Ukraine
Freiheit braucht Mut.

Prof. Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, eröffnet die 19. Rede zur Freiheit
© (C) Frank Nürnberger19. BERLINER REDE ZUR FREIHEIT
mit S.E. Oleksii Makeiev, Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland
Sehr geehrter Herr Botschafter Makeiev,
verehrte Exzellenzen,
liebe Mitglieder der Parlamente,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,
ich begrüße Sie herzlich im Namen der Friedrich-Naumann-Stiftung zur diesjährigen „Rede zur Freiheit“.
Die Rede zur Freiheit ist für uns jedes Jahr ein ganz besonderes Ereignis. Sie gibt uns die Gelegenheit, den Blick auf Gesellschaften zu richten, in denen Freiheit bedroht ist – und auf jene Menschen, die sie mit unerschütterlichem Einsatz verteidigen. Es ist daher nur folgerichtig, dass wir die diesjährige Rede zur Freiheit dem unermüdlichen Kampf der Ukrainerinnen und Ukrainer widmen, die mit ihrem mutigen Aufbäumen gegen die russische Aggression die demokratische Zukunft unseres Kontinents verteidigen.
Wer in den vergangenen Jahren Events der Friedrich-Naumann-Stiftung besucht hat, der weiß, dass wir bereits viele unserer Veranstaltungen der Ukraine gewidmet haben – stets verbunden mit dem Appell, nicht in der Unterstützung nachzulassen und die Aufmerksamkeit auf der Ukraine zu halten. Heute tun wir dies unter veränderten Vorzeichen. Heute ist es dringender denn je. Allianzen, die wir, die ich, noch vor ein paar Wochen für unverrückbar hielten, sind heute offen in Frage gestellt.
Als überzeugtem Transatlantiker fallen mir diese Worte besonders schwer. Schließlich sitzen wir hier zusammen, unweit vom Brandenburger Tor, wo einst ein amerikanischer Präsident in tiefer Überzeugung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit den Anführer der Sowjetunion dazu aufforderte, die Berliner Mauer zu öffnen. Wir sitzen hier zusammen in einer Stadt, deren Bewohnerinnen und Bewohner zur Zeit der Besatzung ohne die Schutzmacht USA womöglich nicht überlebt hätten.
Vor diesem Hintergrund machen die Vorgänge der letzten Wochen im Weißen Haus bestürzt. Die westliche Führungsmacht verabschiedet sich demonstrativ aus ihrer Rolle, die freie Welt zu verteidigen. Wir Europäer werden von der neuen U.S.-Administration nicht mehr als Wertepartner, sondern bestenfalls als Konkurrenten betrachtet. Diese Bestürzung darf aber nicht in Ohnmacht münden.
Denn auch das gehört zur Wahrheit: Viel zulange hat Europa, hat Deutschland, es sich in der eigenen Tatenlosigkeit bequem gemacht und die Zeichen der Zeit nicht sehen wollen. Viel zulange haben wir einer wohlmeinenden Ostpolitik nachgehangen und uns strategisch abhängig gemacht. Viel zulange haben wir uns darauf ausgeruht, dass die Vereinigten Staaten uns im Ernstfall verteidigen und dafür die Hauptkosten tragen werden. Was Präsident Trump jetzt im feindseligen Ton einfordert, haben seine Vorgänger im Amt längst verlangt: Europa muss endlich mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehmen.
Doch gerade in Deutschland pflegen wir die gefährliche Angewohnheit, unangenehme Wahrheiten so lange beiseite zu schieben, bis wir von der Realität eingeholt werden. Das gilt für unsere Versäumnisse in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, genauso wie für unser Augenverschießen vor Putins Ankündigung, das zerfallene sowjetische Großreich wiederherzustellen. Etwas, vor dem uns unsere polnischen und baltischen Partner im Übrigen seit Jahren eindringlich und widerholt gewarnt haben. Für diese gefährliche Ignoranz zahlt die Ukraine nun den bitteren Preis.
