Publikation
Großmachtrivaltäten verringern
Da China zu den Hauptmächten im Indopazifik gehört, ist es unerlässlich, Chinas Interessen zu verstehen, um Möglichkeiten zur Kooperation in der Region zu identifizieren. Darum besteht einer der ersten Schritte darin, zu verstehen, welche „Kerninteressen“ China hat. Es gibt Argumente, die dafür sprechen, dass die Definition von Chinas Kerninteressen noch vage ist, gleichzeitig gibt es aber auch mehrere Hinweise seitens der Regierung darauf. Aus dem offiziellen chinesischen Dokument „China‘s Peaceful Development“ („Chinas friedliche Entwicklung“) aus dem Jahr 2011 geht hervor, dass China mehrere Kerninteressen verfolgt, darunter „Staatssouveränität, nationale Sicherheit, territoriale Integrität und nationale Wiedervereinigung, Chinas durch die Verfassung begründetes politisches System und allgemeine gesellschaftliche Stabilität sowie die grundlegenden Schutzmaßnahmen zur Sicherstellung einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung“. Diese Punkte wurden später in Artikel 2 von Chinas nationalem Sicherheitsgesetz von 2015 hervorgehoben, das als Kerninteressen des Landes das politische System, die Souveränität, die territoriale Integrität, die Lebensgrundlage der Menschen, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und andere wichtige Interessen nannte.
Es ist sehr deutlich, dass Chinas Kerninteressen in engem Zusammenhang zum Regierungssystem, zu Souveränität und territorialer Integrität sowie zu nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung stehen. Die ersten beiden Hauptinteressen scheinen unbestreitbar. Zunächst einmal spielen bei Chinas Regierungssystem ideologische Faktoren eine starke Rolle, die nicht verhandelbar sind, auch nicht zum Zwecke der Kooperation. Zweitens ist China bei der Frage seiner territorialen Integrität kaum kompromissbereit. Die Diskussion über Chinas territoriale Integrität ist praktisch untrennbar mit seinen territorialen Ansprüchen verbunden, zum Beispiel auf das Südchinesische Meer und Taiwan. Von daher ist Taiwan für China ein sehr sensibles Thema. Alle dahingehenden Lösungsversuche, mit denen aus chinesischer Sicht böse Absichten verfolgt werden, werden das Problem nur verschärfen. Darüber hinaus kann man aufgrund der Erfahrungen aus lang anhaltenden Streitigkeiten und gescheiterten Schlichtungsbemühungen mit Sicherheit sagen, dass China seinen Anspruch auf das Südchinesische Meer nicht aufgeben wird. Das soll nicht heißen, dass keine weiteren Anstrengungen unternommen werden sollten, um diesen Streit beizulegen. Dennoch können Konfliktmanagement oder Bemühungen, die verhindern sollen, dass sich der Streit in einen offenen bewaffneten Konflikt auswächst, als praktikablere Option als Konflikt- oder Streitbeilegung angesehen werden.
Chinas Interesse an wirtschaftlicher Entwicklung ist möglicherweise die am besten geeignete Basis für Kooperation, da das Land diesem Faktor noch immer viel Beachtung zukommen lässt. Ein Beispiel ist Chinas Förderung regionaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit, wie etwa die Regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP). Außerdem setzt China die Implementierung der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI) fort, um die Zusammenarbeit zwecks Stärkung von Mensch-zu-Mensch-Konnektivität, Finanzen, Handel und Infrastruktur voranzutreiben. Im Zuge dessen schafft China eine neue Plattform für internationale Kooperation und neue Treiber für gemeinsame Entwicklung.[1] Durch die Neue Seidenstraße versucht China, eine für seine wirtschaftlichen Aktivitäten günstige Umgebung zu schaffen.[2] Somit ist klar, dass Chinas wirtschaftliche Entwicklungsinteressen wahrscheinlich die offenste und am besten geeignete Basis für den Aufbau der Kooperation sind, die dringend benötigt wird, um im Indopazifik eine kooperative statt einer konfliktträchtigen Atmosphäre zu schaffen.
[1] Suisheng Zhao, „China’s Belt-Road Initiative as the Signature of President Xi Jinping Diplomacy: Easier Said than Done“, Journal of Contemporary China (2019): S. 4, DOI: 10.1080/10670564.2019.1645 4 83.
[2] Hideo Ohashi, „The Belt and Road Initiative (BRI) in the context of China’s opening-up policy“, Journal of Contemporary East Asia Studies (2018): S. 7, DOI: 10.1080/24761028.2018.1564615