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Korea
Umarmung zweier ehemaliger Erzfeinde

Was kann der dritte innerkoreanische Gipfel des Jahres 2018 bringen?
Moon Jae-in und Kim Jong-un

Moon Jae-in und Kim Jong-un

© Cheongwadae / Blue House

Es ist kein Jahr her, dass die Gefahr eines Krieges auf der koreanischen Halbinsel greifbar war. Donald Trump beschimpfte Nordkoreas Führer als „Little Rocket Man“, der seinerseits damit gedroht hatte, die Reichweite der Atomträgerraketen bis in die USA auszuweiten. Südkorea war der Erzfeind Nordkoreas. Der dritte innerkoreanische Gipfel in Pjöngjang begann heute mit Umarmungen und der Hoffnung, dass Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea kommt.

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Manchmal bedauert man, dass man die Kategorisierung eines Ereignisses als „historisch“ nur sparsam dosiert vornehmen kann, denn es liegt in der Natur der Sache, dass sich dieser Begriff schnell verschleißt. Und trotzdem kann man den heute begonnenen innerkoreanischen Gipfel getrost – wieder einmal – als „historisch“ bezeichnen: Denn was war zu Beginn dieses Gipfels nicht historisch? Der „Große Führer“ Nordkoreas traf den südkoreanischen Präsidenten am Flughafen, wurde von seiner Frau und seiner Schwester sowie der Elite der Staatsführung begleitet, und eine gut organisierte jubelnde Menschenmenge stand ebenfalls bereit. Man umarmte sich fest, Wange an Wange und verließ den Flughafen zwar in getrennten Fahrzeugen, um aber schon wenig später im offenen Wagen gemeinsam durch ein Spalier zehntausender jubelnder Nordkoreaner zu fahren. Das erste Treffen der beiden Staatsoberhäupter fand im Zentralkomitee der Arbeiterpartei Nordkoreas statt.

Implizit mit dabei: Die USA

Zwischen den beiden Koreas stehen die Zeichen momentan ganz klar auf Entspannung: Das Verbindungsbüro an der Grenze zwischen beiden Ländern, das eine direkte Zusammenarbeit ganzjährig rund um die Uhr ermöglichen soll, ist mit Bedacht nur wenige Tage vor dem heutigen Gipfel eröffnet worden. Es ist ein Hauptziel von Präsident Moon, mit diesem Gipfel einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten, dass die festgefahrenen Denuklearisierungsverhandlungen wieder in Gang kommen.

Im Umfeld des Gipfeltreffens zwischen Donald Trump und Kim Jong-un am 12. Juni dieses Jahres war der Eindruck entstanden, dass Trump in vielen Punkten handelte, ohne sich zuvor mit dem Bündnispartner Südkorea abgestimmt zu haben. Es ist unbestreitbar, dass die USA bei den Denuklearisierungsverhandlungen eine zentrale Rolle spielen, aber mit der Verlässlichkeit der USA unter der Führung eines oft impulsiv handelnden Präsidenten ist es so eine Sache. Daher ist es richtig und wichtig, dass der südkoreanische Präsident Moon nun verstärkt selbst das Heft des Handelns in die Hand nimmt, um die stockenden Denuklearisierungsverhandlungen zwischen den USA und Nordkorea aus der momentanen Sackgasse herauszuführen.

Es geht nicht nur um Abrüstung, sondern auch um Wirtschaft

Nach dem Treffen zwischen Trump und Kim am 12. Juni in Singapur hatte es viel Kritik am amerikanischen Präsidenten gegeben, er habe Zugeständnisse ohne adäquate Gegenleistungen der Nordkoreaner gemacht und Kim habe damit bereits erreicht was er wollte. Tatsächlich ist Nordkorea aber nicht nur an der Anerkennung als weltpolitischer Akteur interessiert, sondern auch ganz massiv an der Lockerung und baldigen Aufhebung der internationalen Sanktionen, die Nordkorea stark zusetzen. Viele Probleme, die sein Land bedrücken, sind ungelöst – und viele davon sind nur mit internationaler Hilfe lösbar. Kim hatte durch das Treffen mit Trump im Juni einen Teilerfolg erreicht, mehr aber auch nicht.

Sinkende Zustimmungsraten für Präsident Moon

In der Bevölkerung Südkoreas wird die Entspannung überwiegend positiv und optimistisch aufgenommen, wenngleich man auch hier über das Tempo staunt, in dem die Veränderungen momentan vorangetrieben werden. Auch langfristig angelegte Phantasien zu einer möglichen Wiedervereinigung sind zu hören. Und doch sind die Zustimmungsraten für die Arbeit des Präsidenten dramatisch rückläufig: Bewerteten nach dem ersten innerkoreanischen Gipfel im April noch 85% der Bevölkerung die Arbeit von Präsident Moon positiv, so tun dies inzwischen nach den letzten Umfrageergebnissen nur noch gut 53%. Dieser dramatische Verfall seiner Popularität erstaunt nur auf den ersten Blick – und er hat mit seiner Aussöhnungspolitik auch nicht viel zu tun. Südkorea hat massive wirtschaftliche Probleme mit pessimistisch stimmenden Indikatoren und einer bislang nie dagewesenen hohen Jugendarbeitslosigkeit. Für weitere Frustration in der Bevölkerung sorgen die explodierenden Immobilienpreise, die Bauherren und Spekulanten in Hochstimmung versetzen und die weniger vermögenden Teile der Bevölkerung in Sorge und teilweise Panik. Der Versuch einer Art Mietpreisbremse scheiterte kläglich.

Während sich Nordkoreas „Oberster Führer“ Kim Jong-un keine Sorgen um Umfrageergebnisse machen muss, dürfte Präsident Moon mit dem Gipfel in Pjöngjang nicht nur den Wunsch nach einem dauerhaften Frieden und Fortschritten in der Denuklearisierungspolitik verbinden, sondern auch die Hoffnung hegen, dass die Zustimmung in der Bevölkerung für seine Politik wieder steigt. Wie eng Wirtschafts- und Vereinigungsfragen auch in diesen Tagen zusammengehören, zeigt sich nicht zuletzt in der Zusammensetzung der südkoreanischen Delegation: Unter deren 200 Mitgliedern befinden sich hochrangige Wirtschaftsvertreter sämtlicher großer südkoreanischer Firmen, die lieber heute als morgen den nordkoreanischen Markt erschließen würden. Auch sie hoffen auf ein Ende der Sanktionen.