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Nachruf
"Kinkel beschleunigte das Ende der RAF"

Ein Nachruf von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Klaus Kinkel und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 1994 in Gera.

Klaus Kinkel und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 1994 in Gera.

© dpa

Dieser Artikel erschien am Mittwoch, 05.03.2019 bei T-Online und ist auch hier zu finden. 

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kannte Klaus Kinkel gut. Für t-online.de erinnert sich die FDP-Politikerin an Kinkels Rolle bei der Deutschen Einheit und dem Umgang mit der RAF.

Im Alter von 82 Jahren ist Klaus Kinkel, ehemaliger FDP-Vorsitzender und mein Vorgänger im Amt des Bundesjustizministers, gestorben. Über einen Zeitraum von fast dreißig Jahren hat Klaus Kinkel die deutsche Politik geprägt: als Staatssekretär, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bundesjustizminister, Bundesminister des Auswärtigen und Vizekanzler.

Kinkels politische und gesamtgesellschaftliche Verdienste können dabei nicht genug gewürdigt werden. 1982 unter Bundesjustizminister Hans Arnold Engelhard in das Amt des Staatssekretärs berufen, hatte er bereits dort krankheitsbedingt viele Jahre die Geschäfte seines Ministers geführt. Ein Schwerpunkt seines politischen Wirkens war die staatsrechtliche Begleitung des Jahrhundertprojekts Deutsche Einheit.

Bis heute unübertroffener staatsrechtlicher Kraftakt

Der juristische Kraftakt, den die Wiedervereinigung mit sich brachte, wird heute oft unterschätzt: Es mussten nicht nur zwei politische Systeme, sondern auch zwei unterschiedliche Rechtssysteme vereinigt werden. Als überzeugtem Liberalen stand für Kinkel dabei immer fest, dass der Schutz der Grundrechte handlungsleitend sein sollte.

Mit der Anlage I des Einigungsvertrages wurden bestimmte Rechtsnormen der Bundesrepublik auf das Gebiet der ehemaligen DDR übertragen. Ausnahmen blieben bestehen, Sonderregelungen zu schwierigen Vermögensfragen geschaffen und besonders die verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Rehabilitierung der vom DDR-Regime Verfolgten auf den Weg gebracht. Dass dieser bis heute unübertroffene staatsrechtliche Kraftakt erfolgreich war, ist nicht zuletzt auf Kinkels Wirken zurückzuführen.

Mutiger Schritt im Umgang mit der RAF

Doch auch in seiner kurzen Amtszeit als Bundesjustizminister hat Klaus Kinkel die deutsche Politik und Gesellschaft geprägt. Er wagte einen mutigen Schritt im Umgang des Staates mit der RAF. Um die andauernde Gewaltspirale zu durchbrechen und zu versuchen, die beiden in ihren Interessen diametral gegenüberstehenden Akteure zu versöhnen, startete er eine der wichtigsten politischen Initiativen der Nachkriegszeit. So wurden letztendlich einige RAF-Inhaftierte, die der Gewalt entsagten, aus der Haft entlassen und weiteren Häftlingen eine Aussicht auf Resozialisierung ermöglicht. Kinkels umstrittener Schritt war erfolgreich und beschleunigte das Ende der RAF.

Als Klaus Kinkel 1992 ins Amt des Bundesministers des Auswärtigen berufen wurde, folgte ich ihm als Bundesjustizministerin nach. Er hatte zehn Jahre lang das Ministerium geprägt und ein großes Erbe hinterlassen. Ich habe Klaus Kinkel immer als Juristen aus Leidenschaft, der sein rechtliches Wirken dem Schutz der Grundrechte verschrieb, erlebt.

Er war ein geradliniger Politiker, auf dessen Wort ich mich stets verlassen konnte. Klaus Kinkel hielt immer Kurs und blieb seinen liberalen Grundüberzeugungen immer treu. Er ist ein Vorbild für kommende Generationen – in seiner Haltung, in seiner Offenheit und in seiner Geradlinigkeit.