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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Hochwasser
Ein wichtiges Ziel: Resilienz!

Die aktuellen Flutkatastrophen verlangen nicht nur offensive Klimapolitik, sondern auch defensiven Wetterschutz. Dafür braucht es politische Weichenstellungen.
Hochwasser Ahrweiler
Der Kreis Ahrweiler durch das Hochwasser besonders schwer getroffen worden. © picture alliance/dpa | Boris Roessler

Die Abfolge der Ereignisse in dieser Woche spricht für sich: Erst verabschiedete die Europäische Kommission ihren Masterplan zur Klimapolitik und dann kamen die Meldungen zu den Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, den schlimmsten soweit das Gedächtnis reicht. Erschütternd dabei sind vor allem die vielen Todesopfer, ein Anlass zu tiefer Trauer.

Es bleibt die Frage: Was ist zu tun, um solche Katastrophen in der Zukunft zu verhindern? Um diese Frage zu beantworten, braucht es einen kühlen politischen Kopf, egal wie dramatisch die Situation sich im Einzelnen darstellt. Die Vernunft legt eine zentrale Forderung nahe: Wir müssen unser Land so umgestalten, dass wir mit meteorologischen Extremereignissen besser umgehen können – sei es nun extremer Regen oder extreme Trockenheit. Denn selbst wenn unsere globale Klimapolitik außerordentlich erfolgreich ist und der anthropogene Einfluss auf die Erderwärmung langfristig auf null sinkt, wofür wir hart arbeiten müssen, wird es eine Zwischenzeit von mindestens zwei Generationen bis tief in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts geben, in der massive Wetterausschläge nicht mehr zu verhindern sind.

Das heißt: Unsere Landschaften und Siedlungen müssen resilienter werden. In dieser Hinsicht ist in den letzten Jahrzehnten schwer gesündigt worden. Ausgleichsflächen für Überschwemmungen wurden beseitigt oder wuchsen einfach unkontrolliert zu, so dass ihre Aufnahmekapazität beschränkt wurde – oft übrigens aus Gründen der ökologischen Vielfalt, die dort nichts zu suchen hat, wo sich Wasser durch „Verbuschung“ nicht mehr ansammeln kann. Siedlungen entstanden in überschwemmungsgefährdeten Bereichen, weil dort die Landschaft unter normalen Wetterbedingungen so attraktiv, naturnah und schön ist. Und die nötige moderne Ausrüstung der zu Recht viel gerühmten Feuerwehr und des weltweit einmaligen Technischen Hilfswerks (THW) hinkte hinter den technischen Möglichkeiten zurück, weil die öffentlichen Haushalte die Mittel nicht zur Verfügung stellen konnten. All dies muss aufhören. Wir können es uns nicht mehr leisten.

Ähnliches gilt für den Zustand unserer Wälder. Auch hier ist Resilienz gefragt: Die zunehmend schweren Phasen der Trockenheit und die dadurch verstärkte Schädlingsanfälligkeit vor allem in den waldreichen östlichen Regionen Deutschlands rufen nach einer Neubepflanzung, die weggeht von den Monokulturen der Fichten und Kiefern hin zu einem gesünderen Mischwald. Bei den langen Wachstumszyklen des Waldes ist dies (fast) eine Jahrhundertaufgabe, die mit hoher Professionalität angegangen werden muss. Private Waldbesitzer brauchen dabei noch mehr fachkundige und finanzielle Unterstützung, um die Aufgabe zu bewältigen. Denn nur wenn sie im Strukturwandel mitgenommen werden, besteht eine Chance, das Ziel zu erreichen. Der Staat allein kann es nicht leisten, auch wenn er noch so viele kluge Pläne vorlegt. Ohne privates Kapital ist die Aufgabe zu gigantisch in einer Nation wie Deutschland, deren Fläche noch immer fast zu einem Drittel aus Wald besteht – Tendenz: Steigend, und das ist gut so.

Tatsächlich hat es in den letzten Jahren, was den defensiven Wetterschutz angeht, einige Fortschritte gegeben – zumeist als Folge von Überschwemmungen und Dürre. So wurde zum Beispiel nach dem katastrophalen Elbhochwasser 2002 an der mittleren Elbe eine umfassende Erneuerung der Deichanlagen und Ausgleichsflächen vorgenommen, die sich anscheinend be-währt. Ebenso hat die Transformation des deutschen Waldes in Richtung Resilienz erste Fortschritte gemacht.

Allerdings gehen diese Prozesse zu langsam. Dies liegt wohl an zwei Gründen: Zum einen ist die öffentliche Aufmerksamkeit allzu einseitig auf die Klimaschutzpolitik mit der Senkung des CO2-Ausstoßes konzentriert. So überragend wichtig dieser Schwerpunkt auf lange Sicht ist, so wenig wird diese Politik zur mittelfristigen Entlastung an der meteorologischen Schadensfront beitragen. Hier braucht es einen breiteren politischen Ansatz. Ähnliches gilt für die Akzeptanz in der konkret betroffenen Bevölkerung: Junge urbane Eliten interessieren sich besonders für die offensive Klimapolitik, aber es sind vor allem die Bewohner eher ländlicher Regionen, die besonders unter den Schäden der Witterung leiden – sei es durch Überschwemmungen oder Trockenheit. Auch hier liegt ein Grund für die vielbeklagte Spaltung unserer Gesellschaft. Es wird Zeit, dass er ernst genommen wird.

Die Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat unser ganzes Land erschüttert. Wir dürfen die Menschen in den betroffenen Regionen in dieser Situation nicht allein lassen. Auch Sie können helfen! Mit Ihrer Spende an die „Aktion Deutschland Hilft“ unterstützen Sie konkret bei der Hilfe vor Ort.