine auch als Reiseland ans Herz gelegt. Auf welche Entdeckungen sind Sie bereits neugierig, welche Orte reizen Sie besonders, sie zu besuchen?

Mich reizt besonders die Vielschichtigkeit und Vielfalt des Landes - in geografischer wie historischer, ethnolinguistischer, religiöser und kultureller Hinsicht. Ich bin genauso neugierig auf Mariupol wie auf Uman, auf Kamjanez-Podilskyj wie auf Odessa. Kaffeetrinken in Lviv, Wandern in den Karpaten und Paddeln auf dem Dnjepr stehen unbedingt auf dem Wochenendprogramm. Wir arbeiten mit Partnern in allen Teilen des Landes, so dass ich sicher ohnehin viel herumkommen werde. Und ehrlich gesagt: die Menschen kennenzulernen, das Land aus seinen verschiedenen Blickwinkeln zu verstehen und nicht nur von außen zu betrachten, das hat für mich den größten Reiz.