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Internationales
Oberste Priorität für transatlantische Partnerschaft

Liberale treffen sich in Washington zum ersten Transatlantischen Freiheitsforum
Die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft - ein wichtiges Thema für Europäer und Amerikaner gleichermaßen.

Die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft - ein wichtiges Thema für Europäer und Amerikaner gleichermaßen.

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

In Zeiten der Ungewissheit über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen ist es wichtiger denn je miteinander zu reden. In Washington, DC kamen Amerikaner und Europäer anlässlich des ersten Transatlantischen Freiheitsforums zusammen, um genau dies zu tun. Den Auftakt für dieses neue Dialogformat machte der Bundesvorsitzende der Freien Demokraten und Kuratoriumsmitglied der Friedich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Christian Lindner MdB. Drei Eckpfeiler der liberalen Außenpolitik seien von zentraler Bedeutung, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.

Europa, Multilateralismus, transatlantische Freundschaft

„Wir Freien Demokraten sind klare Verfechter der europäischen Idee und der Europäischen Union.“ Sowohl im Westen mit Donald Trump als auch im Osten mit Wladimir Putin gäbe es Kräfte, die versuchen, die EU zu spalten. „Es ist die Verantwortung unserer Generation, das zu schützen, was andere über die letzten Dekaden in Europa aufgebaut haben.“ Spaltungsversuche aus Ost und West sowie klima-, handels- und sicherheitspolitische Herausforderungen könne man nur mit einer stärkeren europäischen Geschlossenheit entgegentreten. „Wir wollen ein Europa, das mit einer Stimme spricht, damit wir unsere europäischen Interessen gemeinsam auf den Tisch legen können.“

Neben europäischer Geschlossenheit wirbt Lindner für eine rechtsstaatliche internationale Ordnung und starke multilaterale Institutionen. Das Gesetz des Stärkeren würde nicht zu Wohlstand, Freiheit und Frieden führen, sondern in Konflikten enden. „Der internationale Handel ist kein Nullsummenspiel. Wir profitieren alle vom Freihandel.“ Ziel sei es, Europa wieder „großartig“ zu machen, um auf Augenhöhe an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

‚Last but not least‘ hat die transatlantische Partnerschaft oberste Priorität. „Wir können nicht zulassen, dass schwierige Zeiten das zerstören, was über Jahre hinweg zwischen den USA und Europa aufgebaut wurde.“ Lindner erinnert daran, dass amerikanische Soldaten vor genau siebzig Jahren ihr Leben riskiert haben, um West-Berlin aus der Luft zu versorgen. Vor siebzig Jahren trat auch der Marshallplan in Kraft, der den Beginn einer erfolgreichen transatlantischen Partnerschaft, basierend auf Frieden, politischer Stabilität und wirtschaftlichem Wohlstand markiert. Dieses starke Fundament könne so leicht nicht zerstört werden.

„In Zeiten wie diesen spüren wir die Dringlichkeit, unsere Positionen und Prioritäten vehement zu verteidigen.“ Dabei dürfe man sich von emotionalen Schlagzeilen, schnelllebigen Twitter-Attacken und einem Präsidenten, der fast im Minutentakt seine Richtung ändert, nicht aus der Bahn werfen lassen. „Wir müssen uns auf unsere zentralen Werte zurückbesinnen, uns gegenseitig zuhören und Probleme offen ansprechen.“

Europäische Antwort auf Trump

Gleich zu Beginn der darauffolgenden Podiumsdiskussion stellt Jacob Heilbrunn vom National Interest fest, dass die derzeitige transatlantische Krise von einem anderen Ausmaß ist als vorherige. „Wir haben in der Vergangenheit schon einige Krisen überwunden. Aber noch nie zuvor wurde die transatlantische Allianz generell infrage gestellt.“ Nach den jüngsten Ereignissen in Brüssel, London und Helsinki warf Heilbrunn deshalb die Frage auf, ob Präsident Trump absichtlich versuche die post-1945 Weltordnung zu zerstören.

