EN

Kroatien
Ein umstrittener Präsident auf Siegeskurs

der kroatische Präsident Zoran Milanović

Der kroatische Präsident Zoran Milanović.

© picture alliance / PIXSELL | Igor Kralj

Zum ersten Mal seit fast drei Jahrzehnten wird in Kroatien für den 29. Dezember ein relativ eindeutiger Ausgang der Präsidentschaftswahlen vorhergesagt – obwohl der Amtsinhaber und Favorit zugleich alles andere als unumstritten ist. Auch wenn Zoran Milanović zwei Wochen später in die Stichwahl gehen müsste, scheint sein Sieg laut Umfragen gewiss. Die Medienstrategie des Populisten, die sich auf fast tägliche provokative, opportunistische und oftmals beleidigende Ansprachen stützt, trägt Früchte.

Fast täglich besucht der kroatische Präsident Zoran Milanović Volksfeste in der Provinz, Versammlungen von Kriegsveteranen – in Kroatien ausschließlich „Verteidiger“ genannt – und staatliche Institutionen. Dabei lässt er sich keine Gelegenheit entgehen, sich undiplomatisch und abwertend über die Arbeit der konservativen HDZ-Regierung, aber auch zu verschiedensten Ereignissen in der Welt zu äußern. Und  seine Aussagen entsprechen weder in Kroatien noch im Ausland denen eines typischen Sozialdemokraten. Nicht selten klagt der Präsident in unsäglicher Manier über den Zustand Kroatiens und verwendet dabei nationalistische, ja sogar pro-russische Töne. So drohte er mit einem Veto gegen den NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens, und würde die kroatische Unterstützung der Ukraine lieber heute als morgen einstellen. 35 bis vierzig Prozent der kroatischen Bevölkerung scheinen diese Art von Politik zu mögen.

Die regierende nationalkonservative HDZ schickt den angesehenen Wissenschaftler Dragan Primorac ins Rennen. Primorac, der vor Jahren das Amt des Bildungsministers bekleidete, kann sich der Unterstützung von rund einem Viertel der Wählerschaft sicher sein. Sein Rückstand auf Milanović lässt sich sowohl durch einen Mangel an Charisma als auch durch die fehlende Präsenz in der Politik der vergangenen Jahre erklären. Während die HDZ bei Parlamentswahlen stabil oberhalb von dreißig Prozentpunkten liegt, versammelt ihr Präsidentschaftskandidat lediglich zwanzig bis 25 Prozent hinter sich. Dies zeigt auch, wie abhängig die HDZ von ihrem Ministerpräsidenten Andrej Plenković ist.

Es wäre naheliegend, dass der amtierende Präsident Milanović während des Wahlkampfs in die Defensive gerät, da er seine durchaus durchwachsene Bilanz der ersten Amtszeit verteidigen muss. Doch häufiger muss sich Primorac gegen Angriffe wehren, da die Regierungspolitik auf ihn projiziert wird, an der er selbst gar nicht beteiligt ist.

Unter ferner liefen

Zwei weitere von insgesamt acht eingereichten Kandidaturen verdienen Aufmerksamkeit: Marija Selak-Raspudić, die kurz nach den Parlamentswahlen im April 2024 die rechtspopulistische „Most“-Partei verließ, versucht sich in der politischen Mitte zu profilieren, wobei ihre Auftritte überwiegend von konservativen Ansichten geprägt sind. In Umfragen sammelt sie damit zehn bis zwölf Prozent Unterstützung hauptsächlich von mit der HDZ unzufriedenen konservativen Wählerinnen und Wählern ein.

Die Parlamentsabgeordnete Ivana Kekin von der grünen Partei „Možemo“ genießt Unterstützung unter progressiv-alternativen Wählerinnen und Wählern. Sie ist bekannt für Aktionen zum Schutz von Minderheitenrechten und dem Kampf gegen Korruption. Da das grüne Lager in Kroatien überschaubar ist, steht sie in Umfragen bei sieben bis neun Prozent. Dennoch könnte ihre Kritik an der nahezu flächendeckenden Korruption innerhalb der HDZ sowie die damit verbundenen Drohungen gegen ihre Person ihr zusätzliche Unterstützung in den letzten Tagen des Wahlkampfs bringen.

