US-Wahl
Trump vs. Biden: Der Kommentar aus Washington
In der ersten TV-Debatte zwischen den voraussichtlichen Spitzenkandidaten der Demokraten und der Republikaner ging es vor allem um Einwanderung, Wirtschaft und Außenpolitik. Biden war sein Alter deutlich anzumerken, Trump, wenn auch gemäßigter als sonst, seine Streitlust. Die Frage, die sich stellt: War dieses Debatten-Format eine kluge Wahl für Biden?
Worauf es beim Trump-Biden TV-Duell ankommen wird
5 Fragen / 5 Antworten: Welchen Einfluss wird die erste TV-Debatte auf den weiteren Wahlkampf in den USA haben? Welche Themen sind aus europäischer Sicht wichtig? Martin Biesel, Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Washington, D.C. im Interview.
Als Präsident Biden einer Debatte mit seinem Herausforderer zustimmte, verlangte sein Team strenge Bedingungen: kein Live-Publikum, begrenzte Redezeit und stummgeschaltete Mikrofone, wenn der andere Kandidat an der Reihe ist. Die Erwartung? Eine geordnete Debatte würde die ausgewogene und auf politische Lösungen fokussierte Herangehensweise des Amtsinhabers betonen.
Im Gegensatz zu den Vorhersagen einiger Beobachter, scheint Trump jedoch auch erheblich von dem Format der Debatte profitiert zu haben. Obwohl er nicht die Lacher ernten konnte, die er von seinen früheren Interaktionen mit dem Publikum gewohnt ist, zwang ihn das Format zu einer gewissen Mäßigung, was ihm letztendlich zum Vorteil gereichen könnte. Vor allem bei denjenigen Wählern, die aufgrund seines aufbrausenden Auftretens in der Regel nicht für Trump stimmen würden, die aber mit der derzeitigen Regierung so unzufrieden sind, dass sie bei dieser Wahl ins Spiel kommen könnten – man denke an „suburban women“, „country club Republicans“ oder unzufriedene Unabhängige – hat die Entscheidung, die Debatte in einem kontrollierten Umfeld mit strengen Zeitlimits abzuhalten, dazu beigetragen, eine der größten politischen Schwachstellen Trumps zu neutralisieren.
Während seine Unverfrorenheit bei seinen üblichen Auftritten seine potenzielle Anziehungskraft auf diese Gruppen bei politischen Streitfragen hätte überschatten können, wurde Trumps pathosgeladene Botschaft über den nationalen Niedergang in ein so vergleichsweise nüchternes Medienformat gefasst (wohlgemerkt: im Vergleich zu den Debatten Trump-Biden 2020, nicht Nixon-Kennedy oder Reagan-Carter), dass er vielleicht sogar einige derjenigen Zuhörer für sich gewinnen konnte, die im Allgemeinen das Verschwinden eines zivilisierteren Zeitalters des amerikanischen Diskurses beklagen.
Viel Stolpern, wenig Kampfgeist
Inhaltlich wurde deutlich, dass Präsident Biden viel Zeit damit verbracht hatte, sich mit seinem Team auf die Debatte vorzubereiten. Er nannte Zahlen aus der Wirtschaft, zeigte Erfolge in der Gesetzgebung und machte einige konkrete politische Vorschläge (wenn auch aus offensichtlichen Gründen nicht ganz so detailliert wie in den Vorwahldebatten). Manchmal schien es jedoch fast so, als ob diese Tatsache Biden zum Verhängnis wurde. Nicht nur, weil sie für weniger rhetorischen Schwung sorgt als der intuitive Appell von Trumps Lieblingsthemen, sondern auch, weil sie die vielleicht beste Eigenschaft des 81-jährigen Biden verdeckt – seine Authentizität.
Angesichts seines Alters und seiner Sprechweise wirkte er beim Versuch, vorbereitete Argumente herunterzurasseln, bisweilen verwirrt oder vergesslich, stolperte über Worte. Im Gegensatz dazu kamen einige von Bidens besten Momenten in der Debatte, als er scheinbar aus dem Stegreif sprach – ein Modus, der seine großväterliche Wärme zur Geltung bringt und seine Schwierigkeiten mit langatmigen, komplexen politischen Aussagen vermeidet.
Diese Momente werden in den Gedanken der Millionen Wähler, die die Debatte in voller Länge verfolgten und in den kommenden Wochen mit Ausschnitten daraus bombardiert werden, wahrscheinlich nicht ausreichen, um eine insgesamt suboptimale Leistung des Amtsinhabers auszugleichen. Bidens Team rechnete vermutlich mit einem Glücksfall in Form eines unerwartet energischen Auftritts, vergleichbar mit seiner Rede zur State of the Union. Da die Erwartungen der Wähler aufgrund der ständigen Kritik an seinem Alter und seiner geistigen Schärfe ohnehin schon so niedrig waren, hätte selbst eine mäßig dynamische Leistung ausgereicht, um seine Kompetenz und seinen Kampfgeist zu beweisen.
