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Ägypten
Ägypten: Für die Stiftung endet eine Ära im Land am Nil

FNF-Regionaldirektor MENA Herr Jörg Dehnert und Herr Hani Abdel-Malak im Jahr 2024

FNF-Regionaldirektor MENA Herr Jörg Dehnert und Herr Hani Abdel-Malak im Jahr 2024.

© FNF

Für die Stiftung markiert der 31. Dezember 2024 das Ende einer Ära, sowohl institutionell als auch persönlich!

Zum einen schließt das Büro der Stiftung in Kairo nach fast 50 Jahren. Zum anderen verabschiedet sich die Stiftung von ihrem Programmleiter, Herrn Hani Abdel-Malak, der nach über 37 Jahren Stiftungszugehörigkeit in den Ruhestand geht. Herr Abdel-Malak hat während dieser 37 Jahre persönlich fast 80 % der Stiftungshistorie in Ägypten miterlebt und mitgestaltet.

Wir nehmen den bevorstehenden Ruhestand zum Anlass, ein Weihnachtsinterview mit unserem geschätzten und angesehenen Kollegen zu führen.

Das Interview wurde von Ralf Erbel, dem Referatsleiter für Subsahara-Afrika, Nordafrika und den Nahen Osten, geführt.

Ralf Erbel: Lieber Kollege, vor über 37 Jahren, am 15. August 1987, haben Sie als Assistent Ihren Dienst bei der Stiftung in Kairo aufgenommen. Am morgigen 31. Dezember 2024 beenden Sie ihre Laufbahn als Programmleiter und treten in den Ruhestand. Respekt! Damit sind Sie der dienstälteste Mitarbeiter der Stiftung weltweit!

Als Sie zur Stiftung kamen, war Ägypten, war die Welt eine andere als heute: Die Berliner Mauer stand noch, Deutschland und Europa waren in Ost und West geteilt, und in Ägypten regierte Präsident Hosni Mubarak, der erst wenige Jahre zuvor an die Macht gekommen war, ein Land mit der Hälfte der heutigen Bevölkerung Ägyptens.

Lieber Kollege, obwohl Sie so lange bei uns sind, wissen nur wenige von uns etwas über Ihre frühen Tage bei der Stiftung. Wie kamen Sie zur Friedrich-Naumann-Stiftung?

Hani Abdel-Malak: Ich wurde 1960 in Kairo als Sohn einer urbanen Mittelschichts-Familie geboren. Meine Mutter war Hausfrau, und mein Vater, ein Universitätsabsolvent mit einem Abschluss in Geschichte, arbeitete im Bildungswesen und als Trainer. Rückblickend stelle ich fest, dass ich in gewisser Weise tatsächlich ein Stück weit in die Fußstapfen meines Vaters getreten bin, indem auch ich im Bereich Training und Bildung tätig wurde.

Ich lernte die Friedrich-Naumann-Stiftung während meines Studiums (1979–1983) an der Universität Kairo kennen, wo ich ein Studium an der Fakultät für Massenkommunikation absolvierte. Diese Fakultät war damals Ägyptens führende Institution für Journalismus- und Medienausbildung und die wichtigste Partnerinstitution der Stiftung in Ägypten.

Besonders beliebt waren damals die von der Stiftung angebotenen Studienreisen ins Ausland, deren primäre Zielgruppe Studenten mit Studienschwerpunkt „TV- und Radiojournalismus“ war. Diese Studienreisen boten den Studentinnen und Studenten die einmalige Möglichkeit, globale Entwicklungen und Krisen aus erster Hand, also vor Ort, kennenzulernen. Für meine Generation war dies eine enorme Chance, da die meisten von uns in jungen Jahren noch nie im Ausland gewesen waren.

Ich war so fasziniert von der Aussicht, an einer dieser internationalen Reisen teilzunehmen, dass ich mich tatsächlich auch aus diesem Grund für den Studienschwerpunkt „Radio und TV“ entschied.

Das nenne ich Engagement! Ich bin neugierig: In welches Land führte Sie das internationale Studienreiseprogramm?

Sie werden lachen: Als mein Jahrgang dran gewesen wäre, um sich auf die Studienreise ins Ausland zu bewerben, hatte die Stiftung dieses offenbar zu kostspielige Programm bereits eingestellt.

Statt mit der Stiftung andere arabische oder afrikanische Länder zu besuchen, ging es für meinen Studienjahrgang nach Ismailia am Suezkanal und zur Oase Fayyum, beides Orte nur wenige Autostunden von Kairo entfernt.

