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Sri Lanka
Marsch in die Autokratie?

Politischer Rückschlag für Sri Lankas Demokratie
Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena

Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena

© kremlin.cu

Sri Lankas schwelende politische Krise eskalierte am vergangenen Freitag. Die Partei des Staatspräsidenten Maithripala Sirisena, United People’s Freedom Alliance (UPFA), kündigte überraschend ihren Austritt aus der Regierungskoalition an. Das war der erste Streich in einem politischen Drama, das in den Augen vieler Beobachter einen schweren politischen Rückschlag für Sri Lankas Demokratie signalisiert.

Wenig später verkündete Sirisena die Entlassung von Ministerpräsident Ranil Wickremesinghe von der liberal-konservativen United National Party (UNP) und ernannte an dessen Stelle den früheren Präsidenten Mahinda Rajapaksa zum neuen Regierungschef.

Dass Sirisena seinen Koalitionspartner Wickremesinghe kaltzustellen versucht und dabei ausgerechnet Rajapaksa zum neuen Verbündeten deklariert, entbehrt nicht der Ironie. Es war maßgeblich die politische Unterstützung der UNP, die Sirisena 2015 überraschend ins höchste Staatsamt katapultierte.

Damals hieß der gemeinsame Gegner Mahinda Rajapaksa. Dieser hatte das Land mit eiserner Faust regiert und sich dabei schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Das Land von diesem unseligen Erbe, das tiefe Wunden gerissen hatte, zu befreien, war der erklärte Willen der Sieger der damals als „Regenbogenkoalition“ weltweit gefeierten Allianz.

Mahinda Rajapaksa Ehemaliger Premierminister von Sri Lanka
Mahinda Rajapaksa Ehemaliger Präsident von Sri Lanka © CC BY-SA 3.0/Alexander Nikiforov

Ranil Wickremesinghe hat klar gemacht, dass er den einseitigen Schritt des Präsidenten nicht akzeptieren werde: „Ich verfüge über die Mehrheit im Parlament“, sagte er und forderte den Präsidenten auf, die Volksvertretung zusammenzurufen. Die UNP kontrolliert nach aktuellen Angaben des Parlamentes über 106 Sitze, die Partei des Präsidenten 95.

Zu diesem Schritt ist der Präsident nicht bereit. Er ordnete kurzerhand die Aussetzung der parlamentarischen Arbeit bis zum 16. November an.

Aktuell sprechen nicht nur die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse für die UNP, sondern auch das sri lankische Grundgesetz: Laut einer Verfassungsänderung von 2015 hat der Präsident nicht länger die Macht, den Regierungschef zu entlassen; der verfassungsmäßig gebotene Weg wäre ein Misstrauensvotum einer Mehrheit der Abgeordneten.

Dass es um das Verhältnis zwischen Sirisena und Wickremesinghe nicht zum Besten bestellt ist, war seit längerem ein offenes Geheimnis. Einen ersten Tiefpunkt erreichte das Koalitionsklima im Februar, als die Partei des ehemaligen Präsidenten Rajapaksa bei den landesweiten Kommunalwahlen einen haushohen Sieg einfuhr. 

Viele Menschen in Sri Lanka sind vor allem mit der wirtschaftlichen Lage nicht zufrieden, klagen über hohe Preise und wenig Arbeit. Ihnen präsentiert sich der Ex-Präsident, der mit populistischen Parolen agiert und gerne auch nationalistische Töne bemüht, als Hoffnungsträger. Auch in Sri Lanka kommt diese Masche an.

Seit seinem Wahltriumph im Februar wird Rajapaksa nicht müde, Neuwahlen zu verlangen, ein Ansinnen, dass die Koalitionäre bislang konsequent zurückgewiesen haben.

Mit seinem Coup gegen die UNP und dem Pakt mit Rajapaksa versucht der Präsident, seine eigene politische Zukunft zu sichern. Dabei setzt er auf die Popularität des bei der singhalesischen Mehrheitsbevölkerung beliebten Ex-Präsidenten und hat dabei – ganz offenbar – keine Skrupel, den Geist und den Wortlaut der Verfassung zu verletzen.

Sri Lankas demokratische und liberale Zivilgesellschaft, die sich erst allmählich von den Drangsalierungen der Rajapaksa-Zeit erholt hat, ahnt nichts Gutes für die Zukunft. „Im Zuge des konstitutionellen Staatsstreichs tritt Sri Lanka in eine Phase, in der das Gesetz wieder und wieder verletzt werden wird“, heißt es in einem Kommentar des beliebten Online-Portals Groundviews. „Die Demokratie wird im Namen der nationalen Sicherheit geopfert werden. Unser Marsch von der Demokratie in die Autokratie hat begonnen.“

Politisches Erdbeben

Sri Lankas aktuelle Krise ist nur mit einem Blick in die Vergangenheit zu verstehen. Rajapaksa hatte das Land zwischen 2005 und 2015 regiert und war damals mit großer Härte gegen Andersdenkende vorgegangen. Das Ende des 26-jährigen Bürgerkrieges fällt in die Regierungszeit Rajapaksas: Während seine Anhänger ihn für die Lösung der nationalen Frage feiern, kritisieren Menschenrechtler das brutale Vorgehen des sri lankischen Militärs, bei dem nicht zuletzt Tausende Zivilisten, vor allem der tamilischen Volksgemeinschaft, ums Leben gekommen sind.

Angesichts der neuen Spannungen haben zahlreiche Regierungen ihre Reisehinweise für Sri Lanka aktualisiert. Die Botschafter der Europäischen Union ermahnten die Parteien, die Verfassung zu respektieren. Ähnlich der Appell des US Außenministeriums, das die Regierung Sri Lankas aufforderte, die Menschenrechte zu achten, am Reformkurs sowie der Versöhnungspolitik festzuhalten.

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Ganz anders die Reaktion der Volksrepublik China: Medienberichten zufolge erreichte Rajapaksa kurz nach seiner umstrittenen Vereidigung der Glückwunsch der Chinesen. Ganz überraschend ist dies nicht: Unter Rajapaksa hat China seinen Einfluss auf der strategisch gelegenen Insel ausgeweitet. Riesige Investitionsprojekte unter chinesischer Ägide zeugen vom Vordringen Pekings.

Mit seinem politischen Coup hat Sirisena die Urlaubsinsel in eine ungewisse Zukunft geführt. Das politische Erdbeben von Colombo hat Auswirkungen, die weit über die Küsten hinausreichen und auch die Interessen der Großmächte, nicht zuletzt des Nachbarn Indien, betreffen. Das Vordringen der Chinesen in ihren Hinterhof ist für die Inder ein Dorn im Auge. Es bleibt abzuwarten, wie sie mit der neuen Lage im Nachbarland umgehen werden.