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Widerstand
Mutiger Liberaler im Widerstand gegen Hitler

Eduard Hamm zum 80. Todestag
Bendlerblock

Bendlerblock - Gedenkstätte Deutscher Widerstand

© picture alliance / Schoening | Schoening

Die Opposition gegen das nationalsozialistische Regime war vielfältig und speiste sich aus sehr unterschiedlichen – politischen wie auch religiösen – Motiven. Ihnen gemeinsam waren Tatkraft und der Mut, dem Unrecht und der Unfreiheit entgegenzutreten. Auch wenn die Verbrechen am Ende nicht verhindert wurden, war der Widerstand breiter und umfänglicher, als es den Anschein hat. Er reichte von einzelnen Aufrechten wie Georg Elser bis zum großen Netzwerk des 20. Juli. Zum liberal motivierten Widerstand gehörten, um nur einige herauszugreifen, in Hamburg die Robinsohn-Strassmann-Gruppe, in Berlin der 1933 abgesetzte und im KZ Sachsenhausen ermordete Bürgermeister Fritz Elsas und in Bayern der etwa sechzig Mitglieder umfassende Kreis um den bayerischen Diplomaten Franz Sperr und die linksliberalen Minister Otto Geßler und Eduard Hamm.

Der 1879 in Passau geborene Eduard Hamm war Gegner der Nationalsozialisten von erster Stunde an. Schon Anfang der 20er Jahre, als nur wenige die wachsende NS-Bewegung als potentielle Gefahr wahrnahmen, war der Jurist und Spitzenbeamte in bayerischen Staatdiensten über die Gewalt und Ideologie Hitlers sowie die antisemitische Hetze des „Völkischen Beobachters“ so schockiert, dass er im bayerischen Kabinett das Verbot der Parteizeitung und ein Eingreifen gegen Hitler forderte. Kurz zuvor erst war 1920 der Kapp-Putsch gegen die Republik nur knapp gescheitert. Hamm erkannte das Treiben der Nationalsozialisten, so gering sie an Zahl anfangs auch schienen, als brandgefährlich für die frisch errungene Ordnung. Sein Ziel war, die Freiheit durch einen starken Staat und eine wehrhafte Demokratie gegen ihre Feinde zu sichern.

Der Linksliberale, seit 1920 Reichstagsabgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), war ein loyaler Anhänger der Republik und ihrer Verfassung, ein Herzensdemokrat. In Bayern managte er nach dem Ersten Weltkrieg als Minister für Handel, Gewerbe und Industrie erfolgreich den Übergang von der Kriegswirtschaft zur Marktwirtschaft. 1922 wechselte er in die Exekutive des Reiches und wurde Staatssekretär in der Reichskanzlei. Ein Jahr später, nach dem Ende der Kanzlerschaft Gustav Stresemanns, berief ihn dessen Nachfolger, Wilhelm Marx (Zentrum) zum Wirtschaftsminister der neuen Minderheitsregierung – einer teilweise von den Sozialdemokraten gestützten Koalitionsregierung aus den beiden liberalen Parteien, dem Zentrum und der regionalen Bayerischen Volkspartei.

Schon bald erwarb sich Hamm den Ruf eines „bajuwarischen Stresemann“, so der Historiker und Hamm-Biograf Wolfgang Hardtwig. Denn mit dem Außenminister und Altersgenossen Stresemann teilte Hamm nicht nur die politische Sozialisation im Kaiserreich, sondern auch ähnliche innen- und außenpolitische Überzeugungen: Beide waren gegenüber dem Versailler Vertrag kritisch, traten aber für eine Verständigungs- und Friedenspolitik mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs ein, beide plädierten für eine liberale demokratische Innenpolitik, und beide wollten die deutsche Wirtschaft mit einer gemäßigten Freihandelspolitik in die Weltwirtschaft zurückführen. Diese Gemeinsamkeiten waren durchaus bemerkenswert, bedenkt man die unterschiedliche Orientierung ihrer Parteien, der nationalliberalen Deutschen Volkspartei (DVP), deren Mitgründer Stresemann war, und der sozialliberalen DDP – und es deutet die Chancen an, die ein einiger, nicht in mehrere Parteien gespaltener Liberalismus in der Weimarer Republik hätte haben können.