Nach meinem Abschluss arbeitete ich vier Jahre im Privatsektor, unter anderem für die Sheraton-Hotelkette, bis ich 1987 in Ägyptens großer Tageszeitung „Al-Ahram“ eine Stellenanzeige der Stiftung sah und mich bewarb.

Die Stiftung suchte einen Assistenten für das besagte Journalistenförderprogramm. Kenntnisse im Hotel- und Eventmanagement galten als Vorteil. Unter etwa 50 Bewerbern erhielt ich die Stelle und wurde mit einem befristeten Zweijahresvertrag eingestellt. Ich ging das Risiko ein und kündigte meine unbefristete Stelle bei Sheraton. Das Risiko hat sich ausgezahlt; aus zwei Jahren wurden 37.

Wie viele Direktoren haben Sie in diesen Jahrzehnten in Kairo kommen und gehen sehen?

Ich habe gezählt: Es waren acht, angefangen bei Georg-Heinrich von Eichborn, der mich 1987 eingestellt hat, bis zu Jörg Dehnert, dem heutigen Regionaldirektor für MENA in Amman. So unterschiedlich meine Vorgesetzten auch waren, mit ihren verschiedenen Persönlichkeiten und Stärken konnte ich von jedem etwas lernen und mich weiterentwickeln. Auch hierfür bin ich dankbar.

 

Lieber Kollege, während Ihrer Abschiedsfeier lobten Freunde und Partner der Stiftung Ihre beruflichen Verdienste. Neben Professionalität, Zuverlässigkeit und Bescheidenheit wurde auch eine vergleichsweise triviale Eigenschaft immer wieder erwähnt: Ihr Stil und Ihr Auftreten. Viele kennen Sie nur im Anzug und mit Krawatte.

Nun, an normalen Bürotagen ohne Veranstaltungen oder Termine komme ich auch in Jeans zur Arbeit. Aber es stimmt: Man hat nur eine Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen. Bei Veranstaltungen und wichtigen Terminen trage ich immer einen Anzug. Das habe ich auch versucht, jüngeren Kolleginnen und Kollegen als Ratschlag mitzugeben. Ich muss zugeben, in dieser Hinsicht bin ich vielleicht ein bisschen altmodisch.

1988, Hani Abdel-Malak and FNF project director Mr Georg-Heinrich von Eichborn

1988, Hani Abdel-Malak und der Projektleiter der FNF, Georg-Heinrich von Eichborn.

© FNF

Parallel zu Ihrer Karriere veränderte sich auch die Arbeit der Stiftung in Ägypten...

Ja, die Arbeit der Stiftung und die politischen Rahmenbedingungen in Ägypten haben sich im Laufe der Jahre erheblich verändert.

Bis 1997 war das Engagement der Stiftung in Ägypten - im engeren Sinne des Wortes - relativ unpolitisch. Das mag für jüngere Kolleginnen und Kollegen seltsam klingen. Der Hauptfokus lag auf der bereits angesprochenen Entwicklungshilfe im Bereich Medien-/Journalistentraining und der Stärkung von landwirtschaftlichen Genossenschaften. In diesen Jahren betrieb die Stiftung übrigens zwei Büros in Ägypten, eines in Kairo für das Medienprojekt und eines in Ismailia für das Landwirtschaftsprojekt.

Im Jahr 1996 beschloss der Vorstand der Stiftung, das Regionalbüro nach Kairo zu verlegen. Kurz darauf, 1997, begann die Stiftung mit der Projektarbeit mit zivilgesellschaftlichen und politischen Akteuren in Ägypten. Dies war sicherlich ein bedeutender Wendepunkt.

Ich werde nie vergessen, wie die Stiftung um 1998/99 zusammen mit einem prominenten ägyptischen Politik-Aktivisten einen Workshop über die Rolle und Herausforderungen politischer Parteien in Ägypten organisierte. Der Veranstaltungsraum war voll, und die Redner sparten nicht mit Kritik an den politischen Rahmenbedingungen. Ich gebe zu: Ich war sehr besorgt. Aber zu meiner Überraschung verlief die Veranstaltung ohne jegliche Reaktion der Behörden.

Wie war die politische Situation damals, in den 1990er Jahren?

