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LGBTQI+ in Myanmar
LGBTQI+-Menschen in Myanmar: “Wir sollten uns von ihren verletzenden Worten nicht aufhalten lassen”

Teilnehmer von “Open Mic” 2022, der mit einer Maske auftritt, um anonym sprechen zu können

Teilnehmer von “Open Mic” 2022, der mit einer Maske auftritt, um anonym sprechen zu können.

© FNF

Myanmar steckt seit dem Putsch des Militärs im Februar 2021 in einer tiefen Krise. Der Bürgerkrieg zwischen der Junta und zahlreichen Widerstandsgruppen hat sich in den vergangenen Monaten intensiviert. Laut UN sind inzwischen mehr als 2,6 Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht. In vielen Regionen fehlt es den Menschen am nötigsten. Neben der Gefahr für Leib und Leben leiden die Menschen auch unter hohem psychischem Stress. Gleichzeitig gibt es kaum psychische Unterstützung für die Menschen vor Ort. Vor allem Gruppen, die schon vor dem Bürgerkrieg marginalisiert und diskriminiert wurden, verlieren immer mehr sichere Räume, in denen sie sich geschützt fühlen und offen sprechen können

Wie geht es den Menschen der LGBTQI+-Community in Myanmar angesichts dieser Umstände? Und wie kann ihnen geholfen werden? Die Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit organisiert in Myanmar seit drei Jahren das Event "Open Mic". Ziel ist es, einen Raum für einen interaktiven Dialog zwischen Bürgern und Experten zu schaffen, um traumatische Erlebnisse zu teilen und Trost und Hilfestellungen von Mentaltrainern zu bekommen. "Open Mic" ruft Menschen dazu auf, ihre Geschichten zu erzählen, die ihre Resilienz und die anderer Betroffener stärken, indem sie soziale und kulturelle Normen offen in Frage stellen. In diesem Jahr werden vor allem Mitglieder der LGBTQI+-Community ihre Geschichten und Erfahrungen mit dem Publikum und den Coaches teilen.

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie und Transphobie können Sie hier vier Erzählungen unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer lesen.

“Nach dem Putsch hat man uns oft als Witzfiguren behandelt”

Mein Name ist Ah Tar*. Ich lebe in Hpa-An im Bundesstaat Kayin. Ich bin eine Transgender-Frau. Ich gehe offen damit um. Einige von uns outen sich als LGBTQI+, andere nicht. Wir sind oft wegen konservativer Normen diskriminiert worden. Nach dem Putsch hat man uns oft als Witzfiguren behandelt. Als ich zum Beispiel zu einem Termin in einer Behörde im Warteraum wartete, riefen sie dort spöttisch meinen Namen aus. Dieses Verhalten ist recht häufig geworden. Ich sollte nicht wie eine Art Witz behandelt werden. Ich habe das Gefühl, dass ich mir meine Identität aussuchen kann, auch wenn mein biologisches Geschlecht bei der Geburt festgelegt wurde. In unserer LGBTQI+-Gemeinschaft ermutige ich meine Kolleginnen und Kollegen, sich treu zu bleiben, damit andere uns beneiden können. Auf diese Weise werden wir uns in unser Umfeld einfügen, nicht als Stachel in der Gesellschaft, sondern als ehrenwerte Wesen.

“Ich möchte ein Beispiel für Erfolg sein”

Mein Name ist Ko Phyo und ich bin seit meiner Kindheit ein transsexueller Mann. Ich gehe offen damit um. Ich lebe in Monywa in der Region Sagaing. Ich habe in meinem Leben viel Diskriminierung erlebt. Das sind die Momente, die mich in meinem Leben am meisten verletzt haben. Als ich mich in der Schule wie ein Mann kleidete, wurde ich von meinem Lehrer diskriminiert, ebenso von Mitschülern und Mitschülerinnen. Sie trauten sich nicht, mit mir Freundschaft zu schließen. Beim Nachhilfeunterricht wurde mir gesagt, ich solle mich wie ein Mädchen und nicht wie ein Junge anziehen, sonst könne ich nicht am Nachhilfeunterricht teilnehmen. Meine Mutter musste mit den Lehrern verhandeln, damit sie mir erlaubten, beim Nachhilfeunterricht lange Hosen zu tragen. Vor der ganzen Klasse sagte mir meine Lehrerin, dass aus mir nichts werden würde, weil ich meine geschlechtliche Identität nicht deutlich gemacht hätte. Meine Lehrerin sagte mir, dass es in der Liste erfolgreicher Menschen auf der ganzen Welt niemanden gibt, der meiner Identität entspräche. Nachdem ich diese Worte gehört hatte, war ich fest entschlossen, einen sehr guten Abschluss zu machen. Ich möchte ein Beispiel für Erfolg sein. Auch als LGBTQI+ kann man erfolgreich werden. Wenn ich meine alten Freunde und Lehrer treffe, kann ich ihnen sagen und zeigen, dass LGBTQI+ auch erfolgreich sein und die Gemeinschaft unterstützen können. Jetzt arbeite ich als Trainerin bei Rainbow Platform für eine Online-Aufklärungskampagne. Als LGBTQI+-Frau und sexuell aktive Frau, die wie ein Mann lebt, verliere ich immer noch meine Menschenrechte und bin vielen Diskriminierungen ausgesetzt. Ich möchte weiter über die Diskriminierung berichten und wie ich diese schwierigen Momente überlebt habe.

