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„Wenn ihr unsere Demokratie schützen wollt, geht wählen!“

Die Kandidatinnen und Kandidaten für die US-Halbzeitwahlen im November stehen fest
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Bei den demokratischen Vorwahlen wurde eine höhere Wahlbeteiligung gemessen als noch in den vergangenen Jahren. Insgesamt bleibt die Wahlbeteiligung in den USA aber niedrig.

© iStock / Getty Images Plus / IcemanJ

Die Vorwahlen sind gelaufen, die Kandidatinnen und Kandidaten für die US-Halbzeitwahlen im November stehen fest und der Wahlkampf verlagert sich von der parteiinternen Phase auf die große Bühne. Gerade bei den demokratischen Vorwahlen wurde eine höhere Wahlbeteiligung gemessen als noch in den vergangenen Jahren. Insgesamt bleibt die Wahlbeteiligung in den USA aber niedrig.

Daher nutzte der ehemalige Präsident Barack Obama seinen ersten öffentlichen Auftritt in diesem Jahr, um gerade junge Wählerinnen und Wähler dazu aufzufordern, ihre Stimme abzugeben. In einer Rede vor Studenten der University of Illinois analysierte Obama den politischen Stillstand und die Aufruhr, in der sich die Vereinigten Staaten seit der Wahl von Donald Trump befinden. Er zeigte sich besorgt über den Kurs des Landes und prangerte den amtierenden Präsidenten erstmals namentlich an. Neben der öffentlichen Schelte für Trump zog sich aber auch eine Forderung wie ein roter Faden durch Obamas Ansprache: Geht wählen! „Am Ende gefährden nicht Donald Trump, die Republikaner im Kongress oder Hackerangriffe aus Russland unsere Demokratie“, so Obama. „Die größten Gefahren für unsere Demokratie sind Gleichgültigkeit und Zynismus.“ Der einzige Weg die amerikanische Demokratie zu schützen, sei der Gang an die Wahlurne.

Demokraten zieht es an die Wahlurne

Bei der hart umkämpften Präsidentschaftswahl 2016 zwischen Donald Trump und Hillary Clinton gaben durchschnittlich nur sechs von zehn wahlberechtigten Amerikanerinnen und Amerikanern ihre Stimme ab. Während die Beteiligung in den oftmals wahlentscheidenden „Swing States“ bei bis zu 75 Prozent lag, traten in anderen Bundesstaaten nur rund 42 Prozent der Wahlberechtigten an die Wahlurne. Landesweit lag die Wahlbeteiligung bei gerade einmal 56 Prozent. Die geringe Wahlbeteiligung in den Bundesstaaten, in denen entweder die Demokraten oder die Republikanern die deutliche Mehrheit haben, erklärt die geringere Motivation der Wählerschaft. Aufgrund des Mehrheitswahlrechtes in den USA hat beispielsweise eine republikanische Stimme im „blauen“ – und damit demokratischen – Kalifornien bei landesweiten Wahlen kaum Aussicht auf Erfolg. In den „Swing States“ hingegen ist die Wahlbeteiligung oft höher, da die Stimmen für den Ausgang der Wahl entscheidend sein können.

Für gewöhnlich fällt die Wahlbeteiligung bei Vorwahlen, aber auch bei Halbzeitwahlen deutlich geringer als bei Präsidentschaftswahlen aus. Bei den Halbzeitwahlen im Jahr 2010 lag sie bei knapp 42 Prozent, 2014 nur noch bei 37 Prozent. Doch in diesem Wahljahr ist gerade bei den Demokraten ein größerer Enthusiasmus zu spüren. „Wenn man 2014 und 2018 miteinander vergleicht, war – mit der Ausnahme einiger Bundesstaaten – ein massiver Anstieg der Wahlbeteiligung bei den Demokraten gegenüber einem moderaten Anstieg bei den Republikanern zu beobachten“, erläutert der republikanische Meinungsforscher John Couvillon. Seinen Daten zufolge ist die Wahlbeteiligung bei den Demokraten im Vergleich zu den Vorwahlen in 2014 um 78 Prozent gestiegen. Bei den Republikanern verzeichnete er einen Anstieg um 23 Prozent.

Im Nachgang jeder Wahl wird in den USA ausgiebig über die Wählerstruktur diskutiert und darüber, wer, wie und wo abgestimmt hat. Eine Wählergruppe kommt bei den Diskussionen häufig zu kurz: die Nichtwähler.

Was hält Amerikanerinnen und Amerikaner vom Wählen ab?

Laut einer Studie des Pew Research Centers stimmten die meisten  Nichtwähler im Jahr 2016 aus den folgenden Gründen nicht ab: weil sie keinen der Kandidaten favorisierten, das Gefühl hatten, dass ihre Stimme nicht zählt oder keine Zeit zum Wählen hatten. Viele der Nichtwähler in den USA kommen aus finanziell schwachen Haushalten, sind jung oder hispanischer oder asiatischer Herkunft. Während fast 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler einer höheren Einkommensgruppe ihre Stimme abgeben, greift nicht einmal die Hälfte der Geringverdiener zu den Wahlzetteln. Eine weitere Studie zeigt, dass die Mehrheit derer, die 2016 keinen Gebrauch von ihrem Wahlrecht machten, einen High School-Abschluss oder gar keinen Schulabschluss hatten und mit einem Jahreseinkommen von unter 30.000 US-Dollar zu den Geringverdienern zählten.

Laut Kei Kawashima-Ginsberg von der Tufts University geben junge Wählerinnen und Wähler ihre Stimme häufig nicht ab, weil sie schlicht zu wenig über das Wahlsystem der USA wissen. „Wenn junge Wähler zu ihrem Wahlverhalten befragt werden, fällt immer wieder auf, dass es große Wissenslücken über die Funktionsweise des amerikanischen Regierungssystems gibt und darüber, was sie mit ihrer Stimme bewirken können.“  Hinzu komme, dass junge Leute häufiger den Wohnort wechseln und deshalb gerade mit lokaler Politik wenige Berührungspunkte haben.

Ähnlich geht es den Wahlberechtigten mit hispanischen oder asiatischen Wurzeln. 2016 waren 27,3 Millionen der Bürger  hispanischer Herkunft wahlberechtigt und stellten 12 Prozent der Wählerschaft. Damit war die Zahl der Wahlberechtigten dieser Bevölkerungsgruppe so hoch wie nie zuvor, doch nur weniger als die Hälfte gaben ihre Stimme auch tatsächlich ab. Wahlexperten sehen die niedrige Wahlbeteiligung unter hispanischen und asiatischen US-Amerikanern darin begründet, dass auch sie mit dem Wahlsystem der USA nicht vertraut sind und nicht einschätzen können, inwiefern sie den politischen Prozess beeinflussen können. Darüber hinaus leben viele von ihnen in Bundesstaaten, die nicht so hart umkämpft sind, wie etwa Kalifornien oder Texas. In diesen Bundesstaaten, die entweder in demokratischer oder republikanischer Hand sind, wird weitaus weniger Geld für die Wähler-Mobilisierung ausgegeben als in den „Swing States“.

Barrieren im Wahlprozess

In den USA gibt es aber auch Tausende Bürgerinnen und Bürger, die gerne wählen würden, denen der Gang an die Wahlurne aus rechtlichen Gründen aber verwehrt wird. Dazu gehören Gesetze und Richtlinien zur Wähleridentifizierung (US-Bürger haben keine Ausweispflicht), Probleme bei der Registrierung (US-Bürger werden in der Regel nicht automatisch zum Wählen registriert) oder der Ausschluss vom Wahlrecht aufgrund bestehender Vorstrafen. Da es in den USA weder ein landesweites Wahlregister noch ein landesweites Wahlgesetz gibt, schreibt jeder Bundesstaat seine Regeln selbst.

Im „Swing State“ Florida konnten beispielsweise zehn Prozent der wahlberechtigten Erwachsenen nicht an den Wahlen im Jahr 2016 teilnehmen, weil sie wegen einer Straftat verurteilt wurden und somit nach geltendem Landesrecht von der Wahl ausgeschlossen sind. Vorbestrafte Bürger können ihr Wahlrecht in Florida nur dann zurückbekommen, wenn ihnen vom Begnadigungsausschuss des Staates eine Einzelfreistellung ausgesprochen wird. Auch in Alabama, Arizona, Delaware, Iowa, Kentucky, Mississippi, Nevada, Tennessee und Wyoming wird einem zu einer Gefängnisstrafe verurteilten Bürger das Wahlrecht lebenslang aberkannt. Andere Staaten gewähren das Stimmrecht erst nach der Entlassung oder nach Ablaufen der Bewährung. Nur in Maine und Vermont dürfen Gefängnisinsassen an Wahlen teilnehmen. Gegner dieser strengen Wahlgesetze kritisieren, dass dadurch die Rechte von Afroamerikanern eingeschränkt werden, denn die Quote afroamerikanischer Gefängnisinsassen ist in den USA überproportional hoch.

Andere wiederum können ihre Stimme nicht abgeben, weil sie von der Wählerliste gestrichen wurden. Das passiert regelmäßig, wenn Wahlregister im Vorfeld der Wahlen fehlerhaft bereinigt werden. Laut einer Studie des Brennan Center for Justice der New York University ist die Anzahl der Wahlberechtigten, die von Wählerlisten gestrichen wurden, über die letzten zehn Jahre deutlich gestiegen. Zwischen 2014 und 2016 wurden vier Millionen Wahlberechtigte mehr gestrichen als zwischen 2006 und 2008. Der Bundesstaat Georgia ist ein besonders extremer Fall: Dort werden Wählerinnen und Wähler rigoros aus dem Register gelöscht, wenn sie bei den letzten vier Präsidentschaftswahlen nicht gewählt haben. Ein ähnliches Gesetz in Ohio wurde erst kürzlich vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Laut diesem Gesetz darf in Ohio jeder von der Wählerliste gestrichen werden, der versäumt hat, ein Formular zu Bestätigung der aktuellen Adressen zurückzusenden und bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen nicht abstimmt. Während Befürworter dieser Regelungen den Reinigungsprozess für notwendig halten, um Wählerregister aktuell zu halten, kritisieren Gegner, dass es dieses System Wahlberechtigten, die nicht regelmäßig wählen, schwieriger macht, ihre Stimme abzugeben.

Trotz des spürbaren Enthusiasmus während der Vorwahlrunden befürchten politische Beobachter daher, dass Nichtwähler bei den Halbzeitwahlen im November die Regel und nicht die Ausnahme sein werden.

Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit