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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Wirtschaftswachstum
Am Scheideweg

Deutschland muss 2025 die politischen Weichen für die Rückkehr zum Wirtschaftswachstum stellen. Sonst droht endgültig der Abstieg als führendes Industrieland.
Das bevorstehende Jahr 2025 ist für Deutschland ein Jahr der grundlegenden Entscheidungen.

Das bevorstehende Jahr 2025 ist für Deutschland ein Jahr der grundlegenden Entscheidungen.

© picture alliance / SZ Photo | Olaf Schülke

Das bevorstehende Jahr 2025 ist für Deutschland ein Jahr der grundlegenden Entscheidungen. Dies gilt vor allem für die Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Die letzten Jahre waren, was das wirtschaftliche Wachstum betrifft, hierzulande ein Desaster. Seit 2018 haben wir zwar kräftige Schwankungen des Bruttoinlandsprodukts erlebt, bedingt vor allem durch die Covid-19-Pandemie und ihre inflationären Folgen, aber im Trend gab es kaum noch reales Wachstum. Dies ist ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte seit 1948. Es hebt Deutschland auch negativ von seinen EU-Nachbarländern ab, obwohl deren Wachstumsleistung im globalen Vergleich ebenfalls im Trend eher dürftig ausfiel. Auffallend ist aber insbesondere der Rückstand gegenüber den Vereinigten Staaten, die unter den beiden letzten Präsidenten Trump und Biden durchweg deutlich bessere Ergebnisse erzielten.

Woran liegt die schwache Bilanz? Es gibt eine Fülle von zum Großteil selbst verschuldeten Missständen, die eine stärkere Wirtschaftsdynamik in Deutschland verhindern: D­­­ie Anreize zur Annahme von Arbeit sind durch Bürgergeld und andere arbeits- und sozialpolitische Regelwerke gering, weshalb – trotz Knappheit an Arbeitskräften – eine viel zu hohe Unterbeschäftigung verbleibt; Deutschland ist ein Land mit hohen Unternehmenssteuern, was private Investitionen benachteiligt und den Standort durch Verlagerung von Betrieben ins Ausland schädigt; die Energiekosten sind zu hoch, weil Deutschland einen eigenen – und falschen – Weg der Energieverknappung beschritten hat; das Ausmaß der Bürokratie ist dramatisch gewachsen und erreicht ein atemberaubendes Niveau, auch durch die Einführung (und teils eigene Verschärfung) von EU-weiten Regulierungen. Hinzu kommt schließlich, dass der Staat Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigt und dadurch das Land von der Substanz gelebt hat.

All dies sind keine neuen Probleme. Sie haben sich über Jahre angestaut. Es fehlte an einer grundlegenden Bereitschaft der Politik, die Weichen in Richtung auf mehr Wirtschaftswachstum zu stellen. Dies lag zum einen an einer – ideologisch bedingten – Unterschätzung der Bedeutung von Wirtschaftswachstum, vor allem im linken und grünen politischen Lage. Deren De-Growth-Bewegung hielt Wachstum eher für schädlich als nützlich. Und in ihren jüngeren Ausrichtungen erwartete sie allein von der energiepolitischen Transformation der Wirtschaft einen Wachstumsimpuls, der dann komplett ausblieb, weil der reine Ersatz fossiler durch regenerative Energiequellen für sich noch keinerlei Schub für die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung erbringt. Umgekehrt wurde unterschätzt, dass fehlendes Wachstum oder gar Schrumpfung die Verteilungskonflikte verschärft und dem Populismus in die Hände spielt, weil Teile der Bevölkerung vor allem auf dem flachen Land sich abgehängt fühlen.

Es ist deshalb dringend geboten, die oberste politische Priorität 2025 endlich dem Wirtschaftswachstum zu widmen. Soll Deutschland als führendes Industrieland nicht auf Dauer zurückfallen, gibt es dazu keine realistische Alternative. Dies sieht inzwischen eine Vielzahl von Ökonomen so, wie die große Zustimmung zu dem wirtschafts- und finanzpolitischen Grundsatzpapier von Christian Lindner gezeigt hat. Mit Blick auf die anstehende Verpflichtung zu höheren Verteidigungsausgaben ist zusätzliches Wachstum auch geopolitisch geboten. Diesen Ausgabenbedarf auf Dauer allein aus zusätzlicher Verschuldung decken zu wollen – und dafür die verfassungsrechtliche Schuldenbremse auszuhebeln, wäre höchst fahrlässig. Es könnte dies die fiskalischen Spielräume durch verschlechtere Bonität und höhere Zinsen an den Kapitalmärkten sogar auf Dauer einschränken.

Fazit: Deutschland steht 2025 am Scheideweg. Soll es wieder aufwärtsgehen, kommen wir an einer Offensive der Angebotspolitik nicht vorbei. Sie muss das zentrale politische Thema des Jahres werden.