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Georgien
Wird Allmacht der Regierungspartei im Präsidentenamt fortgesetzt?

Präsidentschaftswahlen finden am Sonntag statt
Bushaltestelle

Plakate sind überall verteilt

© FNF

Am kommenden Sonntag finden in Georgien Präsidentschaftswahlen statt. 25 Kandidaten bewerben sich um das Amt des Staatspräsidenten. Nach einer Verfassungsänderung ist es das letzte Mal, dass der Präsident in direkter Wahl vom Volk gewählt wird. Freiheit.org sprach mit dem Projektleiter der Stiftung für die Freiheit, Peter-Andreas Bochmann, über die Kandidaten und die Stimmung im Land im Vorfeld der Wahlen.

25 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich um den Posten des Staatsoberhauptes. Wie kommt es zu einer solch hohen Zahl an Kandidaten?

Das georgische Parteiensystem ist noch recht vielfältig und teilweise unübersichtlich. Es handelt sich mehrheitlich um Klientel- oder Netzwerkparteien, denn um Programmparteien. Auch ist die Bereitschaft, Koalitionen in der Sache einzugehen und dafür persönliche Befindlichkeiten zurückzustecken, noch nicht sonderlich ausgeprägt. Die hohe Zahl von Bewerbungen zeugt nicht unbedingt von einer besonders erfahrenen politischen Elite.

Auffällig ist übrigens, dass sich die 2/3-Regierungsmehrheit des sogenannten „Georgischen Traums“ bei dieser Wahl hinter einer unabhängigen Kandidatin versteckt – der früheren Außenministerin Salome Surabischwili.

Wie viele ernsthafte Kandidaturen mit realistischen Erfolgsaussichten sind darunter?

Nach den vorliegenden, unabhängigen Umfragen sollte man davon ausgehen, dass es im 1. Wahlgang keine absolute Mehrheit geben wird. Die Regierungsmehrheit sollte ein solches Ergebnis – ebenso wie eine geringe Wahlbeteiligung – durchaus als eine Missbilligung ihrer Politik verstehen.  Nach dem 1. Wahlgang wird vieles davon abhängen, ob und wie viele Parteien der Opposition sich für den 2. Wahlgang auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können. Am Ende darf aber davon ausgegangen werden, dass Salome Surabischwili, die von der Regierungspartei unterstützt wird, die nächste Präsidentin Georgiens sein wird.

Die Kandidatin der Regierungsmehrheit tritt zwar als unabhängige Kandidatin an, wird aber anscheinend vom Regierungsapparat kräftig unterstützt. Sie erhält anscheinend auch überdurchschnittlich hohe finanzielle Unterstützung. Kann man unter diesen Voraussetzung von Chancengleichheit der Bewerber sprechen?

Es ist in der Tat so, dass die Kandidatin der Regierungsmehrheit einen ganz besonderen Zugang zu Großspenden aus der Wirtschaft, aber auch aus der Politik hat. Damit hat sie ganz sicher einen Wettbewerbsvorsprung. Das ist aber leider keine Besonderheit dieser Wahl in Georgien. Sie steht damit in einer gewissen Tradition, die natürlich bedenklich stimmen muss.

Plakat
© FNF

Mit wie viel Aufwand die regierende Partei „Georgischer Traum“ die Wahlkampfkampagne für Salome Surabischwili führt, zeigt folgendes Beispiel: Neben der massiven Plakat- und Billboard-Werbung im ganzen Land wird ihr Konterfei sogar bei Handyspielen eingeblendet. Befremdlich ist für mich auch, dass Khaka Kaladze – seit einem Jahr Oberbürgermeister der Hauptstadt Tiflis, aber gleichzeitig Generalsekretär des „Georgischen Traums“ und Wahlkampfmanager von Salome Surabischwili – in den Medien nur noch als Parteifunktionär in Erscheinung tritt. Kommunalpolitik geht anders und die Hauptstadt bräuchte dringend einen Chef, der sich um die Stadt kümmert.

Gibt es einen liberalen Kandidaten?

Ja. Der ehemalige Parlamentspräsident und langjährige Vorsitzende der Republikanischen Partei Georgiens, David Usupaschwili, ist unter den Kandidaten.

Er steht derzeit nach Umfragen bei elf Prozent und damit auf Platz drei. Allerdings tritt er nicht mehr für seine alte Partei an. Die Akzeptanz des Begriffs Liberalismus hat in Georgien in einer Zeit von zunehmendem Nationalismus und einem verstärkten Einfluss religiösen Konservatismus einen schweren Stand.

Es hat den Anschein, als ob der Wahlkampf wieder einmal mit üblen parteipolitischen Beschimpfungen, die auf vielen kryptischen Gesprächsmitschnitten beruhen, geführt wurde. Wie ist dies im Zusammenhang mit den euro-atlantischen Aspirationen Georgiens zu bewerten?

Es ist in der Tat so, dass vor allem in den letzten Wochen der Umgangston immer rauer wurde. Gegenseitige Beleidigungen und Beschuldigungen, dass der politische Opponent das Land ruinieren wolle, waren wichtiger als Sachfragen. Und wie schon im Wahlkampf 2016 kam es wieder zur Veröffentlichung illegaler Telefonmitschnitte, die den Gegner diskreditieren sollten. Die georgische Politik wird wohl nicht umhin kommen, dieses Verhalten einmal auf seine Wirkung im befreundeten Ausland – vor allem in Europa – kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Welche Rolle spielt das Staatsoberhaupt eigentlich in der Verfassung des Landes?

Nach einer Verfassungsänderung, die noch in der Präsidentschaft Saakaschwilis eingeführt wurde, hat das Staatsoberhaupt eher repräsentative und protokollarische Aufgaben. Die Regierung wird direkt vom Parlament eingesetzt und kontrolliert. Trotzdem kann ein gutes Staatsoberhaupt – wie auch in Deutschland – für das politische Zusammenleben in Georgien wertvolle Dienste leisten. Allerdings wäre dann auch zu wünschen, dass die Regierungsmehrheit sich nicht wie in den vergangenen Jahren zum Hauptfeind des Staatspräsidenten erklärt. Das permanente Kritisieren, gar Beschimpfen des Präsidenten durch ranghohe Vertreter der Regierungspartei – auch wenn er sich nur moderat in die politische Debatte einmischte – zeugt nicht gerade von Hochachtung gegenüber dem Amt. 

Der bisherige Staatspräsident ist nicht zur Wiederwahl angetreten. Wie ist dies zu bewerten? Er war bei seiner Wahl ja Kandidat der Regierungsmehrheit vom Georgischen Traum.

Darum geht es ja. Giorgi Margwelaschwili hat sich während seiner Amtszeit um Überparteilichkeit bemüht, so wie es die Verfassung eigentlich vorsieht. Dadurch hat er keine Freunde gewonnen. Im Gegenteil: Vor allem der Parlamentspräsident, eigentlich auch Repräsentant eines Verfassungsorgans, verrannte sich in einen permanenten Kleinkrieg mit dem Staatsoberhaupt. Eine erneute Kandidatur Margwelaschwilis war somit nahezu undenkbar – der Wahlkampf wäre in eine noch üblere Schlammschlacht ausgeartet. Dem hat sich der derzeitige Präsident anscheinend entzogen.

Nach einer kürzlich erfolgten Verfassungsänderung ist dies wohl die letzte Volkswahl des Staatsoberhauptes. Welche langfristige Bedeutung hat dann diese Wahl?

Die Parlamentsmehrheit wollte ganz offensichtlich schon für diese Wahl eine Verfassungsänderung durchsetzen, nach der der Präsident von einem speziellen Organ gewählt worden wäre – einer Versammlung aus allen Abgeordneten mit derselben Anzahl an Delegierten aus den Provinzen. Das wird dann in fünf Jahren so ablaufen. Und damit hat dann die regierende Mehrheit kein ernsthaftes Problem mehr, eine Person ihres Vertrauens durchzusetzen. Ob das für die Demokratie in dem Lande gut ist, muss sich zeigen. Allerdings gibt es ja auch bei uns keine Direktwahl des Staatsoberhauptes – allerdings bei einer etwas anders aufgestellten Parteienlandschaft vor allem in den Bundesländern. Davon ist Georgien noch meilenweit entfernt.

Wie wird das Projekt Südkaukasus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Wahl erleben?

Wir werden mit einer eigenen Wahlbeobachtungsmission – bestehend aus Vertretern unserer Partner aus Armenien und Georgien – den Ablauf der Wahl begleiten. Außerdem stellt die OCZE eine Wahlbeobachtungskommission. Ich gehe von freien und fairen Wahlen aus, es gibt aber auch Stimmen, die das anzweifeln. Man wird sehen, zu welchem Schluss die Wahlbeobachter kommen.