Frankreich
Frankreichs neue Regierung – Wie geht es jetzt weiter?
Seit vergangenem Samstag hat Frankreich nun endlich eine neue Regierung. Michel Barnier, der das Amt des Premierministers vor knapp drei Wochen übernommen hat, beendet mit der Verkündung eine monatelange politische Hängepartie. Nachdem Präsident Emmanuel Macron als Reaktion auf den überwältigenden Sieg der Rechtsextremen bei der Europawahl überraschend Neuwahlen in Frankreich ausgerufen hatte, befand sich Frankreich in den letzten elf Wochen praktisch in einer politischen Starre. Die Ergebnisse dieser Neuwahlen im Juli hatten die französische Politik in eine Pattsituation geführt, da weder eine Partei noch eine Koalition in der Lage gewesen ist, eine absolute Mehrheit zu erzielen. Trotz der Tatsache, dass die neue Regierung Macrons Macht weiterhin festigt, handelt es sich wohl eher um einen politischen Kompromiss.
Rechtsruck in der neuen Regierung
Das neue Kabinett unter der Führung von Barnier, dominiert von Konservativen und Zentristen, wird als das rechtslastigste seit mehr als einem Jahrzehnt bezeichnet. Schlüsselposten in der Regierung werden zwar weiterhin durch das Präsidentenlager besetzt – so bleiben Sébastian Lecornu und Richida Dati als Verteidigungsminister und Kulturministerin im Amt, während Anne Genetet die neue Ministerin für Bildung und Antoine Armand Wirtschafts- und Finanzminister werden. Auch die deutsch-französischen Beziehungen liegen mit der Besetzung durch Benjamin Haddad weiterhin in der Hand der Renaissance-Partei, während Jean-Noël Barrot Minister für europäische und auswärtige Angelegenheiten mit (Mouvement Démocrate, Teil des Präsidentenbündnisses) wird - jedoch ist der Einfluss der konservativen Partei erheblich. Deutlich wird das unter anderem durch die Besetzung des Postens des Innenministers durch Bruno Retailleau (Les Républicains). Er gilt als entschiedener Wertekonservativer und verfolgt in der Sicherheits- und Einwanderungspolitik eine radikale Agenda. Seine rechtsgerichtete Haltung hat selbst unter den Anhängern Macrons Unbehagen ausgelöst. Einziger Vertreter aus dem linken Spektrum ist Didier Migaud als neuer Justizminister. Zuvor hatten mehrere linksorientierte Politiker das Angebot von Barnier nicht angenommen, da sie die neue rechts-konservative Ausrichtung der Regierung ablehnen.
Parlamentarische Herausforderung trotz Einigung
Trotz der Einigung reichen die Stimmen des Bündnisses jedoch nicht aus, um Gesetze im Alleingang verabschieden zu können. Das Präsidentenlager und die Konservativen Républicains haben zusammen 213 der insgesamt 577 Sitze in der Nationalversammlung. Das Parlament bleibt also gespalten, und Frankreichs neue Regierung ist auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen. Insbesondere die rechtsextreme Partei Rassemblement National unter der Führung von Marine Le Pen, die ihre Sitzzahl auf 143 erhöhen konnte, wird dabei eine Rolle spielen.
Während die extrem Rechten sich derzeit zurückhalten, kündigte die oppositionelle Linke bereits ein Misstrauensvotum an. Allerdings verbietet es die französische Verfassung, die Nationalversammlung innerhalb eines Jahres nach Parlamentswahlen, die aufgrund einer vorherigen Auflösung des Parlaments stattfanden, erneut aufzulösen. Nichtsdestotrotz lässt die Ankündigung des Misstrauensvotums wenige Tage nach der Regierungsbildung tief blicken. Auch der sozialistische Parteichef Oliver Faure bezeichnete diese Zusammensetzung als „reaktionäre Regierung, die der Demokratie den Mittelfinger zeigt“. Innenpolitisch sieht sich die neue Regierung daher nicht unbedingt in einer günstigen Ausgangslage.
Balanceakt zwischen extremen Positionen
Aus liberaler Perspektive dürfte die neue Regierung trotz der besorgniserregenden Tendenzen in den Wahlergebnissen, die sowohl nach links als auch nach rechts in die politischen Extreme ausschlagen, mit entsprechend positiver Resonanz aufgenommen werden. Die Renaissance-Partei wird auch nach den Neuwahlen eine bedeutende Rolle in Frankreich spielen und trägt somit zur Sicherung der europäischen Zusammenarbeit sowie zur Festigung der deutsch-französischen Beziehungen bei.
Auf europäischer Ebene ist vorläufig keine signifikante Veränderung in der politischen Ausrichtung Frankreichs zu erwarten. Die Anhänger Macrons besetzen weiterhin zentrale Ministerien, was darauf hindeutet, dass Frankreichs Standpunkt in bedeutenden wirtschaftspolitischen Belangen voraussichtlich stabil bleibt. Obwohl die neue Regierung eine deutlichere Tendenz nach rechts aufweist ist es Macron gelungen, eine Koalition mit den rechtsextremen der Rassemblement Nationale als auch den linken der Nouveau Front Populaire zu vermeiden. Die französische Regierung steht nun in der Verantwortung, den klaren Erwartungen der demokratischen Parteien gerecht zu werden und sich der Herausforderung erstarkender extremistischer Parteien auf beiden Seiten entgegenzustellen. Andernfalls könnten die extremen Parteien in der kommenden Regierungsperiode leicht die Stimmung im Land zu ihrem Vorteil nutzen – mit Blick auf die französische Präsidentschaftswahl 2027 keine beruhigenden Vorzeichen.