Bidens Auftritt war vielleicht nicht katastrophal, aber durchaus von schwerwiegenden Patzern geprägt. Bereits bei der dritten Frage stolperte er sprachlich von seinem Plan, die Staatsverschuldung durch eine Reform des Steuersystems und die Erhebung von 500 Milliarden Dollar von den wohlhabendsten US-Bürgern über einen Zeitraum von zehn Jahren zu beseitigen (die Staatsverschuldung liegt derzeit bei 35 Billionen Dollar), zu einer bizarren Aussage, dass er Medicare endlich geschlagen („beaten“) habe – woraufhin Trump antwortete, dass er es in der Tat „zu Tode geschlagen“ („beaten to death“) habe. (Trump schwenkte dann auf die Migration und die Überlastung der sozialen Systeme um). Obwohl sich Biden in der zweiten Hälfte der Debatte etwas besser schlug, übertraf er insgesamt nicht die anfänglich niedrigen Erwartungen – und bestätigte sie damit. Biden hat die Aufgabe, die er für seine Kampagne erfüllen musste, nicht erfüllt.
Einwanderung, Wirtschaft und Außenpolitik im Wahlkampf
Erste Reaktionen auf die Debatte lobten die Bemühungen des Amtsinhabers, die Aufmerksamkeit auf seine politische Bilanz zu lenken und auf die Versäumnisse seines Vorgängers in den Kernfragen, die den amerikanischen Wählern am Herzen liegen. Aber auch hier fiel Bidens mangelnder Elan auf, während Trump jede ihm zur Verfügung stehende Gelegenheit nutzte – unabhängig davon, ob sie für die gerade gestellte Frage relevant war oder nicht –, um Biden in Sachen Einwanderung, Wirtschaft und Außenpolitik unter Druck zu setzen. Bei all diesen Themen sind die Zustimmungswerte des Amtsinhabers laut Umfragen gefährlich niedrig.
Trump lenkte ständig und strategisch auf das Thema Einwanderung um, was vielleicht sein größter Vorteil gegenüber Präsident Biden ist. Biden ist bei diesem Thema besonders verwundbar. Als Biden erklärte, was seine Regierung zur Bewältigung der Grenzkrise unternehme, drehte sich seine Antwort u. a. um den Bau neuer Asylbearbeitungszentren. Dabei denken die wenigsten amerikanischen Wähler beim Thema Einwanderung an den Bau neuer Asylbewerberzentren, sondern an Arbeitsplätze, überlastete Sozialdienste und die Verdrängung der eigenen Bevölkerung. Als Biden einen Grenzübertritt von Terroristen unter der Regierung seines Vorgängers erwähnte, schwenkte Trump sofort auf die Ermordung drei junger Mädchen durch illegale Einwanderer um. Als Biden fehlende Unterstützung durch die Legislative geltend machte, entgegnete Trump, dass er während seiner Amtszeit durch seine Exekutivgewalt Maßnahmen ergriff und Biden dasselbe hätte tun können.
Wie bei jeder Präsidentschaftsdebatte stand das Thema Wirtschaft im Vordergrund. Die Moderatoren fragten nach steigender Inflation, der künftigen Solvenz der Sozialversicherung und der Staatsverschuldung. In dieser Hinsicht vertrat keiner der Kandidaten eine überraschende Position: Der republikanische Spitzenkandidat befürwortet eine Verlängerung der Steuersenkungen, während der demokratische Spitzenkandidat eine höhere Besteuerung von Spitzenverdienern und Unternehmen fordert. Keiner der beiden Kandidaten kam auch nur annähernd dazu, echte, umsetzbare Vorschläge zu formulieren, die das gravierende Schuldenproblem und andere Probleme in den Griff bekommen könnten. Auf der Ebene der Bevölkerung ist der Amtsinhaber jedoch wiederum im Nachteil; hohe Preise für Lebensmittel oder an der Zapfsäule haben einen langen Atem und werden unabhängig von den zugrundeliegenden langfristigen Systemproblemen der derzeitigen Regierung angelastet.
Beobachter der Konfrontation jenseits des Atlantiks mögen positiv überrascht gewesen sein, dass die außenpolitische Komponente in der Debatte so stark im Vordergrund stand; sie mögen gleichermaßen enttäuscht gewesen sein von der routinemäßigen Wiederholung der üblichen Slogans der beiden Kandidaten. Aus Trumps Sicht waren die letzten vier Jahre eine peinliche Zurschaustellung amerikanischer Schwäche; der katastrophale Rückzug aus Afghanistan und das Einlenken gegenüber dem Iran hätten die Feinde der USA ermutigt, die Ukraine und Israel anzugreifen. Beide Krisen wären, wie er sagt, unter seiner Führung nie ausgebrochen; beide Krisen würden noch vor seiner Vereidigung sofort gelöst, sollte er wiedergewählt werden. Aus Bidens Sicht ist Trumps an Bedingungen geknüpfter Ansatz zur Sicherheitszusammenarbeit mit der NATO ein schwerer Fehler; Biden sieht die Stärke der Vereinigten Staaten in ihren Bündnissen und befürwortet die weitere Unterstützung für den Krieg in Osteuropa. Wenig überraschend ist, dass keiner der beiden Kandidaten Israel die Unterstützung entziehen oder die Zollbeschränkungen gegenüber China lockern will.
Wie geht es weiter?
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Debatte auf die öffentliche Meinung auswirken wird. Das nächste Duell ist für September angesetzt, sodass beide Kandidaten Zeit haben, sich neu zu formieren und eine neue Strategie zu entwickeln. Vor allem Bidens Team wird sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie die "recovery" des Präsidenten gestaltet werden kann. Wenn es keine größeren Veränderungen gibt, werden beide Parteien ihre Kandidaten auf ihren jeweiligen Kongressen nominieren. Nach den monatelangen Vorwahlen und langer Vorbereitung fiel gestern Abend nun der eigentliche Startschuss für das Rennen um das Weiße Haus.