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Wohnen
Populismus schafft keinen Wohnraum

Die Debatte über das Berliner Volksbegehren hat bundesweite Bedeutung erlangt
Wohnungsnot

In Berlin demonstrieren viele Menschen gegen den Mietenwahnsinn.

© Wolfram Steinberg/dpa

Vergangenes Wochenende fanden deutschlandweit Demonstrationen gegen den „Mietenwahnsinn“ statt. Allein in Berlin gingen zehntausende Menschen auf die Straße um gegen steigende Mieten zu demonstrieren. Gleichzeitig startete am Samstag das Berliner Volksbegehren zur Enteignung privater Wohnungsunternehmen. Ziel der Initiative ist die Vergesellschaftung privater Wohnungsgesellschaften mit einem Besitz von mehr als 3.000 Wohnungen. 

Die Debatte über das Berliner Volksbegehren hat längst bundesweite Bedeutung erlangt. Auch Bundespolitikerinnen und -politiker von Grünen, Linken und SPD unterstützen den Ruf nach Enteignungen. So können sich Robert Habeck, Katja Kipping und Ralf Stegner die Vergesellschaftung privater Wohnungsunternehmen durchaus vorstellen. Und das ist wirklich beachtlich: Im Mutterland der Sozialen Marktwirtschaft glauben führende Politiker, dass man Probleme mit Enteignungen und dem Verzicht auf Privateigentum und Privatinitiative lösen kann. 

Was soll das?

Die Befürworter von Enteignungen von Wohnungsbeständen glauben, dass nach einer Vergesellschaftung Mieten weniger schnell steigen. Dabei ist doch klar: Die Mieten steigen in den Metropolregionen Deutschlands hauptsächlich deshalb so schnell, weil es zu wenige Wohnungen gibt. Laut einer Studie der Prognos AG wurden aufgrund der schwachen Neubautätigkeit allein im Zeitraum zwischen 2009 und 2016 rund eine Million Wohnungen zu wenig gebaut. Auch die aktuellen Baufertigstellungen liegen deutlich hinter dem tatsächlichen Bedarf von 400.000 Wohnungen pro Jahr zurück. Und das wird sich nach Enteignungen nicht ändern. Enteignungen schaffen keine einzige neue Wohnung. 

Wer seriös Politik macht, muss also zunächst alles dafür tun, das Wohnungsangebot in unseren Städten zu erhöhen. Wohnungspolitik kann ohne Linkspopulismus auskommen:

  1. Die restriktive Ausweisung von Bauland muss ein Ende haben, damit die Bodenpreise nicht noch weiter steigen.
  2. Die Zahl der Bauvorschriften muss reduziert und die geltenden Landesbauordnungen angeglichen werden, damit Bauen wieder günstiger wird.
  3. Dachgeschossausbau, Aufstockungen sowie Nachverdichtungen im Allgemeinen müssen erleichtert werden, damit vorhandene Lücken genutzt werden können.
  4. Investitionsanreize müssen verbessert werden, so dass es sich wieder lohnt in den Wohnungsbau zu investieren.

Neben diesen „Sofort-Maßnahmen“ zur Erhöhung des Wohnungsangebots müssen auch andere Baustellen angegangen werden, die direkt mit steigenden Miet- und Kaufpreisen in den Städten zusammenhängen. Die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB muss ein Ende haben, denn sie führt zu einer weiteren Erhöhung der Immobiliennachfrage. Die Erwerbsnebenkosten müssen gesenkt werden, zum Beispiel über einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer, denn die Immobilieneigentumsquote ist in Deutschland so niedrig wie nirgendwo sonst in Europa. Und das obwohl sich viele Bürger Wohneigentum wünschen. Weiterhin muss die Attraktivität des Umlands gesteigert werden, ob bei Erreichbarkeit und Mobilität, bei Digitalisierung oder Versorgung, denn nur so kann die steigende Nachfrage in den Städten eingedämmt werden.

Kann man in Deutschland einfach so enteignet werden?

Zum Glück nicht. Die Befürworter solcher Vergesellschaftungen berufen sich auf Artikel 15 des Grundgesetzes. Dieser Artikel wurde seit Bestehen der Bundesrepublik noch nie angewendet und überhaupt ist seine Anwendung auf Wohnungen unter Juristinnen und Juristen hoch umstritten. Es lässt sich nicht vorhersagen, welche Entscheidung das Verfassungsgericht im Falle des Falles treffen würde. Sicher ist: die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen würde jahrzehntelange Rechtsstreits nach sich ziehen.

Doch um den Populismus hinter den Rufen nach Enteignungen zu entlarven, sollte man sich bewusstmachen, welche Folgen die Vergesellschaftung privater Wohnungsunternehmen in Berlin wirklich hätte.

  1. Die enteigneten Unternehmen würden ihre Wohnungen selbstverständlich nicht einfach verlieren, sondern werden entschädigt. Laut Kostenschätzung der Berliner Senatsverwaltung liegen diese Entschädigungszahlungen zwischen 28,8 und 36,6 Milliarden Euro. Geht man von Baukosten in Höhe von etwa 200.000 Euro pro Wohnung aus, so könnten von diesem Geld zwischen 144.000 und 180.000 neue Wohnungen finanziert werden - Wohnungen, die Berlin dringend benötigt.
  2. Die Vergesellschaftungspläne betreffen insgesamt zehn private Wohnungsunternehmen in Berlin. Die Enteignungsaktivisten haben es dabei insbesondere auf die Deutsche Wohnen AG abgesehen. Doch auch soziale Unternehmen bleiben hiervon nicht verschont: selbst die Hilfswerk-Siedlung (HWS) der Evangelischen Kirche wäre von den Plänen betroffen – ein Unternehmen, dass mit dem Ziel gegründet wurde, die Wohnungsnot in Berlin zu lindern.
  3. Selbst die Berliner Bausenatorin Katrin Lompscher wird eingestehen, dass sich der Wohnungsmangel in den Ballungsräumen ohne private Investitionen nicht lösen lässt. Doch nichts könnte private Investoren mehr abschrecken, als die Enteignung von etwa 200.000 Wohneinheiten in Berlin.