Europa steht nun vor der großen Herausforderung, binnen kürzester Zeit seine Rolle in der Welt neu definieren zu müssen und unsere Wehrfähigkeit an die weltpolitischen Realitäten anzupassen. In Deutschland müssen wir das zu einer Zeit tun, in der die liberale Stimme im Bundestag fehlt und die Ränder rechts und links des politischen Zentrums erstarken. In einer Zeit, in der russische Narrative, befeuert von Politikern der AfD, des BSW und von Teilen der Linken, an Boden gewinnen und der notwendige sicherheitspolitische Kurswechsel als Kriegstreiberei diffamiert wird.
Gerade um die Verteidigungsausgaben wurde in den letzten Wochen viel gerungen und debattiert: im Bundestag, auf den Straßen, vielleicht auch in Ihrem Wohnzimmer. Lassen Sie mich deshalb eines klarstellen: Für uns Liberale ist es völlig klar, dass hohe zusätzliche Ausgaben notwendig sind, um die Ukraine, um Europa, zu verteidigen. Ob dies durch eine Aufweichung der Schuldenbremse passieren muss, darüber lässt sich streiten.
Unstrittig ist jedoch, dass Europa aus seiner Apathie erwachen muss, um den Feinden der Freiheit etwas entgegensetzen zu können. Erste wichtige Schritte dazu sind erfolgt, aber viel mehr muss noch folgen. Dazu gehört eine massive Aufrüstung unserer Bundeswehr, ein Hochfahren unserer Produktionskapazitäten, eine europäische Verteidigungsunion, die diesen Namen verdient, als eine Art „Koalition der Willigen“, und eine umfängliche Unterstützung der Ukraine, die Taurus-Lieferungen einschließt. Das ist keine Kriegstreiberei, meine Damen und Herren – das ist echte Friedenspolitik.
Zu einer echten Friedenspolitik gehört auch, faulen Kompromissen im Deckmantel von Friedensdiplomatie eine Absage zu erteilen. Ein Frieden ohne echte Sicherheitsgarantien für die Ukraine ist nichts anderes als eine Atempause für Putin in Vorbereitung auf den nächsten Schlag. Und dieser endet womöglich nicht an ukrainischen Grenzen.
Es ist also nicht nur unsere moralische Pflicht, die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Überlebenskampf beizustehen. Es ist gleichzeitig zutiefst im Interesse Europas, im Interesse der Freiheit. Denn die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen nicht nur für ihre Heimat. Sie kämpfen für ein freies Europa. Sie kämpfen für uns. Wir müssen also, jeder von uns, unseren Beitrag zu diesem Kampf leisten. Zeitenwende ist jetzt. Sie verlangt jedem von uns mehr ab. Auf Europa und auf Deutschland werden daher weitaus größere Lasten zukommen.
Das mag einigen Angst einjagen – mir auch. Als Liberaler bin ich jedoch dem Optimismus verpflichtet. Lassen Sie mich deshalb Altpräsident Joachim Gauck zitieren, der einst sagte: „Angst ist menschlich. Mut aber auch“. Freiheit braucht Mut. Und Mut ein Gesicht: Es ist das Gesicht der Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich jeden Tag dem vermeintlich überlegenen Aggressor stellen. Lassen Sie uns daher Inspiration aus dem Mut der Ukrainer schöpfen und endlich unserer Verantwortung für Sicherheit in Europa gerecht werden.
Zum Schluss meiner Begrüßung darf ich seine Exzellenz Botschafter der Ukraine Oleksii Makeiev auf die Bühne bitten. Sehr geehrter, lieber Herr Makeiev, Sie repräsentieren seit 2022 Ihr Land in Berlin. Wir fühlen uns geehrt und bereichert, dass Sie heute hier als Gast der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Rede zur Freiheit halten. Bei dieser Gelegenheit darf ich mich auch herzlich für eine vorzügliche Zusammenarbeit bedanken. Ihre Botschaft und unsere Stiftung, wir haben eine ganze Reihe von Projekten gemeinsam initiiert und durchgeführt. Es war und ist eine große Freude, mit ihnen zusammenzuarbeiten – für die Freiheit.
Exzellenz, Botschafter Makeiev, Sie haben das Wort, the floor is yours. Ich darf Sie auf die Bühne bitten. Ihnen allen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.