Krieg in Europa
Die China-Propaganda in tschechischen „Alternativmedien“
Medien sind ein wichtiges Instrument, um einen Rahmen für die allgemeine Interpretation und das Verständnis von Ereignissen sowie die Verbreitung von Informationen zu schaffen. So berichten die Medien nicht nur über die gesellschaftliche Realität, sondern sie tragen auch dazu bei, unsere Sicht der Realität zu formen. Vor allem bei weit entfernten Themen, die von der persönlichen Erfahrung des Lesers losgelöst sind, wie z. B. Nachrichten aus fernen Ländern verlässt sich das Publikum auf eine unparteiische und sachliche Berichterstattung der Medien. Angesichts der Rolle der Medien als Gestalter lokaler Wahrnehmungen überrascht es nicht, dass verschiedene Akteure, angefangen bei politischen und wirtschaftlichen Eliten bis hin zu ausländischen Akteuren seit langem Zugang zu den Medien suchen, um die Berichterstattung in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu manipulieren. In Mitteleuropa fallen sowohl Russland als auch China in die Kategorie solcher Akteure. Die Studie des Stiftungspartners AMO „From East with Love: Dissecting Pro-China Bias in Czech and Slovak Alternative Media“ beschäftigt sich intensiv mit der China - Propaganda in tschechischen Alternativmedien. Im Folgenden eine Zusammenfassung der wesentlichen Befunde.
Kreml-affine Medien und chinesische Narrative
Im Zusammenhang mit der russischen Invasion in der Ukraine zieht Chinas offensichtliche Unterstützung der russischen Darstellung zunehmend die Aufmerksamkeit von Politikern, Analysten und Medien auf sich. Auch wenn die Propaganda Chinas und Russlands auf unterschiedliche Weise funktioniert und unterschiedliche Ziele und Taktiken verfolgt, verdient die in Mitteleuropa festgestellte Konvergenz der Botschaften durch ähnliche Kanäle und übereinstimmende Zielgruppen Aufmerksamkeit. In Bulgarien teilen Russia Today und China Today nicht nur das Büro, sondern sogar ihren Herausgeber. Russische Desinformations-Servicedienstleister in den Visegrád-Ländern stellen sich zunehmend auf die Seite von Huawei und tragen zur Verbreitung von Desinformationen bei, die für Peking vorteilhaft sind - ein Trend, der bei den Protesten in Hongkong und dem Ausbruch von COVID-19 zu beobachten war. Diese Medien gewähren auch chinesischen Botschaftern und Beamten immer mehr Raum, um ihre Meinungsäußerungen zu veröffentlichen und offizielle chinesische Argumente unwidersprochen zu präsentieren. Die Konvergenz der chinesischen und russischen Botschaften über ähnliche Kanäle und an ein gleiches Publikum in Mitteleuropa verdient Aufmerksamkeit.
Medien, die Desinformationen und Verschwörungen verbreiten, bezeichnen sich selbst oft als „alternativ“. Dieser Begriff wird in der bisherigen Forschung allgemein definiert als „Medien, die die etablierten Kanäle herausfordern und alternative Ansätze und Perspektiven vorbringen, die dem vorherrschenden Diskurs in den Mainstream-Medien widersprechen oder von ihm abweichen“. Der „alternative“ Charakter der Medien lässt sich nicht nur an den veröffentlichten Inhalten, sondern auch an der Art und Weise, wie die Nachrichten produziert werden, nachweisen: Häufig werden Clickbaits verwendet, ethische Standards journalistischer Arbeit außer Acht gelassen sowie die Transparenzregeln im Allgemeinen nicht eingehalten.
