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Israel
"Die Freundschaft zwischen Israel und Deutschland ist ein Wunder"

75 Jahre Israel – Perspektiven aus zwei Ländern
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Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit; Maya Zehden, Stellvertretende Vorsitzende der DIG Berlin und Brandenburg e.V.; Marko Martin, Schriftsteller; Ahmad Mansour, Diplom-Psychologe und Publizist

© FNF

Begrüßungsworte von Karl-Heinz Paqué anlässlich der Veranstaltung „75 Jahre Israel – Perspektiven aus zwei Ländern“
 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste,

es ist mir eine große Freude und ein großes persönliches Anliegen, Sie anlässlich des in wenigen Tagen anstehenden 75. Jubiläums der Staatsgründung Israels zu dieser festlichen Podiumsdiskussion im Hans-Dietrich-Genscher-Haus begrüßen zu dürfen.

75 Jahre Israel – da sage ich „Mazel Tov“!

Haben Sie vielen Dank dafür, dass Sie so zahlreich der Einladung unserer Stiftung und unseres Kooperationspartners, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg, gefolgt sind. 

Die heutige Freundschaft zwischen Deutschen und Israelis ist vor dem Hintergrund des grausamen Menschheitsverbrechens, des Holocausts, von Deutschen an Juden begangen, nicht weniger als ein Wunder. Wenn Deutschland heute wieder über eine wachsende jüdische Gemeinde verfügt und junge Israelis Deutschland für sich entdecken, dann dürfen wir dankbar sein.

Es ist etwas Besonderes, dies am Vorabend jenes Tages zu sagen, an dem sich zum 80. Mal der Aufstand im Warschauer Ghetto jährt – jenes todesmutigen Widerstands gegen die brutale Behandlung durch die deutschen Besatzer auf jenem gerade mal drei Quadratkilometer großen Gebiet der Stadt, in dem über 450.000 Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen zusammengedrängt waren. Zur Erinnerung daran werden morgen die Staatspräsidenten von Israel, Polen und Deutschland Jitzchak Herzog, Andrzej Duda und Frank-Walter Steinmeier in Warschau zusammenkommen. 

Wir sind froh, dass es zahllose Menschen in Israel und Deutschland gibt, die das Wunder der Freundschaft zwischen beiden Ländern ermöglichen und mit Leben füllen.

Und so kann ich mir keinen schöneren Auftakt für den heutigen Abend vorstellen als die musikalische Darbietung des Pianisten Naaman Wagner zusammen mit Shelly Ezra, hochgeschätzte Stipendiatin unserer Stiftung und Mitglied des Ensembles der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit mit dem bezeichnenden Namen MUSICA LIBERA, auf das wir besonders stolz sind.

Liebe Frau Ezra, lieber Herr Wagner, mein Dank gilt Ihnen nicht nur für die musikalische Flankierung des heutigen Festabends, sondern viel grundsätzlicher für ihr tagtägliches Wirken und ihren Beitrag zur Vertiefung der Freundschaft zwischen Deutschland und Israel.

75 Jahre, das ist ein noch junges Alter für einen Staat, der in manchen Bereichen – ich denke an Forschung und Hochtechnologie – zu den erfolgreichsten der Welt gehört und dessen freiheitliche Zivilgesellschaft gerade in den letzten Monaten eindrucksvoll ihre Resilienz und Dynamik unter Beweis gestellt hat.

Die Vitalität der Liberalen in Israel, darunter übrigens manche Freunde aus dem Partnerspektrum unserer Stiftung - aus dieser Vitalität speist sich die Hoffnung auf eine Zukunft Israels und seiner Nachbarn in Frieden, Wohlstand und Demokratie. Aus unserer Vergangenheit begründet sich für uns das Existenzrecht Israels als Staatsraison, wie es Angela Merkel formulierte. Aber unsere gemeinsame Zukunft fußt auf gemeinsamen Werten von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie.

Das 75. Jubiläum der Staatsgründung Israels ist Ausgangspunkt des heutigen Abends, bei dem wir gemeinsam mit unseren Gästen auf die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel blicken, einer Beziehung, deren Ausgangslage und Entwicklung historisch einzigartig sind und die sich inzwischen in tausenden deutsch-israelischen Biographien im 20. und 21. Jahrhundert niedergeschlagen hat.

Beispielhaft darf ich an die Biografie über die Familie Seligmann erinnern, in der auf außergewöhnliche Weise fühlbar wird, wie die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts deutsch-jüdische Familienschicksale bestimmt hat.

In seinen Büchern „Lauf Ludwig, lauf“ (2019), „Hannah und Ludwig“ (2020) und „Rafi, Judenbub“ (2022) erzählt der 1947 in Tel Aviv geborene und im Jahr 2021 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Rafael Seligmann schonungslos die Geschichte seiner Familie, beginnend mit der Geburt seines Vaters Ludwig Seligmann im bayerisch-schwäbischen Ichenhausen im Jahr 1907.

Rafael Seligmann schildert in seiner Trilogie das Leben einer wohlsituierten Kaufmannsfamilie, für die sich mit dem Aufstieg der Nazis alles ändert- bis hin zur Flucht nach Palästina 1933. Doch auch in der neuen Heimat angekommen blieb Deutschland in der Gedanken- und Gefühlswelt der Seligmanns omnipräsent. Rafael Seligmann zitiert seinen Vater Ludwig mit den Worten:  "… Die Heimat (kann man) nicht wie ein gebrauchtes Hemd wechseln. Durch unsere vertraute Muttersprache und die Tradition waren wir unser Lebtag unentrinnbar mit Deutschland verbunden“.

Nach persönlichen Schicksalsschlägen im neu gegründeten Staat Israel kehrten Ludwig Seligmann und seine Frau Hannah schließlich im Jahr 1957 mit dem inzwischen 10-jährigen Sohn Rafael nach Deutschland zurück, wo sie sich auch in der Nachkriegszeit mit Vorurteilen gegen Juden konfrontiert sahen. Allen Hindernissen zum Trotz machte Rafael Seligmann das Abitur, studierte Geschichte und gründete im Jahr 1985 die Jüdische Zeitung, deren erster Chefredakteur er wurde.

Was für eine deutsch-israelische Geschichte! Und wohlbemerkt: nur eine von vielen, die wir einem Journalisten verdanken, der sie niedergeschrieben hat. Viele andere bewegende Geschichten und Lebensschicksale bleiben un-erzählt.

Ein besonderer Mosaik-Stein der Erinnerung stand in den vergangenen Jahren bei einer riesigen Zahl von Veranstaltungen der Friedrich-Naumann-Stiftung im Mittelpunkt – in Schulen, Kinos, Kulturzentren:

Es war die unvorstellbare Geschichte des Sally Perel, der sich, als jüdischer Junge von den Nazis verfolgt, als Hitlerjunge ausgibt, um zu überleben. Er verstarb im Februar 2023 im Alter von 97 Jahren in Israel. Wir gedenken seiner an dieser Stelle in großer Dankbarkeit für sein Lebenswerk. Er hat vielen jungen Menschen geholfen, die Vergangenheit zu verstehen.

Wir beklagen in diesen Jahren bewusst und schmerzlich den voranschreitenden Verlust der letzten Generation von Zeitzeugen der Nazizeit und des Holocausts. Mit Ihnen verlieren wir die authentischsten Mahner gegen Antisemitismus und Rassismus. Aber, und das stimmt hoffnungsfroh: Es folgt eine neue Generation deutsch-israelischer Brückenbauer, die sich hierzulande den neuen Gefahren eines zunehmenden Antisemitismus entgegenstellen. Denn das ist leider nötig, wie gerade die Erfahrung der letzten Jahre in Deutschland zeigt. Ich sage hier deutlich: Der Antisemitismus darf in Deutschland keinen Platz mehr haben, völlig egal von welcher politischen oder religiösen Seite er kommt.

In Laufe des heutigen Abends werden wir Persönlichkeiten miteinander ins Gespräch bringen, die in ihren Lebensläufen Erfahrungen aus Israel und Deutschland vereinen und hierbei Themen besetzen, die ihrer Generation und ihrer Zeit entspringen.

Ihnen, liebe Nelly Kranz, lieber Marko Martin und lieber Ahmad Mansour möchte ich meinen Dank aussprechen dafür, dass Sie uns heute Abend als Podiumsgäste unter der Moderation von Maya Zehden mit ihren ganz individuellen Biographien Einblicke in das große Mosaik deutsch-israelischer Beziehungen gewähren. Seien Sie uns herzlich willkommen.

Als Brückenbauer vermitteln Sie zwischen Deutschland und Israel und fördern Verständnis und Austausch zwischen den Ländern. Damit spielen Sie eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Verbindungen zwischen beiden Ländern und tragen dazu bei, die deutsch-israelische Geschichte weiter fortzuschreiben.

Auch in Israel gibt es viele Deutsche, die das Land als Sehnsuchtsort für sich entdeckt haben. Auch sie helfen dabei, die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu stärken und den Austausch in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur voranzutreiben.

Aber nun genug der Worte meinerseits. Gemeinsam mit Ihnen, liebes Publikum, freue ich mich auf die Podiumsdiskussion zu deutsch-israelischen Perspektiven auf 75 Jahre Israel.

Ich bin sicher, die individuellen Geschichten von Nelly Kranz, Marko Martin und Ahmad Mansour werden unsere deutsch-israelischen Beziehungen weiter vertiefen.

Mazel Tov!

Und nun übergebe ich das Wort sehr gerne an Maya Zehden, die stellv. Vorsitzende unseres geschätzten Kooperationspartners, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg. Sie wird uns durch diesen spannenden Abend führen. Ganz herzlichen Dank dafür, liebe Frau Zehden!

Und herzlichen Dank an Sie alle, meine Damen und Herren, für ihre Aufmerksamkeit.