Ägypten, insbesondere Oberägypten, litt in den frühen und mittleren 1990er Jahren stark unter Terrorismus. Es gab mehrere grausame Anschläge in diesen Jahren, darunter auch auf ausländische Touristen, die darauf abzielten, den Tourismussektor zu zerstören und die Regierung in die Knie zu zwingen. Die Bilder dieser Anschläge gingen um die Welt. Die Regierung ging hart gegen diese Gruppen vor. Es gab kaum Raum für politische Parteien in dieser Zeit.

Was geschah als Nächstes für die Stiftung in Ägypten?

In den 2000er Jahren öffnete sich das politische System etwas, wodurch mehr Raum für politisches und zivilgesellschaftliches Engagement entstand. Wirtschaftlich waren dies ebenfalls relativ gute Jahre.

Eines meiner Lieblingsprojekte war die arabischsprachige Publikationsreihe der Stiftung über den Liberalismus. Das gesamte Projekt begann um 2008 mit einem öffentlichen Schreibwettbewerb mit dem Titel „Warum ich ein Liberaler bin“. Wir erhielten Beiträge von jungen Menschen aus ganz Ägypten. Die besten Artikel wurden in einem Buch veröffentlicht und auf der großen Buchmesse in Kairo verteilt.

In den folgenden Jahren wurde die politische Bildungsarbeit, insbesondere mit jungen liberalen Parteimitgliedern, zu einem wichtigen Schwerpunkt. Nach dem sogenannten Arabischen Frühling im Jahr 2011 vernetzten sich liberale Organisationen, um der liberalen Politik eine Stimme zu geben. Es war eine sehr aufregende Zeit.

Nach den politischen Umbrüchen musste die Stiftung Ende 2014 ihre Arbeit in Ägypten neu strukturieren und ihren rechtlichen Status neu verhandeln. Letztlich entschied sich die Stiftung, das Regionalbüro MENA im Jahr 2016 von Kairo nach Amman zu verlegen. Ich war einer von nur zwei Mitarbeitern, die in Kairo blieben. Da unsere Projektarbeit in Ägypten bis 2018 ausgesetzt war, arbeitete ich in diesen Jahren als „Regionaler Projektkoordinator“ in der gesamten MENA-Region.

Kairo: FNF verabschiedet sich nach 49 Jahren Präsenz

Kairo: FNF verabschiedet sich nach 49 Jahren Präsenz.

© FNF

Seit der Verlegung des Regionalbüros von Kairo nach Amman im Jahr 2016 waren Sie als Programmleiter fast allein vor Ort in Kairo. Wie haben Sie diese Phase erlebt?

Es war eine sehr widersprüchliche Zeit. Mehr oder weniger allein aus einem Büro zu arbeiten, ist keine ideale Situation. Dennoch bin ich der Stiftung sehr dankbar für das in mich gesetzte Vertrauen. Ich durfte die Stiftung in Ägypten während dieser Jahre vertreten und bin in eine neue Rolle hineingewachsen.

Ich hoffe, es klingt nicht anmaßend, wenn ich Ihnen sage, wie geehrt ich war, von der deutschen Botschaft zu einem Rundtisch mit Bundespräsident Walter Steinmeier während seines Staatsbesuchs im Oktober 2024 eingeladen worden zu sein. Ich war der einzige Ägypter am Tisch, der eine deutsche Organisation vertrat. Das war definitiv ein Höhepunkt meiner Karriere.

Herr Hani, wenn Sie in der Zeit zurückreisen könnten, zurück ins Jahr 1987 und zur Stellenanzeige in der Zeitung Al-Ahram: Würden Sie sich erneut auf die Stelle bewerben?

Natürlich würde ich das! Ich habe es niemals bereut! Es erfüllt mich auch mit großer Zufriedenheit zu sehen, wie viele unserer Partner und Teilnehmer inzwischen Führungspositionen in Ägypten erreicht haben – von den Medien bis hin zum Parlament. Unsere Arbeit zeigt Wirkung!

Lieber Kollege, wir wünschen Ihnen alles Gute, Gesundheit und viel Glück für Ihre Zukunft! Aber zunächst einmal ein frohes Weihnachtsfest, das in der Koptischen Kirche, in Ihrer Kirche, nicht am 25. Dezember, sondern am 7. Januar gefeiert wird. Shukran und ma’ as-salama!

Vielen Dank! Und ich freue ich, wenn Sie sich entscheiden, dieses besondere Land mit 5000 Jahren Geschichte mal wieder zu besuchen. Ich stehe bereit! Ma’ as-salama!

Hani Abdel-Malak und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2024 in Kairo

Hani Abdel-Malak und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2024 in Kairo.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
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