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Wie geht es weiter nach den Midterm Elections?

Podiumsdiskussion mit Claus Gramckow und Christoph von Marschall zu den US-Zwischenwahlen
von Marschall, Burck, Gramckow

In Stuttgart diskutierte unser US-Experte Claus Gramckow (rechts im Bild) mit dem Tagesspiegel-Korrespondenten Christoph von Marschall, moderiert von Katja Burck (SWR Aktuell Radio)

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

In der vergangenen Woche fanden in den USA die ersten richtungsweisenden Wahlen seit der Präsidentschaftswahl 2016 statt. Bei den Midterm Elections wurden ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Das Ergebnis machte eine Spaltung deutlich: zwar verloren die Republikaner im Repräsentantenhaus ihre Mehrheit an die Demokraten, im Senar hingegen konnten sie ihre Mehrheit ausbauen. Wie sich dieses Ergebnis erklären lässt und was es für die USA, aber auch für Europa und Deutschland und die transatlantische Zusammenarbeit bedeutet, diskutierten am Wochenende in Stuttgart Claus Gramckow, Leiter des Transatlantischen Dialogprogramms der Stiftung für die Freiheit in Washington, DC und Christoph von Marschall, Diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion des „Tagesspiegel“, der viele Jahre direkt aus den USA berichtete und einen Zugangspass zum Weißen Haus hatte. 

Die Zwischenwahlen haben in diesem Jahr eine außergewöhnlich intensive Berichterstattung mit sich gebracht, bemerkte die Moderatorin Katja Burck von SWR Aktuell Radio zu Beginn. Noch nie sei das Interesse daran in Deutschland so groß gewesen, was natürlich vor allem dadurch begründet ist, dass Trump Präsident ist.

Die Midterm Elections seien dieses Mal einfach vorherzusehen gewesen und das Ergebnis sei – im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren, wo er selbst auch einen anderen Ausgang prognostiziert habe – keine allzu große Überraschung, fasste Claus Gramckow zusammen.

Zwar sei es richtig, dass die Demokraten mit dem Gewinn des Repräsentantenhauses einen Gewinn zu verzeichnen haben, man müsse jedoch dabei auch beachten, dass Trump eine prozentual niedrige Zustimmung habe und es eine deutliche Opposition ihm gegenüber gebe: „Wenn die Demokraten es unter diesen für sie günstigen psychologischen Bedingungen nicht geschafft hätten, einen Erfolg zu erzielen – wann dann?“, so von Marschall. Strategisch sei dies wichtig, da so die Möglichkeiten bei der Gesetzgebung für Donald Trump ein wenig blockiert sind.

Amerika ist aktuell deutlich gespalten zwischen Großstadt und ländlichem Raum. Die Erfolge der Demokraten wurden vor allem in den Ballungsräumen erzielt, erläuterte Christoph von Marschall weiter. In der Fläche dominieren die Republikaner, Anti-Trump-Kampagnen zeigen nur in den Ballungsräumen Wirkung, nicht jedoch in der Fläche, wo Amerika sehr konservativ ist.

Für die kommende Präsidentschaftswahl 2020 sei es für die Demokraten daher im Wahlkampf besonders wichtig, auch kleine Städte gezielt einzubeziehen und sich auf Themen, Programme und Personen zu konzentrieren, die dort von Interesse und Relevanz sind.

Oft höre man, dass sich bestimmte Bevölkerungsgruppen vergessen gefühlt hätten und Trump für diese Personen eine (gefühlte) Veränderung gebracht habe – bei aller Absurdität, die dadurch entstehe, dass ein Milliardär plötzlich die „forgotten people“ repräsentiere. Nicht zuletzt sei dies auch durch ein über Jahre hinweg gewachsenes Misstrauen in Politiker begründet, so dass Trump durch die Tatsache, dass er per se kein Politiker ist, bei den entsprechenden Bevölkerungsgruppen auf Zuspruch gestoßen ist, betonte Gramckow. „Trump ist nicht der Veränderer, sondern das Symptom einer Veränderung, die längst stattgefunden hat“, resümierte von Marschall.

Dies hänge vor allem mit der Veränderung von Öffentlichkeit und den neuen Formen der Kommunikation zusammen. Noch vor 20 Jahren sei die Informationsbeschaffung hauptsächlich über Tageszeitungen erfolgt und auch bei unterschiedlichen politischen Meinungen habe ein Konsens über die wichtigsten aktuellen Themen und deren Pro- und Contra-Argumente geherrscht. Die Verlagerung auf das Internet, das in Form einer Echokammer dazu genutzt wird, gezielt die eigene Position zu bestätigen, verändere dies. Schon bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 habe es mehr Wähleransprache und -kontakte im und über das Internet gegeben, betonte der Journalist.

Da bei einem Großteil der Kongresssitze bereits im Vorfeld klar ist, wer diese gewinnen wird, gewinnt die Vorwahl und Kandidatenaufstellung noch mehr an Bedeutung. Das hat auch zur Folge, dass hier immer radikalere Kandidaten aufgestellt werden, die sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der Hauptwahl durchsetzen können. Dies sei jedoch kein rein republikanisches Phänomen, sondern gelte ebenso für die Demokraten. In Verbindung mit der technischen Veränderung der Medien und dem immer weiter abnehmenden Willen, die Argumente der anderen Seite anzuhören, führe das zu einer schwierigen Lage: „Der Respekt vor der anderen Haltung wird ausgehöhlt und das ist das Problem, das wir in Amerika heute sehen“, so von Marschall. Auch in Deutschland müsse man aufpassen, dass es nicht zu einer solchen Situation komme.

Durch den Ausgang der Midterm Elections seien dramatische Auswirkungen in den transatlantischen Beziehungen zunächst nicht zu erwarten, so der Korrespondent des „Tagesspiegel“

In Bezug auf Handelsgespräche und einen möglichen Handelskrieg gebe es immer ein gewisses Risikopotential, da die Systeme und Ansichten beider Länder sehr unterschiedlich seien.

Christoph von Marschall rief zur Vorsicht auf, sehr eindeutig erscheinende Sachverhalte vorschnell zu beurteilen. Mit der deutschen oder europäischen Sichtweise werden Dinge leicht verzerrt betrachtet, die in den USA wiederum ganz anders bewertet werden. Auch die Rolle Deutschlands in der Außenpolitik werde von uns selbst anders eingeschätzt als von den Amerikanern, ergänzte Gramckow.

Die Ergebnisse der Wahlen werden dazu führen, dass sich der politische Stillstand verfestigen wird, so Gramckow. Wenn Trump etwas durchsetzen wolle, geschehe das vorrangig über Dekrete, die jedoch keine Gesetze sind und daher bei einem neuen Präsidenten leicht wieder ausgehebelt werden können. Alles, was nun schief gehe oder was er nicht durchsetzen kann, wird Trump immer den Demokraten im Repräsentantenhaus zuschreiben – dem Präsidenten hätte also nichts Besseres passieren können als der aktuelle Wahlausgang.

Für die Wiederwahl werde Trump argumentieren, dass er schon immer gesagt habe, dass es schwierig werde und er gegen große Widerstände kämpfen muss, so dass er eine weitere Amtszeit benötigen werde, um seine Versprechen umzusetzen, so von Marschall.

Es wird für die Demokraten nicht reichen, mit einer reinen Anti-Trump-Kampagne zu versuchen, das Weiße Haus zurückzuerobern. Eine klare Message wird unerlässlich sein, um die Menschen anzusprechen -  gerade auch angesichts der Tatsache, dass Donald Trump genau weiß, wie er in der heutigen Zeit mit den Medien umgehen kann und muss und dies gekonnt für seine Zwecke und Ziele zu nutzen weiß, so das Fazit und der Ausblick unseres Experten Claus Gramckow.

Trump sei der Ansicht, dass der Konflikt mit den Medien ihm nutze und ihn in den Augen seiner Anhänger legitimiere, so von Marschall. Eines müsse man lernen: „Wenn eine Seite die Regeln ändert, bleibt das nicht ohne Auswirkungen auf die andere Seite, selbst wenn diese sich weiter an die Regeln halten würde“. Da Trump so verzerrt mit Fakten umgeht, versuche die andere Seite immer eine Richtigstellung,  was aber oft dazu führe, dass es wie Gegenpropaganda wirkt, obwohl das gar nicht das erklärte Ziel ist. Dieses Risiko müsse man im Kopf behalten und den richtigen Umgang wieder (neu) lernen.

In ihrem Schlusswort betonte Renata Alt, Vizepräsidentin der Deutschen Gruppe von Liberal International und Bundestagsabgeordnete der Freien Demokraten,  dass die USA nicht mit Donald Trump gleichzusetzen seien. Die transatlantischen Beziehungen sind bei allen Schwierigkeiten mit dem Präsidenten weiterhin gut und eng und werden letztlich durch die  Menschen und nicht durch die Politik charakterisiert, schloss Alt.

 

Im Video sehen Sie Christoph von Marschalls Bewertung des Ausgangs der Midterm Elections und einen Ausblick auf die Auswirkungen auf Innen- und Außenpolitik.

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Christoph von Marschall über die US Midterm Elections 2018