Foreign Agent Laws
Unterdrückt und stigmatisiert als „Auslandsagent“
Wer sind diese Auslandsagenten, die als „Foreign Agent“ bezeichnet werden, und welche Straftaten haben sie begangen? Laut der aktualisierten Fassung des russischen Auslandsagentengesetzes vom 4. Juni 2014 gilt eine Person als Auslandsagent, wenn sie/er Unterstützung erhalten hat und/oder anderweitig unter ausländischem Einfluss steht und entsprechende Aktivitäten ausübt. Obwohl das Gesetz keine klare Definition von Begriffen wie „Einfluss“ oder „Unterstützung“ enthält, ist leicht zu erkennen, dass es absichtlich vage formuliert wurde. So ermöglicht es den unter Putins Kontrolle stehenden Gerichten, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und zivilgesellschaftliche Organisationen durch eine weitreichende Auslegung des Gesetzes zum Schweigen zu bringen.
Diese Art von Gesetzgebung ist orchestriert, um Stimmen oder kritische NGOs als schädlich für die nationale Sicherheit darzustellen. Klar, keiner mag einen „Auslandsagenten“. Diese sensible Abstemplung schafft Eingriffsmöglichkeiten in das Leben und die Arbeit der Betroffenen und fördert ein Klima der Angst. De facto werden damit wichtige Mechanismen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt – wichtige Grundrechte und Säulen der Demokratie und des Rechtsstaatsprinzips.
Gesetzliche Zumutungen für die Zivilgesellschaft
Diese Art der Gesetzgebung dient als Instrument der Regierung Putins, um Medien und zivilgesellschaftliche Akteure zu diskreditieren, zu stigmatisieren und zu verfolgen, wenn sie demokratische Strukturen fördern und das Regime im Kreml kritisieren. Sogenannter Auslandsagenten müssen sich nach dem Gesetz in Russland registrieren lassen, ihre Veröffentlichungen als solche kennzeichnen und strenge Berichtspflichten einhalten. 2022 wurde das Gesetz verschärft: Nun fallen unter „ausländischen Einfluss“ nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch organisatorische oder methodische Hilfe. Betroffene „Auslandsagenten“ unterliegen umfassenden Einschränkungen: Sie dürfen keine öffentlichen Ämter bekleiden, nicht an Wahlen teilnehmen, keine staatliche Förderung erhalten und keine Inhalte für Minderjährige produzieren. Wiederholte Verstöße führten zur Auflösung mehrerer Organisationen wie International Memorial. Unter den prominentesten Strafen war auch Radio Free Europe (RFE/RL), welche mit über 16 Millionen Euro (17,3 Millionen US-Dollar) die höchste Geldbuße erhielten, weil sie die Kennzeichnungspflichten nicht erfüllt hatten.
Russland als ein Vorbild für illiberale Regime
Am 14. Mai 2024 wurde in Georgien, einem Nachbarland Russlands, ein ähnliches Gesetz mit der gleichen Absicht verabschiedet. Die EU hat das Gesetz als sogenanntes „russisches Gesetz“ kritisiert. „Es wird die Arbeit der Zivilgesellschaft und der unabhängigen Medien untergraben, während die Versammlungsfreiheit und die Meinungsfreiheit grundlegende Rechte sind, die im Kern von Georgiens Verpflichtungen als Teil des Assoziierungsabkommens und eines jeden EU-Beitrittsweges stehen“, sagte Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes.
In den vergangenen Jahren haben sich ähnliche Gesetze auch in anderen autoritären Staaten, die dem Europarat angehören, etabliert – beispielsweise in der Türkei und in Aserbaidschan, die ihre repressiven Maßnahmen in den letzten Jahren kontinuierlich verstärkt haben. Durch die zunehmende Repression sieht sich die Zivilgesellschaft einem immer massiveren Druck ausgesetzt. Regierungen nutzen diese Gesetze effektiv als Werkzeug zur Meinungs- und Verhaltenskontrolle, um ihre Macht zu festigen und politische Gegner zum Schweigen zu bringen.
Georgiens Agentengesetz ist auch ein Angriff auf den Westen
Im vergangenen Jahr hatte die georgische Regierung das „Ausländische Agentengesetz“ aufgrund von Massenprotesten zurückgezogen. Jetzt aber scheint man fest entschlossen, das Vorhaben umzusetzen. Die Regierung nimmt dafür auch die Eskalation des Konflikts mit westlichen Partnern in Kauf und torpediert die EU-Beitrittsperspektive. Das ist ganz im Interesse Russlands. Die neue Gangart der georgischen Regierung erfordert eine konsequente Reaktion Europas.
Neues Urteil des EGMR: Abschreckende Wirkung oder nur Wunschtraum?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat das Agentengesetz in Russland nun als menschenrechtswidrig eingestuft. Das kürzlich ergangene Urteil des EGMR zu Russlands „Foreign Agent Laws“ könnte als symbolisches Zeichen des Protests verstanden werden. Jedoch, wie viele Kritiker betonen, ist die Annahme, dass das Urteil autokratische Regime wie Russland, die Türkei oder Aserbaidschan in ihrer Repressionspolitik abschrecken könnte, kaum realistisch.
Autokratische Regierungen lassen sich von solchen gerichtlichen Urteilen meist wenig beeindrucken. Die Türkei hat beispielsweise, selbst bei weniger angespannten politischen Beziehungen, EGMR-Urteile mit dem Argument der „nationalen Souveränität“ abgelehnt. Auf diplomatischer Ebene ist trotz einer formalrechtlichen Einwilligung der Türkei in die europäische Gerichtsbarkeit die Haltung eindeutig: „Mischen Sie sich nicht in unsere Angelegenheiten ein.“ Es sollte aber betont werden, dass eine Intervention im Rahmen des Europarats nicht als nationale Einmischung gilt, sondern als legitime europäische Angelegenheit, die durch den Beitritt zum Europarat akzeptiert wird. Tatsächlich ignorieren autokratische Regime den EGMR und seine Urteile regelmäßig und setzen ihre Repressionsmaßnahmen fort. Das Urteil des EGMR bleibt daher in vielen Fällen ein theoretischer Ausdruck europäischer Werte.
Ganz anders verhält es sich auf einer anderen Ebene: für die Zivilgesellschaft ist das EGMR-Urteil ein Zeichen der Solidarität. Tatsächlich tragen oppositionelle Organisationen die Hauptlast der zunehmend restriktiven Politiken, da autokratische Staaten wie Russland, die Türkei und Aserbaidschan auf Grundrechte und internationale Verpflichtungen kaum Rücksicht nehmen. So bleibt der Effekt des Urteils im besten Fall symbolisch, während der tatsächliche Einfluss auf die Menschenrechtslage innerhalb dieser Staaten minimal ist.
Perspektiven für Russland und die Ukraine-Krise
Russland geht inzwischen so weit, dass es die internationale und europäische Rechtsordnung offen ignoriert, wobei Putin weder auf Druck noch auf symbolische Verurteilungen reagiert. Er lässt sich selten durch rechtliche Urteile beeindrucken; stattdessen bleibt die Stabilität des Regimes in erster Linie eine Frage interner Dynamiken. Tatsächlich stellt für Putin nur ein ernstzunehmender innerer Aufstand oder eine militärische Bedrohung eine wirkliche Gefahr dar. „Foreign Agent Laws“ bleiben in autoritären Staaten ein repressives Instrument, um die Opposition zu schwächen und die Macht zu festigen. In der Ukraine-Krise zeigt sich dies ebenfalls, denn eine Stärkung der ukrainischen Verteidigungskapazitäten könnte den Druck auf Putin weit mehr erhöhen.