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Dangarembga-Prozess
Simbabwe im Zweifel gegen die Freiheit

Dangarembga

Tsitsi Dangarembga erscheint vor dem Amtsgericht von Harare in Harare

© picture alliance / EPA | AARON UFUMELI

Von Anfang an war klar, dass Tsitsi Dangarembga einem Schauprozess ausgeliefert sein würde. Während einer Europareise der Friedenspreisträgerin im Juni dieses Jahres erließ die Richterin einen Haftbefehl gegen sie. Doch statt in Deutschland bei ihren dort lebenden Kindern zu bleiben, kehrte Tsitsi Dangarembga unterstützt von ihrem Mann in ihr Heimatland Simbabwe zurück, um sich dem Verfahren persönlich zu stellen.

Mehrfach wurden sie und ihre Mitstreiterin Julie Barnes vorgeladen – nur um festzustellen, dass der Staatsanwalt nicht aufzufinden oder die Richterin im Urlaub war. Zeugen der Anklage verzettelten sich im Kreuzverhör und mussten dabei eingestehen, dass Beweise manipuliert wurden. Auf diese Weise demonstriert das Verfahren gegen Dangarembga ge­nau jene Vorwürfe, die sie in ihrem engagierten Protest gegen das Regime richtet: Die Institutionen sind eine Farce. Gelegentlich wird der Anschein eines rechtsstaatlichen Verfahrens erweckt, wenn nach britischem Vorbild Richter, Staatsanwalt und Angeklagte in einem Raum sitzen. Das war es dann aber auch.

Verfechterin eines aufgeklärten Afrikas

Ja, Tsitsi Dangarembga hätte sich in Sicherheit bringen können. Simbabwe zu verlassen, kam für sie jedoch nicht in Frage. Mein Eindruck nach einem langen und bewegenden Gespräch in Harare mit ihr ist: Selten hat eine Verfechterin eines aufgeklärten Afrikas mit mehr Leidenschaft für die Sache gekämpft. Und ist dabei so hartnäckig und unerschrocken. Ihre künstlerische und intellektuelle Verbundenheit mit dem Heimatland Simbabwe zeigt sich nicht nur in ihrem Werk. In ihrem Roman „Aufbrechen“, der teilweise biographische Bezüge aufweist, zeigt Dangarembga die traditionelle Rolle von Frauen in Simbabwe. Kaum Zugang zu Bildung oder Arbeit, keine Selbstbestimmung in der Lebensführung – was bedeutet es, aus solchen Strukturen auszubrechen? Tumbudzai Sigauke, die Protagonistin in „Aufbrechen“, erlebt Gewalt, Unterdrückung und familiäre Entfremdung. Im heutigen Simbabwe geht es auch wieder um zerschlagene Hoffnungen.

Der Prozess, so entsteht der Eindruck, soll ein Exempel statuieren, um Regierungskritiker von „staatsfeindlichen“ Ak­tivitäten ähnlich jenen Dangarembgas abzuhalten. Der Vorwurf gegen Tsitsi Dangarembga ist absurd. Sie hat nur ein Plakat mit dem allgemeinen Aufruf zu Reformen in Simbabwe getragen. Ein Plakat für ein besseres Simbabwe ist eine freie Meinungsäußerung, die auch von der simbabwischen Verfassung und der afrikanischen Human Rights Convention gedeckt ist. In keinem Rechtsstaat der Welt hätte es deswegen einen Strafprozess gegeben. Eine Verurteilung wäre bizarr. Zudem wird das Verfahren in Harare vor dem Anti-Korruptions-Gericht geführt. Dieses ist direkt dem Präsidenten von Simbabwe unterstellt. Da soll noch einer von Unabhängigkeit der Justiz sprechen.

Anlass zum Protest in Simbabwe gibt es reichlich

Viele Menschen inner- und außerhalb Simbabwes sehen die Schriftstellerin, Filmemacherin und Friedenspreisträgerin als Fackelträgerin des jahrzehntelangen Kampfes gegen Unterdrückung und Korruption. Seit 2020 klagt sie auf friedliche und dabei breitenwirksame Weise nicht nur den Zerfall der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ordnung an, sondern liefert Ideen für institutionelle Reformen und die Stärkung der Meinungsfreiheit.

Anlass zum Protestieren gibt es reichlich, da die simbabwische Wirtschaftslage seit Jahren desolat, der Staat korrupt und die Armut groß ist. Der ehemalige Präsident Robert Mugabe galt nach dem Zerfall des Smith-Regimes 1979 für einige Jahre als Hoffnungsträger der Demokratisierung und ließ sich als antikolonialer Freiheitsheld feiern. Doch er beutete zum eigenen Machterhalt sein Land aus, massakrierte Tausende und höhlte die noch junge Verfassungsordnung Simbabwes aus. Groß angelegte Enteignungen privater Landflächen führten zum Absturz der einstigen Kornkammer Afrikas. Nach Mugabes Tod 2019 leidet das Land unter dessen Nachfolger Emmerson Mnangagwa weiter unter Hyperinflation, Armut und Klientelpolitik.

Das Regime fühlt sich herausgefordert

Dangarembgas Kernbotschaft „Ein besseres und gerechteres Simbabwe für alle“ ist kein Aufruf zur Revolution. Jedoch scheint sich das simbabwische Regime dadurch schwer herausgefordert zu fühlen. Zwei Jahre und 29 ermüdende Prozesstage später steht fest: Die Demonstration von 2020 wurde ihr nicht nur übelgenommen, sondern die Staatsanwaltschaft wirft ihr Agitation für Gewalt, Friedensbruch und darüber hinaus „Bigotterie“ vor. Obwohl es keine Beweise gibt, zielt der Antikorruptionsgerichtshof allem Anschein nach auf eine Haftstrafe.

Das Regime in Harare zeigt sich un­beeindruckt von der internationalen Em­pörung über diesen Prozess und seinen Ablauf. Dangarembga ist Mnangagwa ein Dorn im Auge, weil sie nicht nur Simbabwes berühmteste Schriftstellerin ist, sondern eine laute Stimme im Kampf für Demokratie und Frieden, Freiheit und Menschenrechte. Sie steht stellvertretend für all die Verfolgten und Angeklagten, für die Unterdrückten und Inhaftierten, und einmal mehr sitzt auch die Freiheit in Simbabwe auf der Anklagebank.

Zwei Jahre lang wurden Hoffnungen auf einen Freispruch von den wechselnden Richterinnen und Richtern immer wieder zerschlagen, zuletzt am 4. August, als der Antrag auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt wurde. Die zunehmende Dauer des Prozesses und die Zer­mürbungstaktik des „Antikorruptionsgerichtshofs“ mögen zwar Spuren hinterlassen, aber Tsitsi Dangarembga bleibt unbeugsam. Am 29. September wird sie wieder in Harare im Gerichtssaal erscheinen.

Dieser Artikel erschien erstmals am 29. August 2022 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Hier können Sie den Beitrag lesen.