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Wohnungsmarkt
Es b(r)aut sich was zusammen – Warum die echte Wohnungskrise erst noch bevorsteht

Wohnungskrise

Es b(r)aut sich was zusammen – Warum die echte Wohnungskrise erst noch bevorsteht

© picture alliance / ANP | Ramon van Flymen

Bereits im letzten Jahr geriet der Wohnungsmarkt immer wieder in die Schlagzeilen: steigende Mieten, immer weniger Neubau und eine schier endlose Debatte um den „Heizhammer“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Der Wohnungsmarkt ist kein Markt wie jeder andere. Wenn der Wohnungsmarkt in Schieflage gerät, betrifft das die Menschen unmittelbar und ganz direkt. Denn wir alle müssen irgendwo wohnen, Miete zahlen oder einen Kredit finanzieren.

Kürzlich gaben bei einer Umfrage rund 40 Prozent der Befragten an, sie könnten sich ihre Wohnkosten „gerade so“ noch leisten. Rund sieben Prozent sahen sich mit ihren aktuellen Wohnkosten bereits jetzt völlig überfordert. Es wird also Zeit, dass sich die Lage endlich entspannt. Doch danach sieht es nicht aus – ganz im Gegenteil. Es gibt eine ganze Reihe an Gründen, die darauf hindeuten, dass die Krise auf dem Wohnungsmarkt gerade erst begonnen hat und erst in den nächsten Jahren ihren Höhepunkt erreicht.

Grund 1: Die Rahmenbedingungen sind denkbar schlecht (und werden es vermutlich bleiben)

Ein ganz entscheidender Grund für die Misere auf dem Wohnungsmarkt ist der Mix aus steigenden Baukosten, steigenden Baulandpreisen sowie hohen Zinsen. Seit dem Jahr 2000 sind die Baukosten um 78,5 Prozent und die durchschnittlichen Baulandpreise um 168 Prozent gestiegen (siehe Abbildung). Das Zinsniveau hat sich in den letzten Wochen zwar etwas entspannt, dennoch müssen für Baukredite mit einer Laufzeit von 15 Jahren immer noch Zinsen in Höhe von etwa 3,5 Prozent gezahlt werden – weitaus mehr als noch vor 2 Jahren. Wie eine Studie des Bauforschungsinstituts ARGE zeigt, kann eine frei finanzierte Vermietung unter diesen Voraussetzungen erst ab einer monatlichen Kaltmiete von etwa 17,50 Euro pro Quadratmeter erfolgen. Die Rahmenbedingungen lassen schlichtweg keinen günstigen Wohnungsbau zu und es sieht nicht danach aus, als würde sich an diesen Rahmenbedingungen so schnell etwas ändern.

Entwicklung von Baukosten und Baulandpreisen

Entwicklung von Baukosten und Baulandpreisen

© Statistisches Bundesamt

Grund 2: Die Zahl der Baugenehmigungen ist rückläufig

Auf dem Wohnungsmarkt lässt sich das Angebot nicht beliebig schnell an die Nachfrage anpassen. Bauprojekte dauern oft mehrere Jahre, daher ist die Zahl der bewilligten Wohnungen ein wichtiger Indikator für die zukünftige Bautätigkeit. Die verfügbaren Daten reichen aktuell bis Oktober 2023. Ein Vergleich mit den jeweiligen Vorjahresmonaten macht deutlich, dass die Zahl der Baugenehmigungen im Jahr 2023 teils deutlich unter dem Niveau von 2022 liegt (siehe Abbildung). Damit werden wir in den nächsten Monaten und Jahren zwangsläufig eine geringere Bautätigkeit beobachten – und hieran lässt sich leider auch nichts mehr ändern.

Baugenehmigungen für neue Wohnungen

Baugenehmigungen für neue Wohnungen

© Statistisches Bundesamt

Grund 3: Die Stimmung in der Baubranche ist auf einem Allzeittief

Seit 1991 erheben die Ökonomen des ifo Instituts das Geschäftsklima in der deutschen Wohnungsbaubranche – nach der neuesten Umfrage ist die Stimmung in der Branche nun auf den tiefsten Stand seit Beginn der Untersuchungen gefallen. 22,1 Prozent der befragten Unternehmen klagen über gestrichene Projekte; über zu niedrige Auftragsbestände beschweren sich 56,9 Prozent der Unternehmen. Ähnlich wie bei den Baugenehmigungen gilt, dass die Auswirkungen dieser schlechten Stimmungslage erst in ein paar Jahren spürbar werden. Denn die Wohnungen, die heute storniert oder gar nicht erst begonnen wurden, werden in ein bis zwei Jahren auf dem Mietmarkt fehlen.

Beschränkungen im Wohnungsbau

Beschränkungen im Wohnungsbau

© ifo Institut

Grund 4: Die Aussichten für den Wohnungsneubau sind düster

Zu Beginn der Legislaturperiode hat die Bundesregierung ein Neubauziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr ausgegeben, um den bestehenden Angebotsengpass zu beseitigen. Der Beginn des Ukraine-Krieges und dessen Folgen (u.a. Materialengpässe, steigende Baupreise, Zinsanstieg) haben die Erreichung dieses Ziels bereits frühzeitig unmöglich gemacht. Für das Jahr 2023 liegen noch keine endgültigen Daten vor, Schätzungen belaufen sich derzeit auf rund 245.000 neue Wohnungen. Für dieses Jahr geht man beim ifo Institut lediglich von 210.000 neuen Wohnungen aus, im Jahr 2025 dann sogar nur noch von 175.000 fertiggestellten Wohnungen. Diese Zahlen machen unschwer deutlich, dass sich der Angebotsengpass (den man mit ursprünglich 400.000 Wohnungen pro Jahr beseitigen wollte) weiter verschärfen wird.

Zahl der fertiggestellten Wohnungen in Deutschland

Zahl der fertiggestellten Wohnungen in Deutschland

© Statistisches Bundesamt

Grund 5: Mit einem Rückgang der Wohnungsnachfrage ist nicht zu rechnen

Die vier bisher genannten Gründe beziehen sich auf die Angebotsseite. Alle Zeichen stehen auf eine weitere Verknappung des Wohnangebots in Deutschland. Doch wie sieht es mit der Nachfrage nach Wohnraum aus? Glaubt man den Ergebnissen des letzten IW-Wohnungsbedarfsmodells (wozu es guten Grund gibt), dann ist in den nächsten Jahren keineswegs mit einem sinkenden Wohnungsbedarf zu rechnen. Insbesondere in den Großstädten sehen die Forscher die zentrale Herausforderung darin, den wachsenden Wohnungsbedarf bereitzustellen. Ein Blick auf den Bevölkerungszuwachs in den deutschen Metropolen zeigt, dass es insbesondere in den großen Städten eine erhebliche Nachfrage nach geeigneten Wohnungen geben wird.

Prozentualer Bevölkerungszuwachs in den "Top7-Städten" (2000-2022)

Prozentualer Bevölkerungszuwachs in den "Top7-Städten" (2000-2022)

© Statistisches Bundesamt

Fazit

Die betrachteten Indikatoren sprechen eine eindeutige Sprache: Das Wohnungsangebot wird in den nächsten Jahren sinken, die Wohnungsnachfrage hingegen wird steigen oder zumindest auf hohem Niveau verharren. Bei dieser Konstellation schrillen bei jedem Ökonomen und jeder Ökonomin die Alarmglocken. Durch den zunehmenden Angebotsengpass wird ein erheblicher Druck auf die Mieten entstehen, der insbesondere in den Großstädten – wo der Angebotsengpass am größten ist – zu spüren sein wird. Alles deutet also darauf hin, dass sich der Mietanstieg der letzten Jahre weiter fortsetzt und die Krise erst in zwei oder drei Jahren ihren Höhepunkt erreicht.

Entwicklung der Angebotsmieten (in €/qm)

Entwicklung der Angebotsmieten (in €/qm)

© Empirica

Unter diesen Voraussetzungen erscheint es nahezu vorprogrammiert, dass wir in diesem oder spätestens im nächsten Jahr eine neue Diskussion um eine Verschärfung bundesweiter Mietpreisbegrenzungen erleben werden – und das, obwohl wir vom Beispiel Berlin wissen, welch katastrophale Auswirkungen diese Maßnahme hat. Aus der SPD-Bundestagsfraktion wurde bereits im vergangenen Jahr die Forderung nach einem bundesweiten Mietenstopp neu aufgewärmt. Doch was helfen vorübergehend günstigere Mieten, wenn keine Wohnungen mehr gebaut werden, in denen die Menschen leben könnten?

Statt populistischer Mythen braucht es echte Lösungen. Um den sich verschärfenden Angebotsengpass zu beseitigen, gibt es nur einen Ausweg: Es braucht eine Ausweitung des Wohnungsangebots. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Denn es wird erst dann wieder mehr gebaut werden, wenn für Bauunternehmen mehr Projekte rentabel werden. Dies könnte beispielsweise über eine echte Baulandoffensive gelingen (damit die Baulandpreise sinken) oder über einen signifikanten Bürokratieabbau in den Bauordnungen – damit die Baukosten nach unten gehen. Zu viele strikte und bürokratische Vorgaben sind in Zeiten der aktuellen Wohnungsnot nicht mehr zeitgemäß. Der Weg für neue Materialien und neue Technologien muss freigemacht werden, damit sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt nicht weiter verschärft und zu einer tiefen Spaltung in der Gesellschaft führt.

Klar ist: Die Situation auf dem Wohnungsmarkt wird uns weiter beschäftigen, in den nächsten Jahren wahrscheinlich mehr denn je.