„Ich bin mir nicht sicher, ob Trump eine gezielte Strategie hinsichtlich der internationalen Ordnung verfolgt oder, ob sein Handeln von Ad-hoc-Entscheidungen bestimmt ist“,  reagiert der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag Alexander Graf Lambsdorff MdB. So oder so sei es jetzt von zentraler Bedeutung für eine auf festen Regeln beruhende internationale Ordnung einzustehen. „In der Geschichte Europas gab es noch nie so lange Frieden und so großen Wohlstand wie heute.“ Das Erfolgsrezept der EU sei eben diese rechtsstaatliche internationale Ordnung. „Wir müssen jetzt genau zwei Dinge verfolgen,“ führt Graf Lambsdorff weiter aus. „Wir müssen weiter miteinander reden. Und wenn das Weiße Haus nicht mit uns reden möchte, dann müssen wir mit dem Rest von Washington, DC und dem Rest des Landes reden. Dabei müssen wir ganz deutlich signalisieren, dass es im amerikanischen Interesse ist, an einer rechtsstaatlichen internationalen Ordnung festzuhalten.“ Neben dem europäisch-amerikanischen Dialog setzt Graf Lambsdorff auf die Bildung von Allianzen der Länder, die Interesse an einer solchen Ordnung haben. „Wir müssen Allianzen schmieden - beispielsweise mit Australien, Japan, Kanada, Israel oder Brasilien - um diese Ordnungsvorstellung gemeinsam zu verteidigen.“ Mit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Japan hätten die Europäer bereits ein klares Signal gesendet.

Auch der europapolitische Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag Michael Link MdB hat klare Vorstellungen, was jetzt zu tun ist: „Ich möchte eines ganz deutlich machen. Wir Freien Demokraten werden nicht in Antiamerikanismus verfallen. Im Gegenteil: Wir müssen unsere Präsenz verstärken, auch wenn das bedeutet, dass wir statt dem Weißen Haus andere Akteure in den Blick nehmen müssen: Kongress, Gouverneure und deren Stellvertreter, Wirtschaft, Zivilgesellschaft.“

Link macht deutlich: „Es ist unsere Verantwortung dafür zu sorgen, dass das transatlantische Band nicht abreißt.“

Auch unter den amerikanischen Podiumsgästen herrscht eine gewisse Ratlosigkeit bezüglich Trumps Strategie. Mark Pfeifle, der ehemalige stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von Präsident George W. Bush hat immer noch Probleme damit, den Präsidenten und seine Strategie zu verstehen. „Ich kann keine klare Strategie erkennen. Vielmehr sehe ich einen immer wiederkehrenden Prozess, der gezeichnet ist von Zerstörung und Kämpfen.“ Für die außenpolitische Community in Washington, DC sei das eine enorme Herausforderung. Eigentlich sollten sie ihre Zeit darin investieren, zu verstehen, wie Russland operiert. Stattdessen versuchen sie Tag ein Tag aus dahinter zu kommen, wie Trump seine Schachzüge plant. Der Republikaner Robert Cresanti von der International Franchise Association stimmt Pfeifle zu: „Trump ist ein Zerstörer. Seine Strategie - wenn er denn eine hat - kennt einzig und allein er selbst.“ Seine chaotische Personalpolitik, ein Kongress, der gezeichnet ist von Feindlichkeiten, Aggressionen und Emotionen und eine Presselandschaft, die ihren eigenen Schwanz jagt, würden für Unsicherheit und Angst über die zukünftige Richtung des Landes sorgen.

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Nicht alles, was aus Trumps Mund kommt, ist falsch

Karen Donfried vom German Marshall Fund schließt sich der Runde an. Auch sie ist sich nicht sicher, ob Präsident Trump eine klare Strategie verfolgt. „Was wir aber wissen ist, dass Trump transaktional handelt. Er unterscheidet nicht zwischen Alliierten und Feinden. Für ihn ist nur wichtig, dass er einen guten Deal für Amerika aushandelt.“ Die Folgen von Trumps Handeln seien enorm und hätten gewaltige Auswirkungen auf das Bündnis, das die USA und Europa nach 1945 aufgebaut haben. Auch Donfried stellt fest, dass sich die aktuelle transatlantische Krise von früheren unterscheidet. „Es geht hier nicht um ein konkretes politisches Vorhaben, über das wir uns uneinig sind. Vielmehr werden grundlegende Konzepte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die freie Marktwirtschaft infrage gestellt.“ Doch so zerstörerisch Trump auch sein mag, „Nicht alles, was aus seinem Mund kommt, ist falsch“, warnt Donfried. In diesem Zusammenhang kommt sie auf das „burden-sharing“ innerhalb der NATO zu sprechen. „Deutschland sollte seine Verteidigungsausgaben nicht erhöhen, weil Trump es so fordert, sondern weil es in Deutschlands eigenem Interesse sein sollte.“ Graf Lambsdorff fügt dem hinzu: „Das Zwei-Prozent-Ziel ist keine fixe Idee von Trump. Darüber wird schon lange diskutiert. Und wir Freien Demokraten gehen sogar ein Stück weiter.“ Statt die Diskussion nur auf Militärausgaben zu beschränken, setzt er sich vehement für einen umfassenderen Ansatz ein. „Außenpolitik, Entwicklung und Verteidigung müssen Hand in Hand gehen und vernetzt gedacht werden.“ Deshalb sollte Deutschland drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verantwortlichkeiten auf internationaler Ebene ausgegeben.

Trump als Chance für Europa

Auf ihren Reisen nach Europa hat Karen Donfried beobachtet, dass es unterschiedliche Antworten auf den Umgang mit der Trump-Administration gibt. Während man in Westeuropa über die Ausübung „strategischer Geduld" diskutiere, sei die Debatte in Osteuropa von der ideologischen Affinität zu Trump beeinflusst. „Europa ist gespalten“, hält Donfried fest. Nicht nur, wenn es um den Umgang mit Trump geht, sondern auch gesellschaftlich. Diese innereuropäische Spaltung versuche Trump weiter auszubauen, warnt Christian Lindner. Dennoch zeigt er sich optimistisch. „Ich bin optimistisch, dass Trump nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance für Europa ist. Vielleicht nicht für alle 28 Mitgliedsstaaten gleichermaßen. Aber für diejenigen, die gewillt sind, unsere Probleme gemeinsam zu lösen.“ Dazu zählt er u. a. Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Spanien. Darüber hinaus müsse Europa mutige Entscheidungen treffen. Beispielsweise hinsichtlich der Etablierung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik und einer europäischen Armee. Auch die Wahlerfolge von Emmanuel Macron in Frankreich und Mark Rutte in den Niederlanden sowie das Comeback der FDP und der niederländischen D66 stimmen Lindner optimistisch. „Das sind sehr positive Signale für Europa und echte Chancen für das Erstarken liberaler Kräfte.“

Mehr Kooperation nach Helsinki

Auch Michael Link fordert mehr europäische Geschlossenheit: „Wir müssen realistisch sein und als Europäische Union gemeinsam handeln.“ Nach dem Treffen zwischen Trump und Putin in Helsinki gäbe es Aussicht auf eine stärkere Kooperation. Das Treffen wurde besonders aufmerksam von den osteuropäischen EU- und NATO-Mitgliedstaaten verfolgt. Polen sieht in Trump eigentlich einen engen Verbündeten. In Helsinki ging aber genau dieser Verbündete mit Polens größter Bedrohung auf Kuschelkurs. „Für die baltischen Staaten war das Treffen ein Albtraum.“ Nach Helsinki bestehe nun das Potenzial, dass sich Polen für mehr Kooperation mit der EU offen zeigt. Dem stimmt auch Graf Lambsdorff zu: „Für Osteuropa ist eine engere Kooperation mit der EU nach dem Gipfeltreffen in Helsinki etwas interessanter geworden.“ Im Bezug auf Russland stellt Link klar, dass die FDP hinter den Russland-Sanktionen der EU steht. Gleichzeitig müsse der Dialog zu Russland unbedingt weitergeführt werden. „Wir müssen weiter mit Russland reden, aber für unsere Prinzipien wie die souveräne Gleichheit der Staaten, Demokratie und die Achtung der Menschenrechte einstehen.“

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Wie kann es nun weitergehen?

Nach der lebhaften Debatte zwischen den Referenten und den geladenen Gästen ergriff der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung für die Freiheit Karl-Heinz Paqué das Wort. Er erinnert daran, dass Präsident Trump nicht einfach so vom Himmel gefallen ist. Vielmehr sei Trump Teil eines größeren Phänomens: Der Aufstieg des Populismus. Und auch der Populismus sei nicht einfach so vom Himmel gefallen. „Die Wurzeln des Populismus liegen in der Spaltung unserer Gesellschaft.“ Diese Spaltung sei nicht nur wirtschaftlicher, sondern vor allem kulturelle Natur.

Aus der Sicht von Paqué gibt es drei Leitlinien, die nun zu beachten sind. In der Sprache der sportlichen Aufmunterung lauten sie: Stay cool! Take Trump seriously! Think long-term!