Korea
Nordkorea lässt Südkorea im Verbindungsbüro sitzen
Nordkorea hat sich aus dem im September 2018 eröffneten nord-südkoreanischen Verbindungsbüro in der Grenzregion Kaesong zurückgezogen. Der Schritt kam für die meisten völlig unerwartet. Mit dem gemeinsamen Büro waren viele Hoffnungen auf weitere Annäherung der beiden Teile Koreas verbunden: besseres Verständnis und langfristig eine engere wirtschaftliche Kooperation, Abrüstung und Frieden. Könnte der einseitige Abzug der Nordkoreaner der Auftakt einer neuen Eiszeit sein, die Rückkehr zu den erbitterten Anfeindungen der Vergangenheit? Nach der Euphorie des Jahres 2018 durch mehrere Treffen der beiden Staatschefs von Nord- und Südkorea ist die einseitige Schließung des Verbindungsbüros nun zumindest eine schmerzhafte Begegnung mit der Realität.
Dass der Norden die Begegnungsstätte in Kaesong verlassen hat, ist eine radikale Maßnahme. Allerdings kommt sie nicht aus heiterem Himmel. In den vergangenen Wochen hatten dort die Aktivitäten bereits spürbar nachgelassen, zunächst seit Jahresbeginn, ganz dramatisch aber nach dem gescheiterten Treffen von Nordkoreas Führer Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump in Hanoi. Bereits vergangenen Donnerstag und Freitag standen in nordkoreanischen Zeitungen kritische, gegen den Süden gerichtete Kommentare mit massiven Vorwürfen zu lesen, die man in dieser Form lange nicht mehr erhoben hatte.
Im Verbindungsbüro selbst ist nun erst einmal eine merkwürdige Situation entstanden. Nordkorea hat die Tür nicht völlig zugeschlagen sondern den Südkoreanern bedeutete, dass man es ihnen nicht übel nähme, wenn sie noch blieben. Aber was sollen sie dort? Das fragen sich auch die 25 südkoreanischen Mitarbeiter des Verbindungsbüros. Vorerst wollen sie noch bleiben. Man werde zunächst weiterhin wie gewohnt verfahren, sagte der zuständige südkoreanische Wiedervereinigungsminister heute in einer Pressekonferenz. Er spielte dabei auf einen festen, montäglichen Gesprächstermin im Büro an.
Der Abzug aller Nordkoreaner aus dem Verbindungsbüro fand am Freitagvormittag statt. Er erfolgte ohne wirkliche Begründung. Allerdings weist der Schritt darauf hin, dass der nordkoreanischen Führer Kim Jong-un verärgert ist. Der Abzug sei auf Veranlassung höherer Autoritäten erfolgt, verriet Südkoreas Wiedervereinigungsminister.
Südkorea tut nun das, was es seit der jüngsten Verbesserung der Beziehungen zu Nordkorea immer tat: guten Willen zeigen und versuchen, die Annäherungs-Gespräche voranzutreiben. Zumindest soll der Dialog aufrechterhalten werden. Für den Süden ist der einseitige Abzug des Nordens aus dem Verbindungsbüro eine schwere Enttäuschung. Beklemmend ist die Aussicht auf eine weitere Verschlechterung der Beziehungen oder gar auf einen Abbruch der Verbindungen. Daher betonte Südkoreas stellvertretender Wiedervereinigungsminister, der für das Verbindungsbüro zuständig ist, dass sein Land Interesse habe am Fortbestehen des kontinuierlichen Austausches mit dem Norden. Er hoffe auf eine baldige Rückkehr der nordkoreanischen Büromitarbeiter.
Viele Korea-Experten gehen davon aus, dass dieser Schritt Nordkoreas den Süden unter Druck setzen soll, noch stärker auf die USA einzuwirken. Die aus der Sicht des Nordens überzogenen Denuklearisierungsforderungen sollen aufhören. Nach Darstellung des Nordens hatten die USA in Hanoi eine vollständige Denuklearisierung gefordert. Im Gegenzug sei nur vage eine glänzende Wirtschafts-Entwicklung in Aussicht gestellt worden. Doch Nordkorea braucht möglichst schnell und umfassend Lockerung der Sanktionen. Sie setzen das Land unter enormen Druck. Der Norden nimmt dem Süden übel, dass dieser zwar angeblich die wirtschaftliche Zusammenarbeit so umfassend wie möglich ausbauen möchte, gleichzeitig aber die Sanktionen nicht umgehen will.
Der Abzug aus dem Verbindungsbüro zeigt, dass schlecht vorbereitete Gipfeltreffen zweier selbstbewusster Staatschefs keine Lösung eines 70 Jahre alten Konflikts bringen werden. Langwierige, kontinuierliche, zeitweise frustrierende Verhandlungen sind alternativlos. Donald Trump und Kim Jong-un glaubten, kraft ihres Amtes, ihrer Macht und ihrer Überzeugungskraft über den Gesetzen der Diplomatie zu stehen. Sie müssen sich nun eines Besseren belehren lassen. Die kommenden Jahre werden anstrengend.
Dr. Christian Taaks ist Leiter des Korea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul.