70 Jahre FDP
Vereinter Neubeginn
Die Anfänge waren nicht nur durch die Umständen bedingt bescheiden. Angesichts der Verheerungen, die Nationalsozialismus und Weltkrieg angerichtet hatten – deren Ende ja gerade einmal drei Jahre zurück lag -, wollte und konnte die neue Partei nicht protzen. Das kam auch in den meisten Reden und der verabschiedete Proklamation zum Ausdruck. Diese versprach keine goldenen Zeiten, sondern definierte vielmehr den Charakter der soeben gegründeten Partei als „Sammlung aller Kräfte, die den Gedanken der Freiheit und des Persönlichkeitsrechts zum Richtmaß aller Entscheidungen erheben“ wollten. Der neugewählte Vorsitzende, ein früherer Reichstagsabgeordneter und nunmehriger württembergischer Kult(us)minister namens Theodor Heuss sprach zwar von einer „Mission“, die die Partei habe. Doch sie bestand für ihn vor allem darin, „daß wir im deutschen Volk den Glauben an die schöpferische Ursprünglichkeit des Menschen … bewusst erneuern“.
Solche bescheidenen, aber zugleich – entgegen dem Zeitgeist - zutiefst liberal und freiheitlich grundierten Töne standen Pate bei einer wichtigen politischen Wegmarke in der jüngeren deutschen Geschichte. Denn mit dem Treffen am 11. und 12. Dezember 1948 in Heppenheim, dem Traditionsort der liberalen Bewegung von 1848, begann die Geschichte einer Partei, die ungeachtet der schwierigen Geburtsumstände und der Höhen und Tiefen, die die Freie Demokratische Partei seitdem erlebt hat, insgesamt zweifellos eine Erfolgsgeschichte ist. Eine Erfolgsgeschichte wurde es vielleicht nicht so sehr im Hinblick auf den Wählerzuspruch, die FDP wandelte sich nie zu einer Volkspartei. Aber ihr Einfluss war und ist ungemein größer als bei jeder liberalen Partei hierzulande zuvor und wohl auch viel größer als bei fast allen Pendants in anderen Ländern seit 1945.
Erinnert sei nur an die Etablierung einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die Formulierung des Grundgesetzes, die Westbindung der Bundesrepublik, die Entspannungspolitik gen Osten und die Wiedereinigung im kleinen mit dem Saargebiet 1957 und im Großen mit der DDR 1990 – alle diese bundesrepublikanischen Wendepunkte, an denen sich die Geschicke unseres Landes und seiner Bürger zum Positiven wandelte, sind von freidemokratischen Politikern und Politikerinnen entweder in entscheidender Weise mitinitiiert und mit durchgesetzt worden oder tragen eine klare liberale Handschrift. Das ging nicht immer einfach und rückschlagsfrei von Statten, aber letztlich hat sich liberales Vernunftdenken und der Glaube an den Vorrang der Freiheit meistens durchgesetzt, sind dann auch häufig von anderen, die ursprünglich aus einer entgegengesetzten politischen Richtung kamen, übernommen worden. Dieser neuerliche Siegeszug der liberalen Ideen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert begann, nachdem sie in den Jahrzehnten zuvor zumindest in Deutschland fast ausgestorben waren, vor 70 Jahren in Heppenheim.
Nach allem, was man über die Stimmung der dort Versammelten weiß, haben wohl nur wenige damals geglaubt, dass es eine solche Wiedergeburt des deutschen Liberalismus geben würde. Die schlechte Verfassung der liberalen Parteien am Ende der Weimarer Republik stand den meisten Parteigründern durchaus deutlich vor Augen. Umso mehr ist ihr Mut und ihre Weitsicht zu bewundern und umso mehr besteht Anlass, des damaligen Anfanges heute dankbar zu gedenken, zumal inzwischen das erreicht wurde, was in Heppenheim vor 70 Jahren auch auf die Stimmung drückte. Denn die Bündelung der liberalen Kräfte betraf damals nur die Liberalen in Westdeutschland. Die gesamtdeutsche liberale „Einheitspartei“ musste notgedrungen bis 1990 warten. Jetzt kann der Tag von Heppenheim als Freudentag aller Liberalen in Deutschland und darüber hinaus begangen werden.