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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Nachruf
Ein Magdeburger für den Rechtsstaat

Zum Gedenken an Burkhard Hirsch. Er starb im Alter von 89 Jahren.
Ein Blick auf Magdeburg, der Geburtsstadt von Burkhard Hirsch.
Ein Blick auf Magdeburg, der Geburtsstadt von Burkhard Hirsch. © picture alliance/arkivi

Er gehörte zu jener prominenten Gruppe von Liberalen, die aus Mitteldeutschland stammten und nach der deutschen Teilung als Juristen in den Westen gingen, unter ihnen Hans-Dietrich Genscher, Wolfgang Mischnick sowie Gerhart Baum – und eben auch Burkhard Hirsch. Geboren in Magdeburg-Neustadt, aufgewachsen in Halle an der Saale studierte er Rechtswissenschaft in Marburg und war nach Tätigkeit in einem Industrieverband und Promotion seit 1964 bis zu seinem Tod als Rechtsanwalt in Düsseldorf tätig. Ab 1948 Mitglied der LDP und dann 1949 im Westen der FDP war er in Nordrhein-Westfalen zunächst in der Kommunalpolitik und dann als Innenminister tätig. Daneben hatte er über die Jahrzehnte zahlreiche hohe Ämter in der Partei inne, war Vorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen sowie langjähriges Mitglied des FDP-Bundesvorstands.

Burkhard Hirsch war ein leidenschaftlicher Liberaler, ein kompromissloser Verteidiger des Rechtsstaats sowie ein großer Freund der Deutschen Einheit. In zahlreichen politischen Protesten und juristischen Prozessen wandte er sich gegen alle Versuche, die Bürgerrechte einzuschränken und den Rechtsstaat auszuhöhlen. Er war dabei – als streitbarer Redner und brillanter Jurist – überaus erfolgreich. So kippte er – zusammen mit Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – Teile des sogenannten Großen Lauschangriffs sowie das umstrittene Luftsicherheitsgesetz, das bei terroristischen Angriffen den Abschuss von Flugzeugen unter Inkaufnahme ziviler Opfer erlaubte.

Ein großer Freund Mitteldeutschlands

Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag zweifellos in der Rechtspolitik. Aber er war und blieb Zeit seines Lebens ein großer Freund Mitteldeutschlands, seiner Heimat. Bei kaum einer der jährlichen Veranstaltungen zum Tag der deutschen Einheit fehlte er. Als 2003 die Feier in der Stadthalle auf der Magdeburger Elbinsel stattfand, war er selbstverständlich dabei – und tief gerührt, dass er mit 73 Jahren in seiner Heimatstadt die Festrede des ungarischen Schriftstellers der Freiheit Imre Kertész erlebte.

Sein Herz für die Deutsche Einheit war dabei nicht nur durch seine Herkunft, sondern auch durch seinen tiefen Respekt vor dem gesamtdeutschen Parlamentarismus in den Jahren vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten geprägt. Natürlich räumte er ein, dass die Weimarer Republik gescheitert war, aber umso größer war seine Achtung vor jenen Politikern, die im Reichstag verzweifelt gegen den Aufstieg der Nazis ankämpften – mit mutigen Reden zur Verteidigung der Demokratie und des Rechtsstaats.

Mahnmal für die Bedeutung des Parlaments

So groß war sein Respekt vor jenem Reichstag der zwanziger Jahre und des Kaiserreichs, dass er zu den wenigen Parlamentariern des Deutschen Bundestags zählte, die sich 1993 vehement gegen die Verhüllung des Reichtagsgebäudes wendeten. Sein Argument in einer tiefernsten Bundestagsrede war ein Plädoyer nicht gegen die Kunst, wohl aber für die Würde der parlamentarischen Demokratie. Damit spielt man nicht, so Hirsch, und er stellte in Interviews wiederholt die rhetorische Frage, ob denn die Amerikaner, Briten und Franzosen zustimmen würden, wenn jemand vorhätte, ihre Parlamentsgebäude „einzuwickeln“.

Er blieb in dieser Sache mit seiner Meinung in der Minderheit und akzeptierte das Ergebnis. Aber überzeugt war er nicht davon. Vielleicht war seine Position in dieser Frage in den Zeiten der Eventkultur und -kunst etwas „altmodisch“, aber sie steht wie ein Mahnmal für die Bedeutung des Parlaments für Demokratie und Rechtsstaat. Im Angesicht eines wachsenden Populismus, der die niveauvolle und streitbare Debatte der Volksvertreter verachtet, sollten wir uns daran erinnern.