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Slowakei
Liberale in der Slowakei werden stärker

Präsidentschaftswahlen in der Slowakei
Das Wahlplakat von Zuzana Caputova für die Präsidentsschaftswahlen 2019 Slowakei.

Das Wahlplakat von Zuzana Caputova für die Präsidentschaftswahlen 2019 Slowakei.

© picture alliance/chromorange

Die stellvertretende Vorsitzende der slowakischen liberalen Partei Progresivne Slovensko wird höchstwahrscheinlich das erste weibliche Staatsoberhaupt in der Geschichte des Landes werden. Ihr Erfolg ist eines von vielen Zeichen dafür, dass die Liberalen in der Slowakei wieder stärker werden.

Vor weniger als zwei Jahren hatte der slowakische Geschäftsmann Ivo Štefunko eine neue politische Partei gegründet, die Progresivne Slovensko (PS). "Noch so eine kleine Partei für intellektuelle Städter", war damals häufig zu hören. Doch weniger als ein Jahr nach dem Gründungskongress der PS haben die slowakischen Liberalen mehr Erfolge erzielt, als sie sich selbst hätten erträumen können.

Die PS liegt bei nationalen Umfragen nicht nur stabil bei rund 7,5 Prozent, sie ist neben den urbanen Zentren auch in den ländlichen Regionen der Slowakei überraschend stark. Darüber hinaus gelang es ihr bei den Kommunalwahlen 2018 sogar, in den größten Städten, Bratislava und Nitra, die Bürgermeister zu stellen. Und jetzt ist es sehr wahrscheinlich, dass ihre stellvertretende Vorsitzende, Zuzana Čaputová, das erste weibliche Staatsoberhaupt in der Geschichte des Landes wird.

Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen konnte Zuzana Čaputová 40.6 Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Damit liegt Čaputová weit vor dem von der Regierungspartei SMER unterstützten Kandidaten Maroš Šeflovič, der nur von 18.7 Prozent der Wähler unterstützt wurde.

Erfolg der Umweltaktivistin

Die Erfolgsgeschichte von Čaputová klingt fast wie ein Märchen. Noch vor wenigen Monaten war sie eine eher unbekannte Kandidatin, deren Zustimmungswerte bei ungefähr 10 Prozent lagen. Dank einer sehr gezielten Kampagne, harter Arbeit und unbestreitbarem persönlichen Charme gelang es ihr jedoch, in den Umfragen in die Höhe zu schießen und zu einer Favoritin für das Präsidentenamt zu avancieren.

Čaputová selbst bezeichnet sich als politische Aktivistin. Für ihre langjährige Arbeit in der NGO-Branche hatte sie den internationalen Goldman Umweltpreis gewonnen. Als Rechtsanwältin hat sie die Reform der slowakischen Justiz zu einem Hauptwahlkampfthema gemacht. Ihr Wahlspruch lautet "Gerechtigkeit für alle".

Als liberalen Kandidatin setzt sie sich für die Rechte sozial benachteiligter Gruppen, wie die Mitglieder der LGBT-Community, die ungarische Minderheit in der Slowakei und Senioren ein. Das Leitmotiv ihrer Kampagne ist die Vielfalt.

Als Verfechterin von LGBT-Rechten wurde Čaputová zur Zielscheibe der slowakischen katholischen Kirche. Der Erzbischof Ján Orosch kritisierte sie für ihre Meinung und rief die Öffentlichkeit indirekt dazu auf, nicht für Čaputová zu stimmen. Den Kandidaten der Regierungspartei SMER hingegen lobte er als Verteidiger „traditioneller Werte“. Dies ist jedoch wenig verwunderlich angesichts der engen Verbindung zwischen der slowakischen katholischen Kirche und der SMER, die seit jeher besteht.

Čaputová hat es auch geschafft, die Herzen der ungarischen Minderheit zu gewinnen, die 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Sie beherrscht die Sprache zwar nicht, ihr Team veröffentlicht aber auf ihrer offiziellen Facebook-Seite Nachrichten auf Ungarisch. Obwohl die Partei der ungarischen Minderheit Most-Hid einen eigenen Präsidentschaftskandidaten stellt, unterstützt die Mehrheit der in der Slowakei lebenden Ungarn Zuzana Čaputová. Das ist nicht nur bemerkenswert, sondern auch ein positives Vorzeichen, da es häufig die ungarische Minderheit ist, die bei Wahlen das Zünglein an der Waage spielt.

Facebook im Fokus

Generell kann man feststellen, dass die Kampagnen aller Präsidentschaftskandidaten modernen Trends folgen. Statt Zehntausende von Euro für Werbetafeln und Flyer zu zahlen, investieren die Kandidaten einen Großteil ihres Geldes in die sozialen Medien. Čaputová zahlte 37 Tausend Euro für die Werbetafel und 163 Tausend Euro für das Online-Marketing. Miloš Šeflovič ging noch weiter und gab 65 Prozent seines gesamten Budgets für seine Social-Media-Kampagne aus.

In den letzten Tagen haben Desinformationsangriffe auf Kandidaten zugenommen. Und wie wir bei vielen Wahlen in anderen Teilen der Welt beobachten konnten, ist der stärkste demokratische Kandidat häufig das Hauptziel dieser Fake-News-Kampagnen. So musste sich auch Čaputová einer breiten Palette von Anschuldigungen stellen, wie z.B. dass sie von George Soros oder von den Illuminati bezahlt werde, oder dass sie das Land für Hunderttausende muslimischer Flüchtlinge öffnen wolle.

Als Reaktion haben sich Čaputová und ihr Team entschieden, ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, um diesen gezielten falschen Informationen entgegenzuwirken: Sie veröffentlicht sie alle auf ihrer offiziellen Facebook Seite mit einem erläuternden Kommentar. Den Umfragen nach zu urteilen, scheint sich diese Strategie auszuzahlen.

Adéla Klečková ist Programmmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Mitteleuropa und die Baltischen Staaten.

Für Medienanfragen kontaktieren Sie unsere Expertin der Stiftung für die Freiheit:

Adéla Klečková
Adéla Klečková