EN

Polen
Vereinen, nicht teilen

Der Mord an dem Gdansker Stadtpräsidenten Adamowicz zeigt die Risse in der polnischen Gesellschaft
Der gewaltsame Tod des Bürgermeisters von Danzig, Paweł Adamowicz, hat nicht nur in Polen sondern auch in Deutschland Bestürzung ausgelöst.

Der gewaltsame Tod des Bürgermeisters von Danzig, Paweł Adamowicz, hat nicht nur in Polen sondern auch in Deutschland Bestürzung ausgelöst.

© picture alliance / NurPhoto

Gestern starb der Gdansker Stadtpräsident Paweł Adamowicz an den Folgen eines Mordanschlags, der auf ihn während eines Wohltätigkeitskonzerts ausgeübt wurde. Auch wenn die Polizei davon ausgeht, dass es sich bei dem Täter um einen psychisch labilen Menschen handelt, wirft die Tat dennoch einen Schatten auf den gegenwärtigen Zustand der politischen Kultur in Polen. Alle politischen Kräfte im Lande sollten daran arbeiten, dass das Klima von Hass und Misstrauen beendet wird. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wird ihre Arbeit für eine liberale und weltoffene Politik in Polen fortsetzen.

„Diese Tragödie muss uns vereinen und nicht teilen“, schrieb die Vorsitzende der liberalen Nowoczesna-Partei, Katarzyna Lubnauer unmittelbar nach der Messerattacke auf Paweł Adamowicz. Paweł Adamowicz gehörte zu Recht zu den populärsten Kommunalpolitikern Polens. Der weltoffenen Stadt Gdansk verlieh er ein weltoffenes Gesicht. Ganz besonders lag ihm eine differenzierte Sicht der gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichte, die gerade in Gdansk so sichtbar ist, am Herzen. Er war ein Versöhner, kein Spalter. Das alleine machte ihn im von ideologischen Grabenkämpfen zerrissenen Polen zu einer Lichtgestalt. In seiner Stadt war er unbestritten der beliebteste Politiker. Deshalb ist die Trauer so groß.

Der wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Täter schrie während seiner Tat, dass er wegen Adamowicz und seiner Partei, der christdemokratischen Bürgerplattform (PO), ins Gefängnis gekommen und gefoltert worden wäre - eine wirre Behauptung, nicht zuletzt, weil Adamowicz schon vor etlichen Jahren die PO verlassen hatte, um auf seiner eigenen, liberaleren Liste „Alles für Gdansk“ für das oberste Amt der Stadt zu kandidieren. Es scheint einiges dafür zu sprechen, dass der Mörder ein psychisch labiler Einzeltäter ist.

Die Reaktion der Politik auf den Mord schien zunächst besonnen zu sein. Es wurde Staatstrauer angeordnet. Adamowiczs Frau, die gerade dabei war, von einem USA-Aufenthalt zurückzukehren, wurde mit einem eilig bereitgestellten Regierungsflugzeug abgeholt. Politiker aller Parteien verurteilten die Tat als verabscheuenswürdig.

Aber schon jetzt kann man erkennen, dass der Wunsch, die Tragödie möge vereinen - nicht teilen- in Polen heute nicht mehr leicht zu realisieren ist. Seit ihrem Antritt im Jahre 2015 hat die von der Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) geführte Regierung, rechtsstaatliche Institutionen geschwächt, Demokratie abgebaut und einen Stil der politischen Auseinandersetzung geführt, der auf Ausgrenzung aller politischen Gegner basierte. Wer gegen die Regierung ist, wird in den von der Partei kontrollierten Medien als „unpolnisch“ markiert.

„Der gesäte Samen des Hasses trägt früher oder später Früchte“, hieß es heute in einem Kommentar der großen Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Dazu zähle auch die Herabsetzung von politischen Gegnern, wie sie gerade von der Regierung betrieben werde.

Deshalb hat die PiS jetzt auch ein Problem, selbst wenn aus ihrem Umfeld die richtigen Signale kommen. So wollte der PiS-nahe Präsident Andrzej Duda mit den Vertretern aller Parteien einen nationalen Trauermarsch planen, der am Tag des Begräbnisses von Adamowicz hätte stattfinden sollen. Die Führung der größten Oppositionspartei, der PO, und der Sozialisten weigerten sich, dem Treffen beizuwohnen. Der Marsch wird nun nicht stattfinden.

Das Misstrauen in der polnischen Politik ist mittlerweile so groß, dass nicht einmal ein Ereignis wie dieses die Gegensätze überbrücken kann. Präsident Duda hat die Folgen des Politikstils der Regierung nun am eigenen Leibe erfahren. Dieser Stil eint das polnische Volk nicht, wie die Regierung behauptet, sondern teilt es. Er führt zu Rissen in der Gesellschaft.

Wir, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, engagieren uns schon lange in Polen – im Geist von Freiheit, Toleranz und Versöhnung. Diese Arbeit ist seit dem Mord an Paweł Adamowicz wichtiger denn je.