Eine Kolumne von Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué

Wirtschaft
Absteiger Deutschland?

Platz 24 von 67 im IMD Competitiveness Ranking 2024: Die Wettbewerbsfähigkeit der Nation nimmt weiter ab. Reformen sind dringend geboten.
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© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Absteiger Deutschland? Platz 24 von 67 im IMD Competitiveness Ranking 2024: Die Wettbewerbsfähigkeit der Nation nimmt weiter ab. Reformen sind dringend geboten.

Es kommt nicht überraschend: In der neuesten Rangliste der Standort-Wettbewerbsfähigkeit ist Deutschland weiter nach hinten gerutscht - auf Platz 24 von 67. Damit gehört unser Land nicht mehr der globalen Spitzengruppe, sondern allenfalls dem oberen Mittelfeld der nationalen Standorte in der Welt an. Im Jahr 2014 lag Deutschland noch auf Platz 6, ein beispielloser Niedergang - vor allem, wenn man ihn mit unseren direkten Nachbarn, der Schweiz und Dänemark vergleicht, die aktuell auf den Plätzen 2 und 3 rangieren - mit ganz ähnlicher industrieller Basis und wirtschaftlicher Struktur.

Woran liegt's? Natürlich nicht an den klassischen Stärken des Standorts Deutschland, die weiterhin vorhanden sind: gute Ausbildung der Beschäftigten und noch immer relativ - wenn auch abnehmend - die Verfügbarkeit von Fachkräften. Hinzu kommen der verlässliche gesetzliche Rahmen und eine stabile politische Struktur. Und selbst die Infrastruktur wird noch immer als recht ordentlich angesehen, auch wenn in dieser Hinsicht in den letzten Jahren besonders viel an Boden verloren ging, vor allem wegen des wachsenden Rückstands in der Digitalisierung und der zunehmend maroden Verkehrswege.

Ganz schlecht sieht es dagegen bei den gesetzlichen und mentalen Rahmenbedingungen aus: Die Produktionskosten gelten als nicht wettbewerbsfähig, ebenso wie das Steuersystem. Hinzu kommt ein politisches und gesellschaftliches Klima, das im globalen Vergleich nicht als unternehmerfreundlich wahrgenommen wird. Dahinter steht wahrscheinlich nicht zuletzt der Ruf Deutschlands als extrem bürokratischen Land sowie leider auch das Erscheinungsbild der Ampelkoalition, die bisher - trotz des Drucks der Freien Demokraten - noch keine Entschlossenheit gezeigt hat, die standortpolitischen Engpässe umfassend anzugehen.

All dies spricht mit zunehmender Dringlichkeit für einen radikalen Schnitt in der Wirtschaftspolitik: hin zu Strukturreformen für mehr Wachstum, weg von konsumtiven Ausgaben zu mehr Investitionen, und zwar ohne Steuerhöhung sowie unter Wahrung der finanzpolitischen Stabilität einschließlich der Schuldenbremse.

Tatsächlich erinnert die Lage an die Zeit Mitte der 2000er Jahre, als schließlich nach langen politischen Kämpfen die Agenda 2010 aufgelegt wurde und die Einführung der Schuldenbremse folgte. Damals ging es um den unerledigten Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit, heute geht es um die Weichenstellung für dynamisches Wachstum - trotz zunehmender Knappheit der Fachkräfte.

Auch damals war Deutschland im IMD Competetive Ranking tief abgerutscht, konnte sich dann aber im Gefolge der Reformen bis 2014 drastisch verbessern. Heute könnte das Potenzial zur wirtschaftlichen Erholung ähnlich groß sein, denn die Substanz des vielgerühmten deutschen industriellen Mittelstands ist unverändert da, aber zunehmend gefährdet.

Fazit: Es bedarf dringend einer Wirtschaftswende. Je früher, desto besser.

  • Das IMD World Competitiveness Ranking wurde vor 36 Jahren ins Leben gerufen. Es untersucht Volkswirtschaften darauf hin, wie sie ihre individuellen Kompetenzen optimieren, um eine langfristige Wertschöpfung für ihre Bevölkerung zu erreichen. Die im Juni veröffentlichte Ausgabe 2024 analysiert 67 Volkswirtschaften. Das IMD nutzt zur Erstellung der Rangliste zwei große Datenmengen. Zum einen analysiert es statistische Daten großer internationaler Organisationen wie der Weltbank, der OECD und dem IWF. Zum anderen wurden europaweit ca. 4000 Manager nach ihrer Einschätzung befragt.