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Entwicklungszusammenarbeit neu gedacht

Wie kann Europa besser helfen?
Entwicklungshilfe

Wie kann Europa im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung afrikanischer Gesellschaften und Volkswirtschaften besser helfen?

© iStock/ courtneyk

In Abidjan, dem Regierungssitz der Elfenbeinküste, halten in dieser Woche (29. und 30. November) die Europäische und die Afrikanische Union ihr fünftes gemeinsames Gipfeltreffen ab. Thematisiert werden dort die wichtigsten Fragen in den Beziehungen zwischen beiden Kontinenten, darunter auch die zukünftige Gestaltung der Entwicklungszusammenarbeit. In Wien nahmen dies österreichische (NEOS Lab) und europäische Liberale (ALDE) zum Anlass und diskutierten die Frage: „Helfen wir richtig?“.  Sebastian Vagt nimmt aus Wien zwar keine eindeutige Antwort, dafür aber drei interessante Perspektiven auf die Gegenwart und drei Ideen für die Zukunft mit.

Überblick: Die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sind gemeinsam weltweit der größte Zuwendungsgeber für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Mit 75 Milliarden Euro leisten sie die Hälfte des globalen Beitrages. Luxemburg, Schweden, Dänemark, das Vereinigte Königreich und seit 2015 auch Deutschland erfüllen sogar die von den OECD-Staaten selbst auferlegte Verpflichtung, mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes zu diesem Zweck auszugeben. Im Falle Deutschlands ist diese Rechnung jedoch umstritten, weil die Bundesregierung auch die Ausgaben für die Aufnahme von Geflüchteten im eigenen Land als Entwicklungszusammenarbeit verbucht.

Die Ausgaben sollen grundsätzlich dazu beitragen, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, auch Agenda 2030 genannt, zu erreichen. Es geht dabei um die Förderung von Frieden, Wohlstand, Bildung und Gesundheit in allen Ländern der Welt. Bei genauer Betrachtung des Verlaufs der Aufwendungen wird jedoch auch deutlich, dass sich die europäische Entwicklungszusammenarbeit nicht nur am Bedarf, sondern auch an eigenen Interessen orientiert. Die Ausgaben sind seit der Flüchtlingskrise 2015 deutlich angestiegen.

Was bisher falsch läuft

Interessant ist an dieser Stelle die Frage, was die Entwicklungszusammenarbeit bislang bewirkt hat. Professor Axel Dreher von der Universität Heidelberg  behauptet, diese hätte bisher höchstens auf lokaler, nicht aber auf der Ebene ganzer Staaten zu messbaren Erfolgen geführt. Häufig sei die Hilfe in sinnlose oder ineffiziente Projekte investiert worden oder habe korrupte und autoritäre Regime unterstützt. Den Kern des Problems sieht Dreher darin, dass westliche Geber das Projektmanagement lieber selbst übernehmen. In vielen Fällen kennen sie  aber die lokalen Bedürfnisse nicht ausreichend und sind stattdessen auf die Medienwirksamkeit ihrer Arbeit bedacht.  Nur 2 Prozent der EU-Mittel sind sogenannte Budgethilfen. Diese können von der Verwaltung vor Ort genutzt und nach eigenem Ermessen eingesetzt werden.

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Was wir erwarten können

Die Staaten der Europäischen Union haben in den letzten Jahrzehnten ein Vielfaches dessen in Afrika investiert, was die US-Amerikaner im Rahmen des Marschall-Planes für den Wiederaufbau Europas einsetzten (nach heutigem Wert etwa 130 Mrd. Euro).  Dieser Vergleich, den der deutsche Minister für Entwicklungszusammenarbeit Müller mit seinem „Marshall-Plan in Afrika“ erweckt, ist jedoch kein geeigneter Maßstab für Effizienz. So erklärt Dr. Joseph Tindybwa, Oppositionspolitiker aus Uganda, dass es in Europa nach dem Krieg um den Wiederaufbau von Strukturen ging, die vorher bereits existiert hatten. Afrikaner bauen diese gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen jedoch erstmals auf. Dabei ist noch unklar, welche Wege der Entwicklung Afrika nehmen wird: Industrialisierung, Dienstleistungsgesellschaft, Digitalisierung oder eine Kombination, alles ist denkbar. Klar ist nur: die Entwicklungszusammenarbeit wird Afrika nicht entwickeln. Dazu ist ihr Umfang (gemessen am Bruttoinlandsprodukt afrikanischer Staaten etwa vier Prozent) zu gering. Außerdem ist sie als Anschub für eine eigene, afrikanische Entwicklung gedacht und soll diese nicht ersetzen.   

Was wir nicht übersehen dürfen

Verkennen darf man dabei nicht, dass Afrika sich bereits in beachtlicher Weise entwickelt hat und längst nicht mehr der „K“-Kontinent ist, der nur aus Kriegen, Krisen und Katastrophen besteht. Hans Stoisser, Autor des Buchs „Der schwarze Tiger“, weist darauf hin, dass die Armut in den meisten Ländern des afrikanischen Kontinents massiv zurückgehe und wir gerade die länderübergreifende Ausbildung einer afrikanischen Mittelschicht erlebten.  In manchen Ländern ginge es mittlerweile nicht mehr um Wasserleitungen und Toiletten, sondern um Business-Pläne und Smartphone-Apps. Mit Verweis auf die Migrationstheorie erklärt er aber auch, dass gerade die Verbesserung der Lebensumstände kurzfristig zu verstärkter Migration führe. Vor diesem Hintergrund ist zu bezweifeln, dass der „Marshall-Plan in Afrika“ in den nächsten Jahren zur „Fluchtursachenbekämpfung“  beiträgt.

Drei Ideen für eine bessere Entwicklungszusammenarbeit

Wie kann Europa im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung afrikanischer Gesellschaften und Volkswirtschaften besser helfen?  Erstens braucht es für die vertrauensvolle Zusammenarbeit verlässliche Partner. Die mangelnde politische Stabilität und schlechte Regierungsführung in machen afrikanischen Staaten machen eine nachhaltige Entwicklungspolitik unmöglich. Gemeinsame Projekte dürfen nicht durch Korruption beschädigt werden oder nur einem ausgewählten Teil der Bevölkerung eines Landes zugutekommen. Gute Regierungsführung sollte daher die zwingende Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit sein. Dies schließt humanitäre Hilfe für Menschen, die in Diktaturen und autoritären Staaten akut Not leiden, wohl gemerkt nicht aus.

Zweitens überzeugt der Gedanke, dass Menschen vor Ort ihren Bedarf an bestimmten Projekten besser einschätzen können als Geber im Ausland. Im Rahmen der Budgethilfe könnten sie sich nach wie vor der Expertise europäischer Partner bedienen, dürften allerdings selbst entscheiden, zu welchen Zwecken die zur Verfügung stehenden Mittel verwendet werden. Diese Entscheidung muss allerdings, ob auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene, von demokratisch legitimierten Vertretern der Bevölkerung getroffen werden und somit ebenfalls dem Kriterium der guten Regierungsführung entsprechen.

Entwicklungszusammenarbeit steht immer auch im Kontext  von humanitärer Hilfe sowie Sicherheits-, Wirtschafts- und Handelspolitik. Daher ist drittens das Prinzip der Politikkohärenz für die Effizienz und den Erfolg der Zusammenarbeit entscheidend. Die Europäische Union muss vor diesem Hintergrund kritisch prüfen, ob die Zuteilung von Agrarsubventionen an europäische Exporteure, Fischereiabkommen mit westafrikanischen Küstenstaaten oder Waffenlieferungen in die Sahel-Region auch den langfristigen Zielen der Entwicklungszusammenarbeit dienen.

Sebastian Vagt ist European Affairs Manager der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel.