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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

US-Zölle
Zerstörung durch Zölle

Donald Trump greift die Welthandelsordnung frontal an. Darauf muss die EU entschlossen, aber besonnen reagieren.
Präsident Donald Trump spricht während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses,

Präsident Donald Trump spricht während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mark Schiefelbein

2. April 2025, 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit: eine historische Stunde. Donald Trump gibt in Washington D. C. seine lang erwarteten Zollpläne bekannt. Die Liste der Zollerhöhungen gegenüber unterschiedlichen Ländern und Regionen der Welt ist lang, weist aber sehr große internationale Unterschiede auf: von 10 Prozent, dem „Minimal-Zollsatz“, bis zu knapp 50 Prozent, offenbar je nach Höhe des Handelsbilanzüberschusses – berechnet gemäß einem Schlüssel, der nicht im Detail, wohl aber in der Größenordnung nachvollziehbar ist. Argentinien und Brasilien zum Beispiel trifft es "nur" mit 10 Prozent, weil sie gegenüber den USA ein Handelsbilanzdefizit aufweisen, also mehr importieren als exportieren; die EU dagegen landet wegen ihres bilateralen Überschusses bei 20 Prozent, Vietnam und Kambodscha gar bei über 40 Prozent.

Also tatsächlich wie angedroht nach Trumps Prinzip der Reziprozität "Strafzölle" wegen vermeintlich unfairen Wettbewerbs, ein Verfahren, das eklatant gegen die Regeln der Nicht-Diskriminierung der Welthandelsordnung verstößt. Wirtschaftlich noch wichtiger ist das hohe globale Durchschnittsniveau des Zollschutzes, nach ersten Berechnungen das höchste seit dem 19. Jahrhundert - höher noch, als die berüchtigten Zolltarife des Smoot-Hawley-Acts von 1930, der damals die Weltwirtschaftskrise massiv verschärfte. Entsprechend panisch reagierten die Börsen und der Devisenmarkt: amerikanische Aktienkurse rauschten nach unten, der Dollar ebenso.

Klar ist, dass sich die USA mit den "Trump-Tariffs" massiv selbst schaden, denn viele importierte Vor- und Zwischenprodukte werden für die amerikanische Industrie teurer - und das wird über die globalen Wertschöpfungsketten die Preisinflation in den USA anheizen und die Realeinkommen senken. Ein skurriles Beispiel dafür ist der Sportartikelproduzent NIKE, der seine Schuhe in Vorstufen in Vietnam produzieren lässt - NIKE-Aktien brachen auch gleich besonders kräftig ein. Aber auch zur Erfüllung von Trumps Herzenswunsch, der Verbesserung der amerikanischen Handelsbilanz, wird es auf Dauer nicht kommen, denn die würde voraussetzen, dass der inländische Verbrauch sinkt und die Ersparnis steigt, damit der Nettokapitalzufluss aus dem Ausland abnimmt. In dieser Hinsicht ist aber von Trump politisch nichts geplant.

Trumps Weltzolltag wird Realität

US-Präsident Donald Trump zeigt eine Durchführungsverordnung über „gegenseitige Zölle“ im Rosengarten des Weißen Hauses in Washington, D.C., Vereinigte Staaten, am 2. April 2025

Trumps „Weltzolltag“ setzt neue Handelsregeln: Mit hohen Zöllen bringt er die Weltwirtschaft in Bedrängnis, löst Gegenmaßnahmen aus und trifft dabei auch seine eigenen Wähler. Ein riskantes Manöver mit ungewissen Folgen.

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Kurzum: ein absurdes Programm der Protektion! Ob Trump diese Erkenntnis – falls er sie jemals haben wird – alsbald zur Umkehr motivieren wird, ist fraglich, zumal es Monate und Jahre dauern kann, bis sich die Bilanz seiner Politik klar abzeichnet. Bis dahin müssen die Handelspartner reagieren. Vor allem für die EU gilt: entschlossen, aber besonnen. Zwei Wege liegen nahe: Zum einen sollte kurzfristig die Bereitschaft zu Verhandlungen signalisiert werden - natürlich auch mit der erkennbaren Option, auf Vergeltungsmaßnahmen zurückzugreifen, die dann amerikanische Exporte hart treffen könnten. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Die offene Eskalation eines Handelskriegs zwischen NATO-Partnern wäre eine enorme politische und wirtschaftliche Belastung.

Bleibt die mittel- und langfristige Umorientierung der weltwirtschaftlichen Integration. Am besten wäre natürlich eine Fortsetzung der Globalisierung bei liberaler Handelspolitik mit voller Beteiligung der USA. Aber wenn der amerikanische Präsident dies partout nicht mehr will, muss es auch ohne sie gehen. Amerika ist groß, wohlhabend und technologisch stark, aber in der weltweiten Arbeitsteilung nicht unverzichtbar. Europa könnte sich mit dem forcierten Abschluss von Handelsverträgen ein neues weltweites Netz aufbauen - und hat dies ja auch in der Vergangenheit in Ansätzen schon getan. Unter den BRICS-Ländern warten Indien und Indonesien, Brasilien und natürlich auch China nur darauf, die entstehenden Marktlücken zu füllen. Viele weitere Nationen auf allen möglichen Entwicklungsniveaus könnten folgen. Kein Land ist unentbehrlich, selbst die Vereinigten Staaten nicht. Natürlich brächte ein solcher Weg auch gewaltige geopolitische Herausforderungen mit sich, denn mit dem wirtschaftlichen Gewicht der USA in der Globalisierung würde auch ihr politischer und militärischer Einfluss schwächer. Europa müsste dies kompensieren – durch aktivere Außenpolitik und stärkere Aufrüstung. Aber das steht ohnehin an, es würde nur noch dringlicher.

Fazit: keine schöne neue Welt der Globalisierung, aber doch eine Möglichkeit, mit dem amerikanischen Zerstörungswerk vernünftig umzugehen. Der Erhalt der liberalen Welthandelsordnung ist eben im Zweifelsfalle wichtiger als die aktive Beteiligung der Vereinigten Staaten.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
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