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Hackathon gegen Pandemieprobleme im Libanon

Konkreten Lösungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Libanon
Hackathon
Teilnehmer des Hackathons

Beirut steht still. Wo sonst Autos Stoßstange an Stoßstange in kilometerlangen Staus stehen und sich die Skyline tagsüber in dichtem Smog hüllt, ist Ruhe eingekehrt. Plötzlich hört man die Vögel zwitschern und kann problemlos die Straße überqueren. Was sich romantisch anhört, hat natürlich ein ernsten Hintergrund: Die Corona-Pandemie hat auch den Libanon weitestgehend zum Stillstand gebracht. Doch die Ausgangslage ist trotz geringer Fallzahlen mit Deutschland oder anderen Ländern in Europa nicht zu vergleichen. Schließlich ist nicht nur das öffentliche Gesundheitssystem vollkommen marode, es mangelt auch an ausländischen Devisen, um wichtige medizinische Güter und Medikamente importieren zu können – denn das Land hat zeitgleich mit weiteren existenziellen Krisen zu kämpfen. Mit der Ankündigung der libanesischen Regierung, eine fällige Tranche von Staatsschuldtiteln nicht bedienen zu können, rief der Zedernstaat Anfang März de facto den Staatsbankrott aus. Das Bruttoinlandsprodukt könnte in diesem Jahr um bis zu 20 Prozent einbrechen, die Arbeitslosenzahlen steigen rasant und die libanesische Lira hat am Parallelmarkt um über 60 Prozent abgewertet.

Vor diesem Hintergrund hat die Regierung keinerlei Spielraum, öffentliche Gelder in die Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen zu stecken. Die Libanesen haben sich zwar über Jahrzehnte damit abgefunden, dass auf den Staat kein Verlass ist, wenn es darum geht, öffentliche Güter und Dienstleistungen bereitzustellen. Doch die aktuelle Lage scheint eine neue Stufe erreicht zu haben. Als Symbol dafür dient nicht zuletzt das berühmte „Bristol Hotel“, eine Institution im Herzen Beiruts, das 15 Jahre Bürgerkrieg überlebt hat und jetzt aufgrund der wirtschaftlichen Situation seine Tore endgültig schließen musste.

Nun ist es wieder mal Aufgabe der libanesischen Zivilgesellschaft, Lösungswege zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu entwickeln. Früh hatte sich eine Gruppe von Ingenieuren auf der Messenger-Plattform Slack zusammengefunden, um gemeinsam an konkreten Ideen zu arbeiten. Hier wurden erste Prototypen entwickelt und Ideen ausgetauscht. Dabei ging es vor allem um Hardwarelösungen wie Masken, Schutzkleidung oder rudimentäre Modelle von Beatmungsgeräten. Viele Anforderungen an die Bekämpfung der Gesundheitskrise blieben aber unberührt: Wie können solche Prototypen kostengünstig gebaut werden? Wie können Software-Lösungen für ein besseres Bewusstsein in der Bevölkerung beitragen? Wie können die Flüchtlingscamps vor einem Corona-Ausbruch geschützt werden?

Mit dem Ziel, dieses zivilgesellschaftliche Engagement zur Corona-Eindämmung zu unterstützen und untereinander zu vernetzen, wurde eine Initiative der Friedrich-Naumann-Stiftung und einigen Partnern ins Leben gerufen. Nach ein paar Telefonaten entstand die Idee, einen „Online Hackathon“ durchzuführen – nach Vorbild erfolgreicher Projekte in Deutschland und Estland. Im Gegensatz zu diesen Hackathons hat sich der libanesische aber ausschließlich auf Gesundheitsfragen fokussiert. Wegen der schwierigen Lage des Landes und des unterfinanzierten Gesundheitssystems waren gerade in diesem Sektor schnelles Handeln und konkrete Lösungen gefordert. Außerdem kann die Unterstützung des Gesundheitsbereichs dazu beitragen, dass Beschränkungen des öffentlichen Lebens bald wieder aufgehoben und somit auch die Wirtschaft – zumindest teilweise – wiederbelebt werden könnte.

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Nach nur einer Woche Vorlauf für Konzeption und Planung fanden sich über 120 hochmotivierte Teilnehmer zusammen. Aufgeteilt nach Interessengebieten in 18 Teams, arbeiteten sie an drei Tagen konzentriert an konkreten Lösungen zur Bekämpfung der Pandemie. Der Erfolg von Hackathons misst sich vor allem daran, dass die Teams an praxisnahen und passgenauen Lösungen arbeiten, die in den Krankenhäusern oder anderen medizinischen Einrichtungen tatsächlich gebraucht werden. Deshalb war es auch so wichtig, Ärzte, Krankenschwestern und andere Mentoren zu gewinnen, welche die Teams während des Hackathons mit viel Einsatz und Fachexpertise begleiteten. Zusätzlich wurden konkrete Bildungskomponenten, wie Seminare für  Unternehmensgründung oder Web-Entwicklung eingebaut. Die Ideen sollten schließlich auch Aspekten der Nachhaltigkeit standhalten.

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Bei der Präsentation der Ergebnisse bestätigte sich einmal mehr, wie lebendig die libanesische Zivilgesellschaft ist und das jede/r an eine bessere Zukunft für das Land glaubt. Die unterschiedlichen Initiativen und Lösungsvorschläge waren beeindruckend, innovativ wie vielfältig: Von konkreten Hardwarelösungen, darunter tragbare Beatmungsgeräte, über Softwarelösungen, die Menschen mit Zugang zu 3D-Druckern im Libanon vernetzen, bis zu Apps, die Flüchtlingsgemeinden mit wichtigen Informationen zur Pandemie versorgen. Einige davon befinden sich schon in der Testphase, andere sind mittlerweile sogar bereits im Einsatz.

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Die letzten zwei Wochen haben einmal mehr eindrucksvoll gezeigt, was die Friedrich Naumann Stiftung als liberale Stiftung mit Freiheit meint. Freiheit zur Verantwortung anstatt Freiheit von Verantwortung. Freiheit ist nicht Egoismus, Freiheit ist Verantwortung. Und wenn der Hackathon nur einen kleinen Beitrag dazu geleistet hat, dass Beirut bald nicht mehr stillsteht, wäre das ein großer Gewinn für genau diese Freiheit.

 

Alle Ergebnisse des Hackathons finden Sie hier.

 

Kristof Kleemann ist Projektberater für Libanon & Syrien mit Sitz in Beirut.