In der Tschechischen Republik sind die wichtigsten alternativen Medien Sputnik, Parlamentní Listy und Aeronet. Diese Medien verwenden keine auf den ersten Blick offensichtlichen manipulativen Techniken. Stattdessen wenden sie subtile Strategien an, wie z.B. das Einschmuggeln bestimmter Zitate außerhalb des Kontextes, das Verwischen von Fakten, das Hervorheben chinesischer und russischer Stimmen und das absichtliche Weglassen wichtiger Informationen. Artikel, die sich auf russische Quellen stützen (z. B. Russia Today, Sputnik oder die Agentur TASS) erörtern häufig die Beziehungen zwischen Russland und China und beschreiben sie als für beide Seiten vorteilhaft und als Gegengewicht zur westlichen liberalen Weltordnung.
In den untersuchten alternativen Medien kommen häufig Kommentare ausländischer Agenda-Setter aus China und Russland vor. Wenn es um China-Bezogene Themen geht, ist die Veröffentlichung der chinesischen Position ein natürlicher Teil des Diskurses – solange sie in den Kontext gestellt und angemessen erläutert wird, was aber in der untersuchten Berichterstattung oft nicht der Fall war. Zudem konnte ein starkes Ungleichgewicht hinsichtlich der Kommentare tschechischer Experten zu China im Vergleich zu der hohen Anzahl von Kommentaren von Experten aus Russland und China beobachtet werden. All dies kann die Interpretation des Lesers erheblich beeinflussen.
Taiwan: der neue Brennpunkt
Eines der dominierenden Themen in den tschechischen alternativen Medien ist in letzter Zeit Taiwan geworden. Die Medienberichterstattung war zwischen Juni und Oktober 2020 besonders dicht, was mit dem viel beachteten Besuch des tschechischen Senatspräsidenten Miloš Vystrčil auf der Insel Anfang September 2020 und der anschließenden Eskalation der tschechisch-chinesischen Beziehungen zusammenhing. Der chinesische Außenminister Wang Yi drohte sogar, dass Vystrčil für die Reise „einen hohen Preis zahlen“ werde.
Der ehemalige sozialdemokratische Premierminister Tschechiens, Jiří Paroubek, trug ebenfalls mit mehreren Kommentaren zur Propaganda in der Taiwan-Frage bei. Er kritisierte die tschechischen Senatoren für ihre Bemühungen, die Beziehungen zu Taiwan zu stärken, und bezeichnete sie als „nützliche Idioten“. Paroubek zog auch eine recht kühne Parallele zwischen der Situation in Hongkong und möglichen Unabhängigkeitsbestrebungen eines amerikanischen Bundesstaates, wobei er New York als Beispiel anführte.
Ein gern gesehener Diskussionsteilnehmer in den Alternativmedien ist Jan Campbell, deutscher Staatsbürger tschechischer Herkunft, der häufig für alternative tschechische Medien Kommentare zu geopolitischen Fragen liefert. In Bezug auf Hongkong kritisierte er die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Hongkong, weil sie sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einmische. Außerdem behauptete er, die Organisatoren der Maidan-Proteste in der Ukraine seien nach Hongkong „exportiert“ worden.
Ein spezifisches Narrativ, das sich auf den Vergleich zwischen Taiwan und dem sogenannten „Sudetenland“ bezieht, dem tschechischen Grenzgebiet zu Deutschland und Österreich, das 1938 von Nazi-Deutschlands besetzt und eingegliedert wurde, wurde von mehreren rechts- und linksextremen Gruppen in der tschechischen Politik missbraucht, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren, indem sie auf die nationalistische Karte setzen.
5G: Die „Experten“ treten auf
Die Berichterstattung der alternativen Medien über eine mögliche chinesische Beteiligung am 5G-Aufbau in Tschechien waren größtenteils deckungsgleich mit den Argumenten des chinesischen Unternehmens Huawei. Die alternativen Medien ließen oft den kontextuellen Hintergrund aus und boten eine reduzierte Perspektive auf das Huawei-Problem, indem sie es als Teil des Handelskriegs zwischen China und den USA darstellten.
