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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Hanau
Der Nährboden des Hasses

Nach den Morden von Hanau weist die AfD jede gesellschaftliche Verantwortung von sich. Sie macht es sich viel zu einfach.
Titel Schwarz

Kaum war die Bluttat von Hanau in den Nachrichten verbreitet, twitterte Jörg Meuthen (AfD): „Das ist weder rechter noch linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren“. Inzwischen stellte Generalbundesanwalt Peter Frank fest, der Täter habe eine „zutiefst rassische Gesinnung“ gehabt, nachweisbar in seinem „Manifest“, das er hinterlassen hat. Und Jörg Meuthen beschwert sich prompt danach auf Twitter, man wolle der AfD die Schuld in die Schuhe schieben. Da geht Wichtiges durcheinander. Unser Vorstandsvorsitzender Professor Paqué erklärt warum.

Um es vorweg klar zu sagen: Niemand spricht von strafrechtlicher Schuld der AfD für die Morde von Hanau. Aber viele sehen eine gesellschaftliche Mitverantwortung der AfD für ein Klima des Hasses, das in Deutschland herrscht. So auch der Verfasser dieser Zeilen. Und selbstverständlich liegt diese Verantwortung auf der rechten Seite des politischen Spektrums, wo ein AfD-Politiker wie Alexander Gauland den Nationalismus als Vogelschiss der Geschichte bezeichnet hat und Björn Höcke gar eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad fordert. Die völkische Hetze der AfD ist täglich im Netz beobachtbar. Und AfD-Wahlkämpfe sind regelmäßig gespickt mit schärfster Polemik gegen Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem gegen Muslime.

Kurzum: Die AfD befördert ein gesellschaftliches Klima, in dem rechtsextreme Verschwörungstheorien grassieren und das paranoid veranlagte Personen mit Zugang zu Schusswaffen verführen kann, Gewalttaten zu verüben. Die Infrastruktur dazu liefert heute das Netz – von der Hasskriminalität bis hin zum sogenannten Schwarmterrorismus. Natürlich gibt es dabei Charaktere, die man geneigt ist, als irrsinnig oder gestört zu bezeichnen, aber dies ändert nichts daran, dass sie durch das Gift eines AfD-gedüngten Nährbodens animiert werden.

Den Verfasser versetzt dies – bei allen gewaltigen Unterschieden der konkreten Themen und Umstände – zurück in die „bleierne Zeit“ des Linksterrorismus in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre. Damals waren es wenige hasserfüllte fanatisierte Täter, die in Westdeutschland einzelne hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter ermordeten. Und manche von ihnen, allen voran Ulrike Meinhof, waren sicherlich psychisch stark belastet, um es vorsichtig zu formulieren. Gleichwohl gab es im universitären Bereich ein riesiges Umfeld von scharf links orientierten Studenten, die jene kapitalismuskritischen Verschwörungstheorien voll teilten, die als Rechtfertigung für die Morde herhielten. Belege dafür gibt es zuhauf, und der Verfasser erinnert sich selbst an nächtelange Diskussionen genau darüber mit links orientierten Kommilitonen. Hatten nicht jene auch eine gesellschaftliche Mitverantwortung für das Klima, in dem die Morde geschahen?

Nochmals: Es geht nicht um strafrechtliche Schuld, sondern um gesellschaftliche Verantwortung. Und wenn man wie offenbar die AfD nicht bereit ist, sich dieser Verantwortung zu stellen, dann darf man sich nicht empört beschweren, dass Vertreter der demokratischen Mitte dies deutlich und klar zum Thema machen. Mit Diffamierung hat dies nichts zu tun, wohl aber mit politischer Kultur.