Korruption wohin man schaut

Seit elf Jahren in Kroatien EU-Mitglied und erhält die vollen EU-Fördergelder. Korruption und Machtmissbrauch gehören daher seit Jahren zu den wichtigsten innenpolitischen Themen in Kroatien, und Präsident Milanović hat seinen Wahlkampf ganz darauf ausgerichtet.  Er liebt es, seine Zeit als Ministerpräsident von 2011 bis 2016 mit der des aktuellen Ministerpräsidenten Plenković zu vergleichen, der seit 2016 regiert und der bereits dreißig Minister, meist wegen nachgewiesener Korruption, austauschen musste. Dabei spielte die 2021 gegründete und vor Ort präsente EU-Staatsanwaltschaft EPPO immer häufiger eine wichtige Rolle, vor allem durch selbstständige Untersuchungen und darauf basierende Verhaftungen.

Gleichzeitig erinnert HDZ-Kandidat Primorac die Wähler täglich an die sehr gute wirtschaftliche Bilanz der HDZ-geführten Regierungskoalition, während die Zeit der Regierung Milanović als eine Ära der Krisen, Arbeitslosigkeit und großer Auswanderungswellen in Erinnerung bleibt – einer der Hauptursachen für die aktuelle demografische Krise des Landes.

Außenpolitisch unterstützt Kroatien, seit 2009 Mitglied der NATO, die Verteidigung der Ukraine, jedoch werden auch hier Unterschiede zwischen den beiden führenden Kandidaten deutlich: Während die Unterstützung der Ukraine von Primorac und Ministerpräsident Plenković im Rahmen der kroatischen Möglichkeiten bedingungslos ist, zielen Milanovićs Äußerungen oft darauf ab, Zweifel an diesem Krieg zu wecken und sich selbst als Vertreter authentischer kroatischer Interessen darzustellen. Hier überholt der Sozialdemokrat den nationalkonservativen Kandidaten rechts.

Seine fünfjährige Amtszeit als Präsident nutzte Milanović, um sich als „Stimme des Volkes“, und als „Kontrolleur der Regierung“ zu präsentieren. Er scheute sich nicht, Premierminister Plenković und seinen Ministern ständig und ungefragt „unangenehme Wahrheiten“ mitzuteilen, ohne als Präsident faktisch irgendeine Verantwortung zu übernehmen. Auf diese Weise hat sich Milanović durch konstanten Widerspruch als Gegenpol zu Premierminister Plenković und führende Figur der Opposition stilisiert – und das als Präsident wohlgemerkt.

Volksparteien haben sich eingerichtet

All das kommt in gewisser Weise auch Ministerpräsident Plenković zugute, da der oftmals plump ausgetragene Konflikt mit dem Präsidenten ihm hilft, die knappe Mehrheit im Parlament aufrecht zu erhalten. Mit zwei starken Volksparteien haben es kleinere Parteien schwer, die in Kroatien entstandene Oligarchie aus HDZ- und SDP-Granden aufzubrechen.

In dieser Situation wird das Fehlen einer starken liberalen Alternative in der kroatischen Politik deutlich. Während die liberalen Oppositionsparteien „Centar“ und IDS die Wiederwahl des Präsidenten unterstützen und die bürgerlich-liberale HSLS auf Regierungsseite steht, tun dies alle drei Parteien ohne großen Enthusiasmus. Da sie weder kompetente Kandidaten noch finanzielle Mittel haben, erkennen sie ihre untergeordnete Position gegenüber den großen Parteien an. Die Unterstützung der Regierung (HSLS) einerseits und die scharfe Opposition (Centar) andererseits ist die Trennlinie unter den kroatischen Liberalen, die ein schlagfertiges liberales Lager seit Jahren verhindert.

Aufstieg oder endgültiger Niedergang der liberalen Parteien: darüber werden die Kommunalwahlen im Mai 2025 entschieden. Dabei werden die drei stärksten liberalen Parteien versuchen, führende Positionen in ihren Regionen zu gewinnen bzw. zu verteidigen – jeweils in ihren Hochburgen: „Centar“ in der Gespanschaft Split-Dalmatien an der Adria, die IDS in Istrien und die HSLS in der Region um die Stadt Bjelovar. Sollten sie daran scheitern, dürfte es für den Liberalismus in Kroatien künftig finster aussehen.

Dušan Dinić ist Senior Manager für Kroatien und Serbien im Büro Westbalkan der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Belgrad.

Bei Medienanfragen kontaktieren Sie bitte:

Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
Telefon: + 4915202360119