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Tschechien
Tschechiens Wähler stimmen für die Machtkontrolle

Bei den Kommunal und Senatswahlen siegen gemäßigte Kräfte
Zustand-Markierungsfahnen der Tschechischen Republik am Eingang zum Gebäude des Präsidenten der Tschechischen Republik

Zustand-Markierungsfahnen der Tschechischen Republik am Eingang zum Gebäude des Präsidenten der Tschechischen Republik

© Konoplytska/iStock / Getty Images Plus/GettyImages

Vor etwas über einer Woche fanden in Tschechien sowohl die Kommunalwahlen, als auch die Teilwahlen für den Senat statt. Ende der vergangenen Woche folgte dann die zweite Runde der Senatswahlen, da sich in der ersten Runde nur zwei Kandidaten die absolute Mehrheit sicher konnten. Das Ergebnis der Wahlen erlaubt einen Blick auf die Richtung, in die sich das Land politisch bewegt. Fazit: Gemäßigte Kräfte sind auf dem Vormarsch.

In vielerlei Hinsicht waren die Wahlen ein Popularitätstest für die populistische und migrationsfeindliche Regierungspartei ANO von Ministerpräsident  Andrej Babiš. Diese hatte nach den nationalen Parlamentswahlen im Herbst fast neun Monate gebraucht, um mit den geschwächten Sozialdemokraten eine brüchige Koalition mit stillschweigender Unterstützung der Kommunisten zu bilden. Mit 14,68% der Stimmen landesweit wurde ANO bei den Kommunalwahlen als stärkste Partei bestätigt – allerdings mit kleinen Schönheitsfehlern. Auf dem zweiten Platz landete die konservative ODS mit 10,68%. Das ist nicht so viel wie ANO bei den nationalen Wahlen zuvor (fast 30%) erreicht hatte. Dieser Stimmenverlust ist zum Teil aber damit zu erklären, dass bei tschechischen Kommunalwahlen unabhängige Kandidaten (insgesamt 18,04%) traditionell allen etablierten Parteien den Rang ablaufen - aber es gab auch hausgemachte Probleme. ANO verlor ausgerechnet die bisherige Hochburg Prag. Der interne Zwist und der neue, weitestgehend unbekannte Kandidat verhinderten ein gutes Ergebnis.

Schwerer wiegt, dass der ANO-Vorsitzende Babiš in der tschechischen Politik sehr umstritten ist. Babiš ist der zweitreichste Unternehmer Tschechiens, gegen den unter anderem ein Verfahren wegen Subventionsbetrug läuft. Er polarisiert durch seinen Auftritt als „Anti-Politiker“. Die bürgerlichen Parteien haben daher jede Zusammenarbeit mit ihm kategorisch ausgeschlossen. Diese Blockade dürfte nun ANO auch in vielen größeren Städten den Bürgermeisterposten kosten. In Olomouc, der sechstgrößten Stadt des Landes, gelang es ANO jedoch, den Sozialdemokraten das Bürgermeisteramt streitig zu machen.

Geschwächte Bündnispartner

Brenzlig ist das für ANO, die in den nationalen Umfragen weiterhin unangefochten führt, noch nicht. Das Ungemach könnte aus einer anderen Ecke kommen. Der sozialdemokratische Koalitionspartner ČSSD wurde nämlich bei den Kommunalwahlen mit 5,28% auf ein Drittel der vorherigen Größe zurückgeschrumpft. In den größeren Städten ist die Partei quasi nicht existent. Innerhalb der ČSSD hatte es schon länger Spannungen gegeben, weil ein großer Teil die Koalition mit ANO ablehnt. Diese Spannungen werden sich in Zukunft weiter verschärfen, so viel ist sicher. Parteichef Jan Hamáček wird sich in nächster Zeit gegen Rücktrittsforderungen zu wehren haben. Ein Koalitionskrach ist nicht unwahrscheinlich und ein Koalitionsende zumindest nicht unvorstellbar. Auch bei den in Tschechien noch völlig unreformierten Kommunisten, die ebenfalls massiv Stimmen verloren haben, brodelt es. Das Ergebnis der Kommunisten bei der Kommunalwahl von 4,94% würde als nationales Wahlergebnis das parlamentarische Aus bedeuten. Der Vorsitzenden der Partei, Vojtěch Filip, der den Paria-Status seiner Partei mit seinem Unterstützungskurs beenden und ihr zu mehr Respektabilität verhelfen wollte, wurde umgehend von seiner Partei gestürzt. Wer ihm nachfolgt ist noch nicht klar, aber die Partei steht vor harten Zeiten. Auch hier scheint das ideologisch sowieso kaum begründbare Bündnis mit ANO sich nicht auszuzahlen. Schon mittelfristig könnte auch das die Regierung destabilisieren. Nur die Angst um die eigene Existenz dürfte die Koalitionspartner kurzfristig vom Koalitionsbruch abhalten. Aber wie lange noch?

Trend zu den gemäßigten Kräften im Senat

Und dann gab es gleichzeitig noch die erste Runde der Senatswahlen. In Tschechien werden alle zwei Jahre ein Drittel der Sitze (27 Sitze) in Direktwahlen neu bestimmt. Wer keine 50% erreicht, kandidiert im zweiten Wahlgang gegen den Zweitplatzierten, wobei dann die einfache Mehrheit genügt. Im ersten Wahlgang kamen nur zwei Kandidaten durch, darunter der ehemalige Präsidentschaftskandidat Jiří Drahoš, der im Frühjahr dem populistischen und Putin-treuen Amtsinhaber Miloš Zeman knapp unterlegen war. Damit wurde bereits eine Grundtendenz dieser Wahl sichtbar, die sich in der zweiten Runde deutlich fortsetzte: Die extremistischen Parteien links und rechts blieben chancenlos.

Liberal denkende Unabhängige, wie etwa der frühere Leiter der Politischen Abteilung des Präsidentenamts unter Václav Havel, Pavel Fischer, gewannen auffallend viele Sitze. Auch die dem christdemokratischen Lager zugerechneten Parteien KDU, STAN und TOP 09 schnitten besser als erwartet ab. Große Siegerin wurde die konservative/wirtschaftsliberale ODS, die einen überraschend gemäßigten und sachlichen Wahlkampf geführt hatte und dafür belohnt wurde. Sie gewann 10 der 27 Sitze. Insgesamt hat sich das Gewicht des Senats zur gemäßigten rechten Mitte verschoben. ANO gewann in dieser Senatswahl insgesamt nur einen Sitz, was auch am Wahlsystem liegt, da sich bei Direktwahlen die sonst fragmentierten gemäßigten Parteien im zweiten Wahlgang auf einen Kandidaten einigen können. Das wirkte sich zu Ungunsten von ANO aus.

Die Kompetenzen des tschechischen Senates sind klein aber fein. Er kann in vielen Fällen Gesetze des Abgeordnetenhauses zurückweisen und eine Neuvorlage erzwingen. Wichtiger ist allerdings sein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei allen Verfassungs- und Wahlrechtsänderungen. Wie immer man Tschechiens Regierung einschätzt, es ist in dieser Konstellation weder der Regierung noch einer anderen Kraft möglich, auf konstitutioneller Ebene einen antidemokratischen Systemumbau zu betreiben. Die Institutionen, so das beruhigende Fazit der Wahlen, sind noch intakt und funktionieren. Und die Wähler haben ein klares Signal gesetzt, dass sie gegenüber den Regierenden ein System der Machtkontrolle am Platze sehen möchten.