Das Thema 5G wurde häufig im Zusammenhang mit chinesischen Investitionen erwähnt. In der Berichterstattung wurde in der Regel die Neue Seidenstraße-Initiative, die Besuche des tschechischen Präsidenten Miloš Zeman in China und seine Kommentare zu 5G sowie die mögliche Beteiligung Chinas an einer Ausschreibung für die Erneuerung des Kernkraftwerks Dukovany-II erwähnt. Präsident Zeman warnte sowohl vor Repressalien Chinas aufgrund der ablehnenden Haltung Tschechiens zur Zusammenarbeit mit Huawei als auch vor dem Rückzug chinesischer Investitionen und negativer Auswirkungen auf tschechische Unternehmen wie den Anbieter von Verbraucherkrediten Home Credit oder den Automobilhersteller Škoda, die beide wirtschaftliche Interessen in China haben.
Die Nationale Agentur für Cyber- und Informationssicherheit (NÚKIB), die im Dezember 2018 eine Sicherheitswarnung zu Huawei herausgegeben hat, wurde einige Male von den alternativen Medien angegriffen. In einigen Artikeln wurde beispielsweise behauptet, es fehle an soliden Beweisen für die Behauptungen der NÚKIB. Die Kritik galt auch dem tschechischen Sicherheitsinformationsdienst (BIS), der in seinen Sicherheitsberichten häufig China erwähnte, und seinem Direktor Michal Koudelka, der als „Sicherheitsrisiko für das Land“ bezeichnet wurde, weil er sich auf China und Russland konzentrierte und die angeblichen Bedrohungen durch den Westen auslasse. Die Kritik an den Nachrichtendiensten wurde zu einem großen Teil von Präsident Zeman geäußert, der seit Langem zu den entschiedensten Befürwortern der Zusammenarbeit mit China und Russland zählt.
Ein weiteres wichtiges Narrativ bezog sich auf die technologischen Fähigkeiten Chinas und betonte die Attraktivität des Landes für Forscher und das unvergleichliche Forschungspotenzial von Huawei. In einem Artikel wurde sogar erwähnt, dass die Mobiltelefone von Huawei zu den sichersten auf dem Markt gehören, da sie nicht von Geheimdiensten infiltriert werden können. So wird die Zusammenarbeit mit China aufgrund seiner Spitzenleistungen in der technologischen Forschung und Entwicklung oft als Notwendigkeit dargestellt, während die Sicherheitsrisiken heruntergespielt werden.
Die unvermeidliche Last der Verantwortung
Das erklärte Bestreben der Alternativmedien, die Pluralität der Meinungen darzustellen, führt in deren Praxis dazu, dass die Unterscheidung zwischen relevanten und irrelevanten Quellen verwischt und die Stimmen von Randgruppen verstärkt werden. Ebenso verschwindet die Unterscheidung zwischen professionellen Journalisten und Bloggern, die ihre Meinungsartikel auch oft ohne Angabe ihrer Expertise, Zugehörigkeit oder Informationsquelle veröffentlichen. Dies zeigt sich auch in der Tendenz zur Anonymisierung der Autoren, wodurch die Autoren nicht die Last der Verantwortung für ihre Texte tragen müssen. Dennoch, diese Last ist im seriösen Journalismus eben unvermeidlich.
Ivana Karásková Ph.D. ist Gründerin und Leiterin der Projekte China Observers in Central and Eastern Europe (CHOICE) und MapInfluenCE sowie China-Forschungsbeauftragte bei der Association for International Affairs (AMO), einem unabhängigen Think Tank in Prag.
Veronika Blablová ist Datenanalystin bei der Association for International Affairs (AMO).
Pavel Havlíček ist Russland-Analyst bei der Association for International Affairs (AMO).
Dieser Artikel stammt aus der Studie „From East with Love: Dissecting Pro-China Bias in Czech and Slovak Alternative Media“, die im Rahmen des Projekts MapInfluenCE veröffentlicht wurde.