Eduard Hamms staatspolitisches Modell zielte auf die Verbindung von nationaler Orientierung und republikanischer Verfassung, der selbstbestimmte Mensch sollte in einer übergeordneten Gemeinschaft, der Nation, eingebunden sein – aus seiner Sicht war dies eine angemessene Antwort auf die Erfahrungen von Klassengegensätzen, Kriegsniederlage und Revolution. In eine ähnliche Richtung wies auch Hamms wirtschaftsliberales Ordnungskonzept: Sein Modell einer von sozialer Verantwortung durchdrungenen privatwirtschaftlichen Struktur hatte deutliche Anklänge an die spätere soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik – gleichsam avant la lettre und noch bevor Ordoliberale diesen Begriff etablieren konnten. Diese in die Zukunft weisenden Konzepte konnten allerdings weder den Niedergang der Liberalen Ende der 1920er Jahre aufhalten, noch den Untergang der Weimarer Demokratie verhindern, denn die Interessendivergenzen auch im liberalen Wählerklientel ließen sich nicht mehr überbrücken. Im Sommer 1932 lehnten mittlerweile drei Viertel der Wählerinnen und Wähler die bestehende liberale Wirtschaftsordnung ab.

Auch nach dem Ausscheiden aus der Reichsregierung 1925 – das Abgeordnetenmandat hatte bereits im Jahr zuvor geendet – blieb Eduard Hamm in gewissem Sinn der politischen Arbeit verbunden; bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten verrat er als Geschäftsführer die Interessen des Deutschen Industrie- und Handelstags und repräsentierte auch in gleicher Funktion den deutschen Zweig der Internationalen Handelskammer bei den Gremien des Völkerbundes.

Klarsichtig sah er in den letzten Jahren der Republik das drohende Unheil, das der massive Einflussgewinn Hitlers bedeutete. Hamm hat das Umfeld des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg vor der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler gewarnt. Und er konnte und wollte auch nicht übersehen, welchen Anfeindungen sich befreundete jüdische Familien schon vor 1933 ausgesetzt sahen. Nach der Machtübernahme galt er dem NS-Regime daher als einer der „führenden Männer der Systemzeit“, und da er sich dem Eintritt sowohl in die Partei als auch zu anderen NS-Organisationen verweigerte – Opportunismus oder stille Anpassung war seine Sache nicht –, wurde er aus seinen Ämtern gedrängt. Als Rechtsanwalt in Wirtschaftsfragen versuchte er, in den nächsten Jahren das Leben zu sichern.

Aus der politischen Resistenz wurde schließlich aktiver Widerstand; er bildete den Kontakt zwischen dem bayerischen Widerstandskreis und anderen Gruppen, vor allem später zum Kreis des 20. Juli um Stauffenberg und Carl Goerdeler. In deren Neuordnungsplänen für die Zeit nach einem erfolgreichen Staatsstreich war Hamm für die Vertretung Bayerns vorgesehen. Als das Attentat gescheitert war, verhaftete die Gestapo wenige Wochen später auch die bayerische Gruppe. Hamm wurde ins Gefängnis nach Berlin verbracht. Während der Verhöre, am 23. September 1944, starb Hamm – wohl ein Freitod, um niemanden zu verraten und den Schergen des Regimes, Roland Freislers so genannten Volksgerichtshof, nicht das letzte Wort zu überlassen. Für die Überzeugung eines freiheitlichen Staates hat Eduard Hamm sein Leben gelassen; der mutige Demokrat und uneingeschränkte Republikaner steht für einen liberalen Verfassungspatriotismus, der auch noch zu denken gibt.