“Meine Umgebung macht meine Identität auch für den Klimawandel verantwortlich”

Ich bin Soe Yin. Ich lebe in Zabu Thiri, Nay Pyi Taw. Ich selbst bin ein Transgender-Mann und lebe in einer Gesellschaft, in der LGBTQI+ nicht akzeptiert wird. In der Vergangenheit hat mich meine Familie wegen meines Wesens gemieden. Mein Umfeld kritisierte mich aufgrund traditioneller Normen, und ich fand es schwierig, diese Diskriminierungen zu ertragen. Die Leute sagen zum Beispiel, dass ich ein Transgender-Mann geworden bin, weil ich in meinem früheren Leben viele schlechte Dinge getan habe. Wenn ich in Klöster gehe, wird mir gesagt, ich solle Longyi (traditioneller Frauenrock) statt Pa-soe (traditionelle Männerkleidung) tragen. Ich kann nicht tragen, was ich will. Meine Umgebung macht meine Identität auch für den Klimawandel verantwortlich. Das Wetter wird abnormal, weil es heutzutage so viele von uns gibt, haben sie uns gesagt. Ich muss diese Worte tolerieren, obwohl ich sie nicht mag. Ich möchte, dass andere meinen Status akzeptieren. Ich versuche jetzt, mich auf meine Träume zu konzentrieren. Wir sollten uns von ihren verletzenden Worten nicht aufhalten lassen, also leben Sie bitte Ihr Leben und Ihre Träume weiter.

“Ich möchte meine Liebe zu weiblichen Dingen ausleben”

Ich bin Grande und eine nicht-binäre Person. Ich komme aus Mandalay. In der Vergangenheit habe ich viel über meine Geschlechtsidentität nachgedacht. Ich bin von Geburt an männlich, aber ich möchte nicht wie ein Mann leben. Das heißt nicht, dass ich mein Geschlecht ändern und wie eine Frau leben möchte. Aber ich liebe weibliche Dinge, wie etwa feminine Dekoration. Ich habe feminine Gedanken und Verhaltensweisen. Ich habe einen weiblichen Geschmack, wenn ich mich anziehe. Aber ich will mich nicht operieren lassen, um meine Brüste zu vergrößern, mein Geschlecht zu ändern und meine Stimme zu verändern. Ich möchte meine Liebe zu weiblichen Dingen ausleben. Daher möchte ich mich nicht als "Mann" oder "Frau" identifizieren, sondern als nicht-binär. Das lebe ich auch offen aus. Als ich ein Kind war, hatte ich Angst davor, als "schwul" bezeichnet zu werden. Aber als ich aufwuchs, blieb ich meinem Gefühl treu und lebte in der Hoffnung, dass die Menschen mich eines Tages so akzeptieren würden, wie ich mich darstelle, und aufhören würden, mich wegen meiner nicht-binären Identität zu verspotten. Jetzt erhalte ich etwas Anerkennung von meiner Familie und meinem Umfeld. Ich habe meine Karriere begonnen, und das möchte ich der Öffentlichkeit mitteilen: keine Angst zu haben und sich nicht zurückzuziehen, sondern dem treu zu bleiben, was ich als meine Identität empfinde.

Vanessa Steinmetz leitet die FNF-Büros in Thailand und Myanmar von Bangkok aus. Hnin Wint Naing arbeitet als Programm-Managerin im FNF-Team in Yangon.

**Alle Namen der Teilnehmenden sind geändert.